Der Landeskassier von Rheinland/Pfalz der DJO Richard Lux erinnert sich 1979 an seine Zeit in der Jungenschaft

Eine rein zufällige Begegnung

Es war der Landesjugendtag 1979 der Landesgruppe Rheinland-Pfalz. Nach heftigen Rededuellen, aber auch manchen endlosen Bla-bla, endlich die ersehnte Entspannung, das persönliche, leichte Gespräch unter Freunden, auch wenn man sich zum ersten Mal sah.

Und so saßen Sie eben nebeneinander, der Bundesjungenschaftsführer Mike, der ja in der Pfalz wohnhaft ist, und der Kassenprüfer aus Koblenz. Mike, 24 Jahre und Richard mit seinem 51. Thema der zaghaft beginnenden Unterhaltung: Die Jungenschaft!
Und so stellte sich heraus, daß Richard auch mal Jungenschaftler gewesen war. Reisiger seines Zeichens, zu einer Zeit allerdings, als die Jungenschaft aus der Taufe gehoben wurde, in den Kinderschuhen lief, mit Blasen an den Füßen, bis diese Schuhe passten.
Und über die Frage wie es damals war, kam Richard ins Erzählen, von dieser Zeit des Aufbaus in den Fünfziger Jahren, von den Fahrten, den Zeltlagern auf kleiner Ebene, oft impulsiv, ohne Planung, nur aus der Freude am Tun. Einfach ausgerüstet, -- nur dem Erlebnis entgegenfiebernd.
Was hatten sie denn, die Jungenschaftler von damals? Eine Kohte, Schlafsack, Luftmatratze, Fahrtenmesser und einen riesigen Hordentopf.
Bestimmt hat sich einiges nicht geändert. Der große Hunger einer Horde Jungs auf großer Fahrt, auch wenn es nur ein paar Kilometer sind.

Den Jungenschaftler dieser Zeit konnte man schon auf weite Entfernung erkennen, an seiner alten, abgewetzten, von großen Abenteuern protzenden Bundhose, an seinem von der Sonne gebleichten, ehemals schwarzen Anorak und beim Näherkommen an dem fast penetranten Geruch nach Rauch.
Dieser Duft nach Erlebtem, machte die Jungenschaftler so beliebt bei den Mädchen, die so gerne zuhörten, wenn sie von den gemeisterten Gefahren, den Lagerfeuern in fremden Ländern berichteten.
Ein zünftiges Lagerfeuer in fremder Umgebung und in freier Natur ist nun mal kein Grillabend am Haus mit elektrischer Beleuchtung und plärrendem Plattenspieler. Dort draußen hat jede Stunde tausendfaches Gewicht, jede Minute in sternenklarer Nacht am prasselnden Feuer bringt eine Ewigkeit an Erleben.
Aber wem sage er das, meinte Richard.
Die Jungen und Mädchen -- es waren inzwischen 6 oder 7 Zuhörer -- würden dies ja aus eigener Erfahrung kennen. Romantik war noch nie unmodern, nur zeitweise wollte man das Wort nicht. Heute sind sie wieder unterwegs, die Jungen und Mädchen.
Der immer noch aktive Bergwanderer und leidenschaftliche Kletterer nennt Zahlen. Zu 40 % werden heute schon die Berghütten von Jugendlichen belegt und diese Zahlen steigen weiter von Jahr zu Jahr.

Und es wird wieder gesungen. Viel und gern. So kam zwangsläufig die Frage nach dem Liedgut von früher.
Nun meint Richard, erst waren es die rauen Gesänge, von den Wildgänsen, Hei-ja-Safari, der Eisenfaust am Lanzenschaft, dem mächtigsten König im Luftrevier, dem Pestschiff vor Madagaskar. und vielen Anderen.
Aber auch Lieder für den Abend am flackernden Feuer, besinnlich schon, die Müdigkeit eines ausgefüllten Tages widerspiegelnd; die letzten Speere schwirren, es dunkelt die Heide, jenseits des Tales, die Dämmerung fällt, nehmt Abschied Brüder, gute Nacht Kameraden.

Irgendwann einmal kam die erste Fahrt nach Bad Kissingen auf den Heiligenhof. Seinerzeit die zentrale Schulungsstätte für die Jungenschaft. Es wird wohl keinen Jungenschaftler gegeben haben, der nicht mindestens einmal den Heiligenhof besucht hat.

Die meisten Proben sind damals auf dem Heiligenhof abgenommen worden.
Durch das Zusammentreffen der Jungenschaftler aus dem ganzen Bundesgebiet, wurde er auch die Brutstätte für große Unternehmungen. Neben den Schulungen, so in den Pausen, wurden die Grenzlandfahrten ausgeheckt, später durchdacht, dann geplant.
Erich Kukuk, heute Heimleiter am Heiligenhof, damals Landesführer von Bayern, gab uns den Tritt in die richtige Richtung.
Jedenfalls starteten dann die großen, gut vorbereiteten Großaktionen oder Maßnahmen (wie man heute sagt), wie die Fahrten nach Südtirol, zu der ebenfalls vertriebenen karelischen Jugend nach Finnland, zu den Helden-Friedhöfen im Ausland, ins Zeltlager an der bayerisch-tschechischen Grenze.
Das Lager Gaisthal steht noch heute.

Es waren erlebnisreiche Jahre für Richard, diese Fünfziger. Reich an Erleben, reich an Erfahrungen, reich an Freude in der Gemeinschaft. Wer dies nicht kennt, kann es auch nicht vermissen, aber wer schon einmal ein solches Gemeinschaftserlebnis kennengelernt hat, bedauert die Anderen um ein Stück, ein wertvolles Stück verschenkter Jugend.

So klang dieser Abend nach einem harten Tag aus und weil diese Unterhaltung, diese rein zufällige Begegnung den Stempel der Einmaligkeit, des Nichtwiederkehrens trug, fiel Richard ein Spruch ein, ein Wandspruch in der Jugendherberge Diez an der Lahn:

Begleiter auf kurzen Pfaden,
von fremder Sonne gebräunt,
einmalige Schlafkameraden
sind uns mehr als ein Freund.

Einmal ein Wortetauschen,
ein Fragen warum und wie,
einmal erzählen und lauschen
und wissen: heut oder nie.

Dann ein ganz leichtes Scheiden,
ohne Worte so schlicht,
es kann sein, daß es Beiden weh tut,
nur wissen sie’s nicht.

Als er geendet hatte, klang es wie eine Mahnung, oder besser wie eine Aufforderung an die zuhörende Jugend, die Zeit ihrer Jungenschaft zu nutzen, so zu nutzen wie er seine Zeit genutzt hatte.

RL

 



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