Leitung: Klaus Großschmidt und Erich Kukuk
-- Bericht aus der Sicht eines Teilnehmers aus dem Bezirk Schwaben. --
Bild 1: Der Lagereingang
Über 40 Jungenschaftler aus Bayern, Hessen, Nordrhein - Westfalen, Baden - Württemberg, Berlin und Österreich treffen sich in Gaisthal. Unsere Abordnung vom Bezirk Schwaben besteht aus Herwig Heisler, Günther Konrad und mir.
Es ist ein Lager des Bundes -- das müssen wir bald erfahren. Es gibt anfänglich enttäuschte und böse Gesichter, als Erich Kukuk die einzelnen Gruppen aus den Ländern zerreißt und bunt gewürfelt zu vier Lagerscharen neu zusammenstellt. Herwig Heisler führt die erste Schar an, Gerd die zweite, Pit Schowanek die dritte, der auch ich angehöre und Ulf Felgenhauer übernimmt die vierte, aus Pimpfen -- von uns die Kurzen genannt -- gebildete Schar.
Bild 2: Schar Pit Schowanek
Dann sind Stimmen zu vernehmen: Was wollen überhaupt die paar Mädchen hier? Das soll ein Jungenschaftslager sein, wo Mädchen kochen, keine Kothe steht und ein festes Haus mit WC vorhanden ist? Doch jeder war im Nachhinein froh, sich nicht auch noch ums Kochen kümmern zu müssen, denn das, was in der folgenden Woche kam, war hart.
Bild 3: Küchenpersonal, an der Gitarre: Hanne Schaffer und
Bild 4: Brotträger
Für jeden gibt es eine Beschäftigung: Ein Junge ohne Basteln, ein Kerl, der nicht mit Fahrtenmesser, Knotenstrick und Holzpflöcken umgehen kann, gehört nicht ins Jungenschaftslager! Die Kurzen helfen mit beim Nachschub für die Küche.
Mit Feuereifer arbeitet jeder und macht das nach, was uns Erich vormacht. Sitzt bei Dir der Lang- und Diagonalbund, hält Dein Achterschlag und der Zimmermannsknoten? Dann können wir ja weitermachen.
Uns stört es nicht weiter, dass es den ganzen Nachmittag über regnet. Jede Schar baut einen Beseler Steg im Kleinmodell. Erich zeigt uns die Bünde und Maße und los geht´s. Bindfaden und dünne Äste sind das Material. Die Beseler Stege können nebeneinander gesetzt werden. So kann man Bäche überqueren.
Bild 5: Erich Kukuk und Ulf Felgenhauer und Bild 6: Herwig Heisler
Nie hätte ich vorher geglaubt, Jungenschaftler könnten aufs Essen vergessen. Aber hier ist es wirklich so.
Jede Schar baut sich ein ostdeutsches Wappen. Es werden sorgsam gehütete Kunstwerke aus Naturfarben. Jeder kleine Regen und zu pralle Sonne werden abgehalten. Einer zerklopft im Kochgeschirr Holzkohle, von einer Baustelle bringen wir rote Ziegelsteine und gelben Sand, grünes Moos wächst im Wald und weiße Farbe findet man in der Zahnpastatube. Nach der feierlichen Enthüllung kann man die einzelnen Kunstwerke bewundern. Herwigs Schar baut das Sudetendeutsche Wappen, Günthers Schar das Danziger, meine Schar das Karpatendeutsche und Ulf mit seinen Kurzen das Litauer-Wappen.
Bilder 07, 08 und 09
Für die hohe Führung baut Kalli (Kalinowsky) vor dem Bundeszelt den deutschen Adler.
