Die SdJ-Kreisgruppe Frankfurt / M

Entwicklung in Hessen mit Schwerpunkt Frankfurt am Main

Aufschwung in Frankfurt

Auf Anregung der Sudetendeutschen Landsmannschaft(SL) Frankfurt trafen sich 1950 sechs sudetendeutsche Jugendliche (Fritz Geyer, Herbert Jirsch mit Schwester, Helmut und Günther Kourimsky und „Punkti“ in der SL-Geschäftsstelle am Gärtnerweg. Man sprach erst einmal darüber, was jeder während der Vertreibung erlebt hatte und wie es persönlich im neuen Umfeld angefangen hat. Dabei wurde bekannt, dass sich bereits eine Jugendorganisation der Vertriebenenjugend ( Ostdeutsche Jugend- ODJ ) . gebildet hatte. Um Kontakte zu knüpfen, fuhren die Frankfurter mit Fahrrädern zu Landes- und Ortstreffen nach Dieburg und Griesheim bei Darmstadt 1951 wurde eine Gruppe mit 15 Mädeln und Jungen gegründet, die sich einmal in der Woche trafen. Die Mitglieder kamen aus verschiedenen ostdeutschen Provinzen. Erst später, mit Gründung der Deutschen Jugend des Ostens (DJO), erfolgte eine Trennung in landsmannschaftliche Gruppen. So bildete sich aus dieser Stammgruppe die Sudetendeutsche Jugend (SdJ) in Frankfurt.

Die SdJ in Frankfurt nahm vom Jahr 1954 an eine besonders erfreuliche Entwicklung. Dies hing damit zusammen, dass in diesem Jahr Horst Theml aus dem Ruhrgebiet aus beruflichen Gründen nach Frankfurt kam. Er war damals 23 Jahre und brachte die nötige Erfahrung als Jugendleiter mit, die er sich beim Aufbau von SdJ-Gruppen in Herne und Recklinghausen erworben hatte. Horst fand Kontakt zu gleichaltrigen Sudetendeutschen, die meist dem Frankfurter Tanzkreis angehörten und zur bestehenden SdJ- Gruppe. Durch ihn mit neuen Ideen belebt ,verstärkt durch Fritz Geyer, Günther Kourimsky, Hubert und Hans Leitermann bildete sich ein Jugendkreis von 25 aktiven Mitgliedern. Die weitere Werbung erfolgte durch die Ansprache von Berufskollegen, Mitgliedern der SL und Mitschüler der Mitglieder. Aber auch die SL half mit Adressen aus. Horst erinnert sich noch daran, wie er gemeinsam mit Fritz Geyer viele Adressen abradelte, um sich bei den Eltern vorzustellen und sie davon zu überzeugen, dass die Kinder in der SdJ gut aufgehoben sind. Der Einsatz hatte Erfolg, und die Zahl der Mitglieder und Gruppen nahm erfreulich schnell zu. Das Stadtjugendamt zeigte Verständnis, und so konnten für alle Gruppen die wöchentlichen Heimabende in den städtischen Jugendheimen Kuhhirtenturm und Saalbau abgehalten werden.

