DIE TSCHECHOSLOWAKEI HEUTE

Frühjahrsseminar des Arbeitskreises sudetendeutscher Studenten 1965

Auf seiner diesjährigen Tagung auf dem Heiligenhof in Bad Kissingen behandelte der Arbeitskreis Sudetendeutscher Studenten (ASST) die heutige Situation in der CSSR.

Dr. Urban vom Herderinstitut Marburg sprach über das Erziehungswesen, wobei er betonte, daß der Marxismus auf zunehmenden Widerstand bei den Studenten stoße. Die pädagogischen Probleme in der Tschechoslowakei seien in mancher Hinsicht mit unseren zu vergleichen. Die Lehrkräfte seien durch ihre zusätzlichen Aufgaben in der politischen Jugendorganisation doppelt belastet. Nach seiner Schulzeit hätte der junge Tscheche kaum Interesse an einer politischen Betätigung. Der Referent berichtete von der Aktivität der slowakischen Schriftsteller und Journalisten, die durch ihre Kritik die Liberalisierung fördern.
Die Lage der etwa 200 000 Deutschen in der CSSR sei nicht erfreulich, da ihnen im Gegensatz zu den anderen Minderheiten kein Unterricht in ihrer Muttersprache erteilt wird. Deutsch wird nur als Fremdsprache gelehrt.

Die politische Entwicklung bis 1961 mit dem Schwerpunkt auf die kommunistische Machtergreifung von 1948 zeigte Dr. Hans Lemberg vom Institut für osteuropäische Geschichte (Köln} auf.
Die 1961 einsetzende Entstalinisierung und Liberalisierung behandelte Dr. des. Wulff (Marburg), der dabei die besondere Rolle der Slowakei betonte. Er veranschaulichte die heutigen Zustände durch einen Farblichtbildervortrag von einer Reise durch die Tschechoslowakei.
Dr. Rudolf Hilf (München) nahm zu den deutsch - tschechischen Beziehungen seit 1945 und zur Möglichkeit eines gegenseitigen Ausgleichs Stellung. Nach seiner Ansicht sei ein bedeutender Wandel im Denken der Tschechen festzustellen, was Anlaß zur Hoffnung auf eine künftige Verständigung gebe. Voraussetzung dafür sei jedoch eine Verminderung des sowjetischen Einflusses in Mitteleuropa.

Einen eindrucksvollen Abschluß fand das Seminar des ASST durch eine eingehende Erörterung der Lage der katholischen Kirche in der CSSR durch den Redakteur der FAZ, Dr. Johann Georg Reißmüller, der auf einer Reise einen guten Einblick gewinnen konnte. Die Diözesen Böhmens sind unbesetzt, die Bischöfe verstorben oder interniert, die Klöster aufgelöst, viele Kirchen geschlossen und dem Verfall preisgegeben.
Es existieren nur mehr zwei Priesterseminare, die in Leitmeritz und Preßburg jährlich 40 bis 50 Priester ausbilden. Die Kirche ist vom modernen Leben völlig abgeschnitten und hat bei der Jugend keine Resonanz. Westliche Ideen sind bei der weiteren Zerstörung beteiligt.
Die Kirche in Böhmen ist nur noch ein Scheingebilde.

In der Slowakei ist die Lage erheblich besser, bis 50% der Jugendlichen nehmen am Religionsunterricht teil, der Kirchenbesuch ist sehr rege, worin sich die noch immer weit verbreitete Religiosität der Slowaken ausdrückt.

R Goldmann  
4 Düsseldorf, Kuhlwetterstraße 12  


 



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