Doch auch unsere Mädchen sind nicht untätig. Die Reihe von frisch gewaschenen Grauhemden an der Faustballleine sind ein flatternder Beweis dafür. Ein ganz besonderes Verdienst von Hanne Schaffer. Bild 10:
Gleich neben dem Lager liegt der Erika-Weiher. Als kleine Vorprobe muss jeder zeigen, was er kann. Rettungsschwimmer beziehen rings um den Weiher Stellung. Todesmutig stürzen sich alle in die Fluten. Jetzt merken erst viele, wie eiskalt das Wasser ist. Die besseren Schwimmer ziehen sogar Kleider an und kämpfen sich damit zur Insel.
Ja, eine bildschöne Insel liegt in der Mitte des Weihers. Die sie erreichen, verschanzen sich dort und im Nu ist eine Schlammschlacht im Gange mit Sturmangriff und Eroberung der Wasserbastion, die es in sich hatte. Nach Waffenstillstand ist die Insel zwar immer noch da, aber nicht mehr bildschön.
Sogar ein Sportstadion besitzt Gaisthal. Jeder ahnt, was das bedeutet: Alles in Sportzeug und Trainingsanzügen antreten! Die Gaisthaler liegen in den Fenstern, als wir mit rekordhungrigen Augen zur Großkampfarena marschieren.
10(000) Zuschauer säumen das große Oval. Sie werden nicht enttäuscht. Es wird ein Tag der Rekorde und großartiger Leistungen. Einen halben Meter hoch steht das Gras auf der (g)rasanten Bahn, an der sich die Läufer zu ihrem ersten Start niederkauern. 10,2 Sekunden zeigt die Uhr für Günther, den Schnellsten über . . . . 75 Meter. In dieser Disziplin kann ich mit 10,4 Sekunden als Zweitschnellster gut mithalten. Im Kugelstoßen schafft der Beste 10 Meter. Die Kurzen bringen den Schlagball bis zu 50 Meter. Günther ist auch beim Kugelstoßen einer der besten und Herwig beim Springen. Wir sind also würdige Vertreter unseres Bezirks Schwaben.
Der Weitsprung muß leider ausfallen. Obwohl sich alle Wettkämpfer intensiv an der Suche beteiligen, können wir die Sprunggrube im hohen Gras nicht finden.
Ganz auf ihre Kosten kommen die Zuschauer, als die Vorrunde zur großen Handballmeisterschaft beginnt. Besonders das Spiel der Schar 4 gegen meine Schar hat es in sich. Die Kurzen zeigen ein tolles Kombinationsspiel zwischen den Beinen der Langen. Nach der 1. Halbzeit liegen wir im Rückstand. Der Grund: unsere Schar macht einen fatalen taktischen Fehler, indem sie mich ins Tor stellt. In der 2. Halbzeit korrigieren wir den Mißgriff und ich spiele im Sturm. Nur ein verzweifelter Spurt am Ende des Spieles kann uns das 4 : 4 retten und uns vor dem Ausscheiden bewahren. Ich schieße alle 4 Tore und war somit an allen Toren beteiligt!
Bild 11: Vor dem Wettkampf und Bild 12: Beim Angriff
Um vor bösen Menschen sicher zu sein, bewachen je zwei Jungenschaftler abwechselnd die ganze Nacht hindurch am Lagerfeuer das Lager. Mitten in der Nacht werde ich zum Dienst geweckt. Trotz des Lagerfeuers ist es kalt und ungemütlich und die ungewohnten Laute der Nacht tragen auch nicht gerade dazu bei, unsere Stimmung zu verbessern.
Am nächsten Morgen herrscht richtige Wettkampfstimmung. Um 10 Uhr rückt das ganze Lager ab zum Sportplatz: Endrunde der Lager-Handballmeisterschaft. Meine Schar steht der Schar Gerds gegenüber. Nachdem meine beiden Lattenbälle nichts einbringen -- ich werde mich noch lange darüber ärgern -- verlieren wir mit 2 : 0 Toren.
