Anmerk Red: Sie lesen zunächst einen ausführlichen Bericht.
Unten schließt sich eine Technische Anleitung zum Nachwandern an.
Schon im 1.Gaisthaler Sommerlager 1950 wurde eine Grenzwanderung abgehalten.
Diese großartige Idee hatte Erich Kukuk.
Die Wegstrecke und die Uhrzeit wurden seither nicht geändert. Alle folgenden Lager haben diese Wanderung auch durchgeführt und
so wurde sie zur Tradition.
Am Ende jeder Lagerwoche, mit Ausnahme der Jugenderholungen, wurde also traditionell die Grenzwanderung durchgeführt.
Während der Woche wurden den Lagerteilnehmern immer wieder die Geschichte, die Wirtschaft, aber auch die Geographie und Topographie
Böhmen-Mährens -- der alten Heimat Sudetenland -- durch Referate, Lesungen, Vorträge, Reiseberichte und auch durch lustige Geschichten
à la Hockewanzl und Fritz Grass nähergebracht.
Das Interesse an der alten Heimat wurde geweckt und das Wissen über die alte Heimat wurde vermehrt. Die Bereitschaft der Mädel und
Jungen dazu war groß.
Der Grenzgang fand meist an Samstagen statt.
Am Vortag wurde dies mitgeteilt und die Auswahl der Teilnehmer getroffen. Von da an fieberten alle der Wanderung entgegen. Es wollte
jeder an die Grenze, in die Heimat schauen und auch erleben, wovon die Älteren schwärmten.
Das gemeinsame Lagerfeuer wurde am Freitag früher als gewöhnlich beendet; die Abendfeier war kürzer und spätestens um 22:00 Uhr war
absolute Lagerruhe.
Um 0:30 Uhr wurden die Teilnehmer der Wanderung geweckt.
Es war Zeit für eine kurze Morgentoilette, besser Nachttoilette, für das Herrichten und Anziehen der Wanderausrüstung und die
Feldflaschen konnten mit warmem Tee gefüllt werden.
Pünktlich um 1:00 Uhr zog die Kolonne vom Lager los.
An der Spitze der verantwortliche Führer, unterstützt von einem älteren Lagerhelfer. Dann folgten in Zweierreihen die Jungen und
dann die Mädchen.
Den Schluss bildeten 3 bis 4 größere Jungen, die dafür verantwortlich waren, dass keiner verloren ging und die Kolonne einigermaßen
zusammen blieb.
Gruppe kurz vor dem Ziel |
Die ersten Jahre, etwa bis 1955, führte Erich Kukuk die Wanderung an. Ab 1956 übernahm der Pit aus Schwarzenfeld die Leitung, der wechselweise unterstützt wurde von Hans Kallinovsky, Toni Komenda, Hans Rosenkranz und Horst Tieber.
Bis Schönsee verlief die Wanderung auf der Landstraße, was in den 50er Jahren völlig ungefährlich war, da es noch fast keine Autos gab, schon gar nicht mitten in der Nacht auf dieser Landstraße.
Die ersten Kilometer verläuft die Straße im Kerbtal (Erosionstal) der Ascha. Der beidseitige Waldbestand verhinderte, dass die Sterne
den Weg erhellen konnten. Die Augen gewöhnten sich aber schnell an die Verhältnisse.
Das diffuse Licht und das Schweigen der Wanderer erzeugte eine geheimnisvolle Stimmung.
Nach etwa 2 km wurde das Waldstück und das enge Tal der Ascha verlassen und man erreichte ein breites, muldenförmiges Tal, das weiter
ansteigend bis zur Stadt Schönsee reicht.
Kurz nach dem Waldrand erkennt man links, westlich der Straße stehend, die Doppelstatue des Hl. Nepomuk. Die eine der gleichen Figuren
wendet ihr Gesicht ostwärts, nach Böhmen blickend, die andere schaut nach Westen, nach Bayern hinein.
Die Doppelfigur steht nicht am Grenzverlauf; die Grenze zu Bayern verläuft seit uralten Zeiten 8 Kilometer östlich, an der Schwarzach.
Wahrscheinlich wurde diese Doppelfigur nur als Hinweis auf die nahe Grenze an dieser früher wichtigen Handelsstraße etwa um 1800
errichtet.
Nach 5,5 km und 1,5 Std. durchquert man Schönsee und erreicht das am süd-östlichen Ortsrand gelegene Freibad.
Nun beginnt ein steiler nach Süd-Osten führender Fußweg, der nach ca. 1 km einen Bildstock bzw. ein Feldkreuz St. Magdalena erreicht.
Der Weg ist immer noch ansteigend bis zum höchsten Punkt der Wanderung mit 810 m ü. NN und durchquert die Nord-Ost-Hänge des Drechselberges,
dem Hausberg der Schönseer.
