Berufsnot heimatvertriebener Jugendlicher

Eines der drückendsten Probleme des 1. Nachkriegsjahrzehntes war die hohe Zahl von schulentlassener Jugend ohne Lehrstelle.
Davon waren vor allem die heimatvertriebenen Jugendlichen betroffen, da Lehrstellen meist nur an einheimische Bewerber vergeben wurden. Allein in Bayern waren es 100.000 Jugendliche.

Um wenigstens eine kleine Abhilfe zu schaffen, wurde die Berufsausbildungsstätte Ingolstadt mit angeschlossenem Internat von der Internationalen Flüchtlingsorganisation (IRO) gegründet.
Hier erhielten viele hundert Jugendliche in den angeschlossenen Werkstätten eine handwerkliche Kurzausbildung, die sie für eine Berufstätigkeit qualifizierte.

Der damalige SdJ- Bezirksjugendleiter von Oberbayern, Ossi Böse, übernahm in dem angegliederten Heim die Aufgabe als hauptamtlicher Heimleiter.
An dieser Stelle hatte er die Möglichkeit der heimatvertriebenen Jugend einen Ausbildungsplatz zu beschaffen.

Innerhalb der SdJ bzw. SL wurde dafür ausdrücklich geworben, z.B. mit dem folgenden Rundschreiben.

 

 

Ingolstadt, den 16. April 1951

An alle Kreis- und Ortsjugendleiter der SdJ.


Es besteht die Möglichkeit, in der Berufsausbildungsstätte mit Heim in Ingolstadt, für folgende Berufe deutsche Mädel und Jungen s o f o r t aufzunehmen:

Weißnäherinnen, Schneiderinnen, Steinholzleger, Maurer, Tischler;

außerdem beschränkt: Maler, Schuhmacher, Technische Zeichner, Radio - Mechaniker, Putzer (vorher Maurer gewesen sein).

Die Anreise für oben aufgeführte Berufe müssten noch diese Woche erfolgen, da sonst die Plätze vergeben sind. Folgende Vorgangsweise bei der Bewerbung ist einzuhalten:

  1. Der Bewerber meldet sich mit beil. Formblatt in dreifacher Ausfertigung beim zuständigen Gemeindeamt, zwecks Bestätigung der von ihm gemachten Personalangaben.
  2. Meldung bei der Berufsberatung beim zuständigen Arbeitsamt. Die Berufsberatung hat den Vorschlag über den zu wählenden Beruf einzutragen.
  3. Zum Bezirksfürsorgeverband wegen Kostenübernahme. Sollte der Bez. Fürsorgeverband aus Unkenntnis des Bundesjugendplanes, die Bescheinigung verweigern, so ist darauf hinzuweisen, daß die Schule in Ingolstadt unter: Ruf 2925 zu erreichen ist. Laßt euch nicht abweisen!

Anspruch darauf haben:

  1. Jugendliche und Erwachsene auf Grund des Bundesjugendplanes (nur Heimatvertriebene)
  2. Verheiratete, die unter die Bestimmung der Kriegsfolgehilfe fallen, haben Anspruch auf eine Familienhilfe während der Dauer der Ausbildung (3 –6 Monate) von DM 80,- monatlich.
  3. Heimkehrer, kurz alle Personen, die unter oben angeführtes Gesetz fallen.

Der Schüler der Ausbildungsstätte hat also für Unterkunft, Verpflegung und Ausbildung keinerlei Auslagen. Er bekommt sogar monatlich ein Taschengeld von DM 12.-

Nachdem die Einrichtungen der Werkstätten der Schule mustergültig sind, ist für eine gediegene Ausbildung garantiert. Nach Absolvierung des Kurses bekommt jeder Teilnehmer ein Zeugnis über den besuchten Lehrgang und Leistungen. An der Schule laufen folgende Lehrgänge:

Bau- Holzgewerbe: Maurer, Putzer, Bautischler, Möbeltischler, Tüncher und Steinholzleger
Bekleidungsgewerbe: Weißnäherinnen, Schneiderinnen, Schneider und Schuhmacher
Metallgewerbe: Autoelektriker, Elektromechaniker, Radiomechaniker, Schlosser, Dreher, Fräser, Hobler, Autog. Schweißer, Elektro- Schweißer, Automechaniker
Verschiedene Gewerbe: Techn. Zeichner, Maschinenschreiben

Kameraden! Dies ist eine einmalige Gelegenheit, um unsere sozialen Vorhaben auch einmal in die Tat umsetzen zu können! Es liegt nun an jedem Einzelnen von Euch zu ermöglichen, dass endlich auch einmal unsere Mädel und Jungen in Berufsausbildung kommen.

Sollte durch eine zu starke Beteiligung der jetzige Lehrgang besetzt sein, so werden die angemeldeten Leute für den nächsten vorgemerkt!

Also auf zur Tat!

Mit landsmannschaftlichem Gruß

Georg Worbs   Ossi Böse
Sozialstelle   Bez. Jugendleiter Obb.

 

Unsere Anschrift: Berufsausbildungsstätte mit Heim,
  Ingolstadt, Münchnerstr. 6, Tel. 2925.

Nur für den Dienst, nicht für Behörden zu verwenden!!!



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