DER PFEIL berichtet in seiner Nummer 10/1958


Von Meer, Schlick und Krebsen

Frischer Nordwest sang in den Wanten. Die Möven kreisten. Mit schaumbedeckten Köpfen rollten die Wellen auf unser Boot zu. Schwer holten wir über. Laut ratterte, stampfte und stöhnte die Maschine: uns war ein wenig eigenartig zumute, so allein auf dieser unendlichen Weite.
Beruhigend war es, die harten, von Wind und Wetter gegerbten Hände des Steuermannes zu betrachten, die das Rad eisern umschlossen und das Schiff auf Kurs hielten.
Feucht war die Luft, sie schmeckte ein wenig bittersalzig.

Dann tauchte sie auf: Ein undeutlicher Streif zuerst in der rollenden Dünung, dann deutlicher werdend, und schließlich wuchs sie groß aus dem. Wasser heraus. Sie -- das Ziel unserer Fahrt -- die Insel Amrum.
Durch die, zerfetzte Wolkendecke huschte ein freundlicher Sonnenstrahl. Weiße Häuser leuchteten auf. Freundliche Menschen winkten, und mit Knarren, Schaben und Quietschen machte unser Boot am Landungssteg fest.

Der Strand

Und dann standen wir an Land.
Längst schon war das Boot auf neuem Kurs und noch immer standen wir und staunten. Sand, Dünen, nette Häuser und wieder Sand. Zuerst konnten wir es kaum fassen, unwillkürlich griffen unsere Hände immer wieder in den Sand und ließen ihn zwischen den Fingern hindurchquellen. Wir waren glücklich.

Bald hatten wir uns mit, den Kameraden aus Nordrhein-Westfalen zusammengerauft.
Wir sammelten Muscheln, Treibholz, seltsame Flaschen und bunten Sand. Wappen bauten wir damit und sonstige herrliche Verzierungen vor unseren Zelten.
Wir jagten über die Heide, sprangen von den höchsten Dünen, tollten am Strand, hatten Haare und Ohren, voll Sand, aßen sogar süße Suppen und manchmal auch die Erbsen.
Wir, suchten Quallen und fingen Krebse, wir saßen am Lagerfeuer und hörten von Störtebeckers Taten.
Wir schliefen traumlos und schwer. Manchmal schlief auch die Wache.

Bei Ebbe wanderten wir durchs Watt von Amrum zur Insel Föhr.
Susi, die statt auf den Weg zu schauen, nur Augen für Fuzzy hatte, nahm ein Schlammbad.
So zogen wir in langer Reihe durch den Schlick, durch die Priele und über Muschelbänke. Der Regen peitschte uns vorwärts.
Als die kommende Flut rauschend in die Priele schoß, schlug manches Mädchenherz bang und manches Jungengesicht wurde bleich; die Füße achteten weniger der Muscheln, die so heftig schnitten, oder der Krebse, die so gefährlich aussahen.
Auf Föhr waren wir im Museum und machten das ruhige Badeleben unsicher.
Warum wohl die Astrid von der Landungsbrücke gefallen ist?

Bei blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein fuhren wir nach Helgoland.
Es wehte eine sanfte Brise und das Schiff schaukelte leicht in der Dünung des offenen Meeres. Wir saßen auf dem Oberdeck und sonnten uns. Niemand dachte etwas Böses.
Ja, und dann, dann eilte Krischan mit einer leeren Keksdose über Deck, grüne Gesichter beugten sich über die Reeling, mancher wünschte zu sterben.
Die Fische folgten unserem Schiff, sie dachten wohl, wir seien ein Wohltätigkeitsboot.
Wie schnell der Mensch vergißt!
Auf Helgoland wurde schon wieder fleißig gefuttert. Wir bewunderten die neuen, bunten Häuser, die Steilküste, und das tiefblaue Meer. Wir kauten billige, zollfreie Schokolade und -- ja, auf der Heimfahrt fütterten wir wieder die Fische. Nicht wahr, Bernd?!

Unsere Tage, waren ausgefüllt mit Spielen und Wanderungen. Wir bestaunten die Enten in der Vogelkoje, wanderten, um die Nordspitze der Insel und am Abend über den menschenleeren Strand.
Die Jungen spielten Fußball, die Mädchen trieben Gymnastik mit Maren, oder sie balgten sich um den Ball mit Gundl. In der Mittagspause wurde so manches Mädchen im Sand vergraben. In langer Reihe ragten die Köpfe, aber nur die Köpfe aus dem Sand.

Und dann saßen wir an unserem letzten Lagerfeuer, über uns wölbte sich der Dom des Himmels im tiefsten Schwarz. Tausende Sterne funkelten. Es war uns allen ein bißchen weh ums Herz.
Der Abschied wurde sehr schwer. Wir wären so gerne noch ein Weilchen geblieben.

Am letzten Tage weinte mit uns der Himmel, als wir den Weg durch die Dünen, über die Heide und durchs Dorf zum letzten Mal gingen.
Naß und müde saßen wir im Schiff und schauten zurück.
Langsam verschwand am Horizont die Insel, und wir träumten. Träumten vom Sand, von den Dünen, vom Meer und von der Sonne.
 

Dieter Huber


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