Bis 1 km vor Stadlern geht die Wanderung durch Hochwald, entsprechend schlecht ist die Sicht. Die Wurzeln und Stolpersteine sind eher
zu ahnen als zu sehen. Auf Taschenlampenlicht soll möglichst verzichtet werden;
diese Anweisung kann leicht eingehalten werden, da die Batterien der meisten Lampen verbraucht sind.
Man verlässt den Wald am Rande eines flachen Tales und erkennt schwach am jenseitigen Rand des Tales die ersten Häuser und den
Kirchturm von Stadlern, die langsam aus der Nacht, den Wolken oder dem Nebel erscheinen.
Nach 1 km erreicht die Kolonne Stadlern, quert die Hauptstraße und verlässt den Ort den Kreuzwegstationen folgend.
Die Wanderer sind nach 3 Std. bzw. 9,5 km am Ziel, in Stadlern am Birkenkreuz, angekommen.
Inzwischen ist es 4:00 Uhr früh.
Die Mädel und Jungen verspüren nun doch eine leichte Anstrengung und Müdigkeit. Durch das Ausruhen und Rasten bedingt, macht sich
langsam auch noch eine stärker werdende Kälte breit.
Das Kreuz steht halt auf 720 m ü. NN und der böhmische Wind bläst ungehindert auf den Rastplatz. Gute Freunde und Freundinnen
kuscheln sich zusammen in Mulden und hinter Felsen, um sich gegenseitig zu wärmen.
Etwa um 4:30 Uhr bemerkt man den beginnenden Sonnenaufgang.
Über den Ausläufern des Böhmerwaldes, dem Bernsteiner Rücken, erscheinen die ersten rötlichen und gelben Streifen und nach und
nach schiebt sich die Sonne über die Berge.
Bis 5 Uhr hat es die Sonne geschafft und zeigt ihre noch diffus leuchtende Scheibe am Horizont.
Morgenfeier am Birkenkreuz 1960 |
Nun wird mit der kurzen, aber doch sehr eindrucksvollen Morgenfeier am Birkenkreuz begonnen.
Ein, zwei Lieder, ein paar besinnliche Worte, vielleicht eine kleine Lesung und dann ist die Feier beendet.
Es wirkt alles wunderbar zusammen, der Sonnenaufgang, der Blick in die Heimat und die kleine Feier.
Es entsteht ein großer Eindruck, vielleicht pathetisch von Emotionen geleitet, der auf alle einwirkt und den keiner vergessen wird.
Nach der Feier am Kreuz wurden belegte Brote von den Küchenfeen als Frühstück verteilt.
Die Küche hatte den Proviant in der Nacht hergerichtet und es irgendwie geschafft, einen der damals noch selten Autobesitzer zu
becircen.
Frisch gestärkt ging es den Weg nach Osten entlang, langsam abfallend, durch den Weiler Waldhäuser und dann stark nach Süden drehend nun in unmittelbarer Nähe der Grenze weiter.
Anfangs war nur das Flüsschen Schwarzach die Grenzmarkierung, die in Abständen durch Tafeln mit der Aufschrift
50 METERS TO BORDER unterstützt wurde.
In den späteren 50er Jahren wurde der EISERNE VOHANG in voller Pracht installiert.
Es wurden ein Maschendrahtzaun, wahrscheinlich elektrisch gesichert, ein gesandeter Todesstreifen und Wachtürme, jeweils auf
gegenseitige Sicht, errichtet.
Landesgrenze bei Stadlern | Schlagbaum bei Stadlern |
Die Wanderer wurden zunehmend ruhiger. Die Szenerie hatte etwas Beklemmendes, sogar Beängstigendes.
Bald erblickte man den Grenzort Bayerisch Schwarzach und die grüngewandeten Grenzpolizisten.
Die Stimmung wurde wieder besser und das Angstgefühl war wie weggeblasen.
Am Schlagbaum hielt man sich ca. 30 Minuten auf, bevor die Straße zurück nach Stadlern genommen wurde.
Es geht nun stetig bergauf, und zwar 3 km lang.
Nach insgesamt 8 km Rundweg und 2 Std. Gehzeit war man wieder in Stadlern.
Inzwischen war es 8:30 Uhr und die Sonne begann nun wärmer zu werden.
Der Rückweg führt jetzt über Straßen und Steige des Hinweges.
Vom Punkt 810 m ü. NN geht die Route nur noch abwärts bis ins Zeltlager in Gaisthalerhammer.
Es wurde Schönsee erreicht.
Die Wanderer bildeten nun eine Marschkolonne und mit Gesang und im Gleichschritt wurde der Ort passiert.
Man wollte Disziplin zeigen und die stärker werdende Müdigkeit verstecken.
Jetzt geht es entlang der Ascha zügig weiter. Man kommt an den alten Eisenhämmern vorbei, die man beim Hinweg kaum wahrgenommen hat. Es sind dies der Schallerhammer, Muggenthal, Rosenthal, Rosenhof und letztlich der Gaisthalerhammer.
Diese Eisenhämmer entstanden zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert.