Erinnerungswürdig ist die Adventfeier 1954 im verschneiten Frankfurter Stadtwald. Die Gruppe stapfte durch den Schnee zu einer Waldlichtung, schmückte ein kleines Bäumchen mit Lichtern. Erbs entlockte der verstimmten Geige die passenden Töne zur Begleitung der Adventlieder. Es war eine gelungene, besinnliche Feier , die aber nie mehr wiederholt wurde. Neben gemischten Gruppen entstanden für die Jüngeren auch Jungen- und Mädelgruppen. Im Zentrum Frankfurts etablierten sich vier Jungengruppen, die vor allem von Hans und Hubert Leitermann sowie von Hermann Smagon (Fips) und Hermann Koy (Fuzi) geleitet wurden. Daneben arbeitete eine Jungengruppe als Stadtteilgruppe in Bockenheim unter Leitung von Erhard Ortelt. Bei der Führung der vier Mädelgruppen sind vor allem Ingrid Schrimpl und Sieglinde Schebesta zu nennen, die sich als Gruppenleiterinnen, aber auch in Verantwortungspositionen für Kreis und Land über Frankfurt hinaus einen Namen machten. Die Gruppen gaben sich Namen wie Rampold Gorenz, Ferdinand Porsche und Marie von Ebner-Eschenbach. Nach der Aufbauphase hatte die Kreisgruppe Frankfurt etwa 180 feste Mitglieder.Durch finanzielle Unterstützung der SL konnten erste Zelte, Kohten, Fahrtentöpfe und Gruppenwimpel angeschafft werden. Zum Umgang mit Kohten gibt es eine nette Anekdote: Als die ersten schwarzen Feuerzelte nach dem Vorbild der Lappland-Zelte von einem bündischen Versandhaus eingetroffen waren, wurden sie unverzüglich mit Drachen und Rentieren in weißer Farbe bemalt. Kaum war die Farbe trocken, ging es auch schon zum Probeschlafen auf die Hühnerwiese im Taunus. Unter Anleitung von Hubert Leitermann, der aus seiner Pfadfinderzeit Erfahrung hatte, wurden dünne Bäume als Zeltstangen geschlagen, für den Rauchabzug ein Kreuz gefertigt, die einzelnen Bahnen verknüpft und dann mit kräftigen Seilen hochgezogen. Und das nicht nur einmal, sondern so lange, bis Hubert mit der Stoppuhr das Aufbautempo akzeptierte. Dann wurde Feuer gemacht, daran gesungen, im Hordenpott Tee gekocht und anschließend gegen den Rauch um den Schlaf gekämpft. Gelobt sei, was hart macht! Wie im Bund widmete sich auch die SdJ in Frankfurt der bündischen Jugendarbeit und fühlte sich darüber hinaus dem heimatpolitischen Auftrag verpflichtet. Jede Gruppe gestaltete wöchentlich einen Heimabend. Der Gruppenführer bzw. die Mädelführerin bereiteten das Programm vor, verteilten Aufgaben zur Gestaltung und bezogen nach Möglichkeit die Mitglieder aktiv mit ein. Da wurde gesungen, neue Lieder gelernt, besinnliche und heitere Geschichten vorgelesen, das Wissen über Geschichte, Geografie, Kultur und Brauchtum der verlorenen Heimat vermittelt, das Wirken großer sudetendeutscher Persönlichkeiten gewürdigt und – bei den gemischten Gruppen - auch Volkstänze einstudiert. Für Entspannung sorgten immer wieder Spiele und Bastelarbeiten. Mit der Einführung der Jungenschaftsproben und ebenfalls bei den Mädchen durch Mädelproben wurde auch dieses Wissen und Können in den Heimabenden erarbeitet. Nicht zuletzt waren für die Wettbewerbe bei Landes- und Bundesspielen der DJO Training und Proben angesagt. Innerhalb der DJO bewahrten sich die SdJ-ler ihr Eigenleben. Das Kürzel „SdJ“ wurde zum Aushängeschild, zu dem man sich nicht ohne Stolz bekannte und mit dem man sich auch verpflichtet fühlte, besser als andere Gruppen zu sein. Was allerdings nicht bedeutete, dass sich in den SdJ-Gruppen nur Jugendliche und Kinder heimisch fühlten, die im Sudetenland geboren wurden oder deren Eltern Sudetendeutsche waren. Von Anfang an gab es in den Gruppen Mitglieder, die u.a. aus Schlesien, Pommern oder Ostpreußen stammten oder waschechte Hessen waren. Die fühlten sich durchaus angesprochen, wenn es in den Heimabenden immer wieder einmal um die Geschichte und Kultur des Sudetenlands ging. Sie sangen auch gern die Lieder von Anton Günther mit, die der Erzgebirgler Horst Theml einstudierte. Alle waren auch mit Begeisterung dabei, wenn es darum ging, von Zeit zu Zeit einen Elternabend mit Lichtbildvorträgen, Liedern, Volkstänzen, Lesungen und Berichten aus der Gruppenarbeit zu gestalten. Zeitweise konnten auch Turnstunden angeboten werden. Wenn die SL zu Veranstaltungen wie der traditionellen Sonnwendfeier am Frankfurter Römer einlud , war es Ehrensache, in großer Zahl teilzunehmen und auch mit Liedern und Lesungen zur Gestaltung beizutragen. Nicht wenige Mitglieder waren auch in der Sudetendeutschen Turngemeinde aktiv, die von dem rührigen sudetendeutschen Altturner Richard Linke so erfolgreich geführt wurde, dass seine Veranstaltungen weit über die Landsleute hinaus in der Frankfurter Sportszene ein erstaunlich großes Echo fanden. Jedes Jahr organisierten die Turner mit einer bundesweiten Ausschreibung die Sudetendeutschen Skimeisterschaften in Kiefersfelden. Gruppen der SdJ Frankfurt nahmen mehrmals daran teil und konnten sich auch über erste Plätze freuen. Ein Sudetendeutscher war zudem der Förster aus Oberursel, der es ermöglichte, jedes Jahr eine Sonnwendfeier mit großem Holzstoß am Goldgrubenfelsen im Taunus mitten im Wald abzuhalten. Ein sudetendeutsches Mekka war für die Frankfurter und ebenso für andere Gruppen aus Hessen der Heiligenhof in Garitz bei Bad Kissingen. Das begann im kleinen Kreis mit Radtouren – 130 km einfache Strecke! – bei denen stets gleich nach Ankunft der erste Weg in die Küche führte. Aber schon ab Mitte der 50er Jahre wurden in Bad Kissingen hessische Seminare durchgeführt sowie Gruppen und Familien zu Zeltlagern und Winterfreizeiten geschickt. Nicht wenige Frankfurter Führungskräfte verdankten ihre Information und Weiterbildung dem Bildungsangebot des Heiligenhofs. Da war es gut, wenn man sich durch gelegentliche Arbeiteinsätze - wie z.B. die Elektro-Installation für den Bungalow am Zeltplatz - revanchieren konnte.


