Das war die Situation mit der auch Kinder und Jugendliche der Vertriebenen zunächst fertig
werden mussten. Das Schicksal der Vertreibung und der nicht immer freundlichen Aufnahme in einem
zerstörten Deutschland hatte sich tief in ihre Seele eingebrannt.
Jeder kann sich vorstellen, dass erst einmal die Rangordnung zwischen der einheimischen und
der vertriebenen Jugend hergestellt werden musste. Es soll wahre Schlachten gegeben haben.
Als Kinder
Als schulpflichtige Kinder lebten sie normalerweise im Familienverband, wobei allerdings oft
der Vater fehlte. Soweit örtlich möglich, konnten sie ihren Schulunterricht wieder aufnehmen und
die in der Tschechei verlorenen 1 bis 2 Schuljahre nachholen. Doch nicht überall gab es Mittel-,
Ober- und Fachschulen, sodass ursprüngliche Schulziele sich oft nur schwer oder gar nicht
verwirklichen ließen. Der Neustart in einer Klasse fiel nur wenigen leicht. Oftmals wurden die
Flüchtlingskinder geschnitten und gehänselt. Oftmals kam die Frage vom Lehrer: Woher könnt ihr
denn so gut Deutsch.
Als Jugendlicher
Oft war auch bei den Jugendlichen die Fachschullaufbahn und die Lehre durch das Kriegsende
und die Wartezeit bis zur Vertreibung aus der Heimat unterbrochen. Es fehlten 1 bis 2 Schuljahre.
Eine passende Lehrstelle am neuen Wohnort zu finden, war in diesen Jahren ein Glücksfall.
Lehrstellen blieben oft den einheimischen Anwärtern vorbehalten. So waren viele gezwungen,
irgendeine Arbeit als Hilfsarbeiter anzunehmen.
Als Wehrpflichtiger
Viele der jungen Vertriebenen wurden als ehemalige Flakhelfer, Mitglieder
des Reichsarbeitsdienstes oder Soldaten als 16 bis 20 - jährige ohne Angehörige aus der Heimat
vertrieben oder aus der Gefangenschaft nach Restdeutschland entlassen. Sie standen vor dem
totalen Nichts. Die meisten von ihnen hatten keinen ordentlichen Schulabschluss oder eine
abgeschlossene Berufsausbildung, weil sie mit 16 oder 17 Jahren zum Kriegsdienst eingezogen
wurden. Ein Neustart war für sie besonders schwer. Oft drückten 20 - jährige die Schulbank,
um das ABI oder andere Qualifikationen nachzuholen. Nur ein Ortswechsel brachte oft die Chance
zum Neubeginn.
Integration und Neubeginn
Diese Jugend war auf Grund ihres Herkommens, des anderen Dialektes, anderer Religion und vor
allem auch durch das oft langjährige Lagerleben noch nicht in der neuen Wohngemeinde integriert.
Vielfach waren sie als Flüchtlingskinder ausgegrenzt und litten unter dem Spott und den
Vorurteilen der Einheimischen. Die Integration und der Abbau von Diskriminierungen dauerte jedoch
oftmals noch Jahre.
Meist gewöhnt an große Entbehrungen, waren sie beseelt von einem starken Willen zum
Neubeginn. Durchsetzung, Leistung und der Wille zum Vorwärtskommen waren gefragt. Diese
Eigenschaften waren durch ihr Schicksal bei den Vertriebenenkindern stärker ausgeprägt,
als bei den einheimischen.
Für die Mehrzahl von ihnen waren die sich bildenden Gemeinschaften der Vertriebenenjugend
von großer Bedeutung. Hier erlebten die jungen vertriebenen Sudetendeutschen die Gemeinschaft
von Schicksalsgefährten gleichen Alters und gleicher Alltagsprobleme.
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