Es wurde Eisen geschmiedet, wozu das Wasser der Ascha die Energie lieferte. Die letzten Hämmer beendeten ihre Arbeit um 1800. Das
Wasser wurde nun für die aus den Hämmern entstandenen Glasschleifen und Polierwerke genutzt. Auch diese Manufakturen konnten nicht
überleben.
Heute gibt es nur noch 2 bis 3 E-Werke, die das Wasser der Ascha durch ihre Turbinen jagen.
Kurz vor dem Zeltlager wurde erneut im Gleichschritt marschiert und es wurden lauthals Fahrtenlieder gesungen.
Nach einer Gesamtwegstrecke von fast 30 km und einer Gesamtzeit von 10 Stunden erreichten alle das Lager.
Die Mädel und Jungen waren angestrengt, müde, aber glücklich diese Leistung erbracht zu haben und waren dankbar, dass sie dabei
sein durften und nun um ein wunderbares Erlebnis reicher sind.
Gruppe auf dem Rückweg nach Gaisthal |
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Noch heute treffen sich die alten Kameraden von damals an manchen Wochenenden in Gaisthal;
das Kreuz in Stadlern wird dabei immer besucht.
Die sonst meist lustige und sich viel erzählende Schar wird aber hier am Kreuz ruhiger und besinnlich.
Oft wird dann spontan ein Lied aus den alten SdJ-Zeiten angestimmt und alle denken an die 50er Jahre zurück.
(Anmerkung des Verfassers: Ich glaube jetzt zu wissen, woher der Spruch kommt, der beim Fahnehissen bzw. Einholen gesagt wurde: WIR GRÜSSEN DIE HEIMAT !)
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Wanderung / Teil 1 | Hinweg | |
Start: | Gaisthalerhammer | 550 m ü. NN |
Ziel: | Schönsee Freibad | 650 m ü. NN |
Höhenunterschied | 100 m | stetig ansteigend |
Weglänge | 5,5 km | |
Gehzeit | 1,5 Std. | |
Charakter: | Landstraße, erst im engen Kerbtal der Ascha im Hochwald, dann in einer weiten Mulde durch
Äcker und Felder bis Schönsee.
Heute am Oberpfalzwanderweg auf der ehemaligen Bahntrasse. | |
Uhrzeit: | 1:00 Uhr (nachts) bis 2:30 Uhr | |
Wanderung / Teil 2 | Hinweg | |
Start: | Schönsee Freibad | 650 m ü. NN |
Ziel: | Stadlern Kreuz | 720 m ü. NN |
Zwischenpunkte: | St. Magdalena | 770 m ü. NN |
Höchster Punkt am
Nordhang des Drechselberges |
810 m ü. NN | |
Höhenunterschied | 160 m | steil ansteigend |
90 m | flach auslaufend | |
Weglänge | 5,0 km | |
Gehzeit | 1,5 Std. | |
Charakter: | Fußweg steil bis zum höchsten Punkt, dann Wald- und Feldwege, eine Talmulde querend bis zum
Kreuz in Stadlern am Fuße des Reichensteins
(874 m ü. NN) | |
Uhrzeit: | 2:30 Uhr bis 4:00 Uhr | |
Wanderung / Pause | Rast, Morgenfeier | |
Am Kreuz in Stadlern auf einem natürlichen Plateau im Süd-Ost-Hang des Reichensteins mit Blick über dessen auslaufende Hänge über das Grenzflüsschen Schwarzach hinweg auf den ansteigenden Bernsteiner Rücken als Ausläufer des Böhmerwaldes. | ||
Dauer: | 1,5 Std. bis 2,0 Std. | |
Uhrzeit: | 4:00 Uhr bis 6:00 Uhr | |
Wanderung / Teil 3 | Schwarzacher Schleife / Rundwanderung | |
Start: | Stadlern Kreuz | 720 m ü. NN |
Ziel: | Stadlern Ortsmitte | 710 m ü. NN |
Zwischenpunkte: | Waldhäuser | 690 m ü. NN |
Schwarzach (Grenze) | 560 m ü. NN | |
Höhenunterschied | 160 m | bis Grenze stetig fallend, |
150 m | dann bis Stadlern langsam ansteigend | |
Weglänge | 8,0 km | |
Gehzeit | 2,0 Std. | |
Charakter: | Befestigte Waldwege, Landstraße | |
Uhrzeit: | 6:00 Uhr bis 8:30 Uhr; mit Grenzpause | |
Wanderung / Teil 4 | Rückweg | |
Start: | Stadlern Ortsmitte | |
Ziel: | Gaisthalerhammer | |
Weglänge | 9,0 km | |
Gehzeit | 2,5 Std. | |
Charakter: | Rückweg identisch mit Hinweg | |
Uhrzeit: | 8:30 Uhr bis 11:00 Uhr | |
Wanderung Gesamt | ||
Weglänge | 27,5 km | |
Gehzeit | 7,5 bis 8,0 Std. | |
Uhrzeit | 1:00 Uhr (nachts) bis 11:00 Uhr (vormittags) |
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