Henning Müßigbrodt geboren am 4. Januar 1940 in Krobsdorf, Kreis Löwenberg/Schlesien.
Er hatte im Landesverband der DJO-Niedersachsen von 1953-1995 diverse Führungspositionen u.a. Schatzmeister und Landesvorsitzender, stv. Bundesvorsitzender und war von 1971-1975 DJO-Bundesvorsitzender.
Er berichtet über seine Jungenschaftserfahrungen und -erlebnisse:
„Die Jungenschaftsarbeit richtete sich gezielt an Jungen im Alter von 10 bis 16, d.h. also die getrennte Erziehung von Jungs und Mädchen. Das Pendant dazu waren Mädel- und Jungmädelgruppen.
In den Jungenschaftsgruppen wurde der „ritterliche Mann“ als Erziehungsziel in den Mittelpunkt gestellt. Das war insoweit schon eine ganz sinnvolle Geschichte, wenn ich so an die Kriegsjahre und die Nachkriegsjahre denke, wo es doch vielfach um ein Überleben ging, um ein nacktes Überleben und die Frage nach „mein“ und „dein“ manchmal etwas verwischt war.
Beispielsweise hörten wir Kinder von zurückkehrenden Soldaten, was so im Krieg an Schrecklichem gewesen ist. Auch mussten wir alles Mögliche „organisieren“ um zu überleben und in unserer Gegend wurde auch sehr viel geklaut und geplündert. D.h. also, dieses etwas sehr robuste Leben, das ging an uns Kindern nicht ganz spurlos vorbei.Durch die Arbeit in der DJO kam dann erstmals so richtig ein Hinleiten auf Ehrlichkeit, Anständigkeit, Treue, Zuverlässigkeit:
Hier wurden positive Wertmaßstäbe gesetzt und eingeübt.Geprägt hat mich damals das im Verband immer wieder angeführte Zitat von Albert Schweitzer: „Ehrfurcht haben vor dem Leben“. Und zwar nicht nur das humane Leben, sondern -- heute würde man sagen, das war also der erste grüne Anflug --, dass man auch das Tier, die Pflanze unter diesem Aspekt anfing, zu erfahren, zu sehen und anzuerkennen. Das Hinleiten und Hinführen zu einer Humanisierung der jungen Generation und soweit es ging auch der alten Generation, war schon ein sehr wichtiges Anliegen der gesamten DJO-Arbeit.
In der Jungenschaft lernten wir wieder Hilfsbereitschaft, Pünktlichkeit und Verlässlichkeit. Werte und Verhaltensweisen, die während der Flucht und Vertreibung und in der schwierigen Nachkriegszeit vielen Kindern und Jugendlichen abhanden gekommen waren.Die Grundtugenden der Jungenschaft: „Ehre, Maße, Mut und Treue“ wurden dann altersgerecht vermittelt und trainiert.
Als Leistungsanforderung und Qualifizierungsnachweis gab es die einzelnen Proben und Ränge. Wer eine Probe erfolgreich ablegte und den nächsthöheren Rang erreichte, machte dies mit einem bestimmten Knoten am Halstuch oder einer Kordel nach außen sichtbar. Und diese Symbole stärkten dann auch das Selbstbewusstsein, denn es bedeutete: „Ich kann was, ich weiß was, ich will was“.Die Diskussionen in jenen Jahren wegen unserer Kluft haben mich damals überhaupt nicht gestört. Wir Jungenschaftler trugen das Grauhemd mit Ärmelwappen, das Halstuch und den Knoten. Wir hatten die Information, diese Kleidung wäre keine Erfindung der Hitlerjugend gewesen, sie gab es schon vorher bei der Sudetendeutschen Turnerjugend.
Die ersten Zweifel kamen mir dann 1957 bei einer Tramptour in Südtirol. Und heute, im Nachhinein, muss ich sagen, es war sträflich leichtsinnig von der damaligen Führung, uns in diese Klamotten zu stecken. So praktisch wie es war, so schön auch die Anknüpfung an die sudentendeutsche Turnerjugend war, aber es hätte vielleicht besser nicht sein sollen. Es hätte uns vieles erspart, denn wenn ich heute vergleiche: HJ-Aufmachung und so wie wir rumliefen -- so gewisse Parallelen sind nicht so ganz von der Hand zu weisen. Und das hätte nicht sein müssen. Es hatte auch damals von der Garderobe her andere Alternativen gegeben, um uns entsprechend zu kleiden."
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