Am Nachmittag steht der Jungenschaftslauf an, die Krönung des ganzen Lagers. Die Scharen machen sich fertig. Über 6 km lang ist die Strecke. Mitzunehmen sind: Rucksack, Luftmatratze (Schnellboot mit Fußantrieb!), Turnkleidung und Knotenstrick. Im Abstand von 20 Minuten laufen die Scharen los.
Das erste Hindernis, der Weiher, muß in seiner ganzen Länge durchschwommen werden. Badezeug anziehen, Schnellboot aufblasen, Nichtschwimmer, Kleider und Rucksäcke müssen übergesetzt werden. Am anderen Ufer erwartet uns ein Kontrollposten. Umziehen, Schnellboot verpacken. Im Briefumschlag wartet die nächste Aufgabe. Von Kontrollposten zu Posten geht es weiter. An der Sägemühle steht einer und schickt uns über die Geröllhalde zur Bahnlinie und wieder zum Lager zurück. Pflanzen sind zu bestimmen, Kartenzeichen aufzumalen, Marschzahlen zu bestimmen. Dann marschiert die Schar geschlosssen zum Sportplatz. Ein Handball muß in ein Viereck geworfen werden. Anschließend zehn Fragen über Ostdeutschland. Im Eiltempo geht es zurück. Am Weg zum Frauenstein sitzt Kalli und gibt uns Knoten und Bünde auf. Dann sind wir im Lager und müssen nach der Stoppuhr eine Kothe aufstellen. Den Abschluß bildet das Hangeln an einer Wäscheleine über den Bach. So mancher fällt ins Wasser.
Bild 13: Herwig Heisler schafft es
Gleich hinter dem Eisenbahndamm erhebt sich der Frauenstein. Kreuz und quer, teils auf unwegsamem Boden, stolpern wir aufwärts. Der Rückweg sollte uns noch eine Überraschung bescheren. Erich geht an der Spitze. Plötzlich kommt ihm die Idee, quer durch eine Tannenschonung zu gehen, eine Abkürzung, wie er sagt. Daran schließt sich aber ein Moor an. Bis zu den Knöcheln sinken wir ein, immer noch sind die niedrigen Tannen im Wege. Wir erkunden einen Teil des Oberpfälzer Waldes, wo noch kaum ein Mensch gegangen ist. Der reinste Urwald. Bäume, gestürzte Giganten, unwegsames Gelände, Felsbrocken und ein versteckter Bach. Alle meinen, den richtigen Weg verfehlt zu haben und der eine oder andere wünscht Erich zum Teufel. Der aber lacht sich bei allem nur ins Fäustchen, denn er kennt die Gegend wie kein anderer. So sind wir wieder mal um ein Erlebnis reicher.
Den Abschluß des Lagers bildet eine zweitägige Wanderung zur Grenze, die noch zu einem stürmischen Erlebnis werden sollte.
Bild 14: Erich Kukuk mit den "Kurzen" und (Bild 15:) Klaus Großschmidt verlassen das Lager
Leider kann von uns drei Schwaben nur Herwig mitmachen. Günther und ich schwingen uns aufs Fahrrad und nehmen Abschied von Gaisthal und dem Jungenschaftslager, das uns viele neue Erlebnisse brachte und an dessen Lagerfeuerabende wir uns noch lange gerne erinnern werden.
Doch nicht nur uns Jungenschaftler hat das Lager beeindruckt. Auch die Lagerhelferinnen hatten positive Gefühle. Wie schreibt mir doch Hanne Schaffer ein paar Monate danach: Die schönen Lagertage in Gaisthal, die wir zusammen erleben durften, liegen weit zurück und der graue Alltag hat längst wieder begonnen. Ich habe schon an vielen Lagern teilgenommen, aber kein einziges hat mich so beeindruckt wie Euer Jungenschaftslager. Das ganze Leben und Treiben im Lager, die Abende im Feuerring waren für mich ein großes Erlebnis und ich bin froh, als Außenseiter an einem solchen Lager teilgenommen haben zu dürfen.
Helmut Nachtigall
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