Helmut Irblich, Gründungsmitglied der Südmährischen Spielschar berichtet:

Unsere Motivation

Die Spielscharen haben viele Freunde in anderen Ländern gewonnen, vor allem auch in den ehemaligen Heimatgebieten.

Als Beispiel das Vorwort zu einer Veranstaltung der Moravia Cantat, früher Südmährische Sing- und Spielschar genannt, in der Synagoge von Jägerndorf / Krnov, gehalten von dem letzten Zeitzeugen der Rettungsaktion des Gotteshauses im Oktober 1938, Helmut Irblich, am 04. September 2008, 18:30 Uhr:

"Heute, nach 70 Jahren erfüllt sich hier ein großer Traum. Wir erleben heute nach 70 Jahren der Profanierung dieses Gotteshauses die Rückkehr geistiger Werke der Bürger, denen das Gotteshaus über 67 Jahre diente.“

Es sind Werke jüdischer, deutscher, mährischer Komponisten, welche die hübschen Mädchen und Burschen des Klangkörpers der Moravia Cantat, das heißt Mähren singt, mit ihrem Leiter Dr. Wolfram Hader -- der 3. Generation der Südmährischen Sing und Spielschar vortragen werden.

Die Gruppe wurde vor 56 Jahren, 1952, gegründet. -- Wir waren 6 Idealisten.
Was bewog damals 20-jährige Jugendliche das zu tun?

Gleichaltrige vergnügten sich mit Jazz, mit Louis Armstrong, Glenn Miller, um im Swinging Zeitalter ihr Verlangen nach Freude zu befriedigen.

Uns drängte es die seelische Not zu bewältigen.

Wurzellos -- gedemütigt -- nicht gelitten in der neuen Gesellschaft.

Alliierten Anordnungen zufolge wurden ehemalige Heimatgemeinden, Gemeinschaften zerrissen, weit im Land zerstreut verteilt angesiedelt, damit politische Minderheitsbildungen vermieden werden.

Es drängte uns gegen diese tiefen seelischen Schmerzen etwas zu tun.
Wir merkten, Gesänge der Heimat linderten seelische Leiden. Materielle Werte, soweit körperliche Gesundheit gegeben, waren mit unermüdlichem Fleiß und Sparsamkeit zu ersetzen. --
Wir Vertriebene rangen und strebten danach, das entwendete gesellschaftliche Niveau wiederzugewinnen.

Letztendlich führte diese kommutierende Verhaltensweise im freiheitlichen Nachkriegsdeutschland zum Wirtschaftswunder.

Aber daneben war das seelische Leid!

Gewiss einen Teil linderte, geistig richtungweisend die Befolgung der christlichen Gebote, der fundamentale christliche Glaube.
Da blieb immer noch ein Rest der seelischen Not, -- der Wurzellosigkeit in der Fremde.
Die Vermittlung des empfundenen Schmerzes des Symphonischen Werkes Verdis, des Gefangenenchores der Oper Nebukadnezar, ist ein Hauch dessen, den unsere Menschen quälten.

Wir hatten nichts -- gar nichts!

Wir hatten den inneren Drang dagegen etwas zu tun!
Wir folgten den Lehren des Volkskundlers Dr. Walther Hensel aus Mährisch Trübau: Wir gingen in die Vertriebenenlager, notierten Gesänge, Texte, vorwiegend älterer Personen, sammelten Aufzeichnungen von mährischen und sudetenschlesischen Volkstänzen.

Hans Proksch, Professor der Lehrerbildungsanstalt Znaim, unser erster Chorleiter, formte von den Unterlagen mehrstimmige Liedsätze.

Wir zogen durchs Land und hatten brechend volle Säle. -- Fallende Stecknadeln hätte man hören können!
So aufmerksam folgte unser Publikum.

Für zuhörende Menschen, Stunden der Labsal ihrer Schmerzen. Mit dieser Arbeit festigten auch wir das Ungleichgewicht der Heimwehgedanken unserer Seelen.

So nannten wir den Titel unserer erstbesungenen Schallplatte Heimat dir Ferne.


        Helmut Irblich



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