Fahrt und Lager

Im Sommer wie im Winter gab es für die einzelnen Gruppen, aber auch durch die Beteiligung an Aktivitäten auf Kreis-, Landes- und Bundesebene ein vielseitiges Programm für Fahrt und Lager. Wichtigstes Ziel für Wanderungen und Wochenend-Zeltlagern war der nahe Taunus. Als Zeltplätze besonders geschätzt wurde die Hühnerwiese, der Goldgrubenfelsen, die „Insel“ im Weihersgrund sowie das Isseltal im Hintertaunus. Ein besonderes Erlebnis war auch stets das Winterzelten in Kohten. Als fester Stützpunkt diente der Aussichtsturm des Taunusgipfels Herzberg. Dort stand der SdJ ein Turmzimmer zur Verfügung, das in Selbsthilfe zu einem gemütlichen Heimraum ausgebaut wurde. Leider wechselte nach einiger Zeit der Pächter, der dann den Raum für sich beanspruchte. Mehrtägige Wanderungen und auch Radtouren wurden in den Ferien unternommen, wobei entweder in Zelten oder in Jugendherbergen übernachtet wurde. Besonders gut in Erinnerung sind Wanderwochen in der Fränkischen Schweiz, Radtouren zum Sudetendeutschen Tag und nach Amrum sowie Bergwanderungen in Südtirol. Bereits 1956 und 1957 wurden Südtirolfahrten unternommen. Da die Herbstferien im Oktober lagen und die Alpenvereinshütten nicht mehr geöffnet waren, mussten die Jungen oft im Zelt und die Mädchen in Bergbauernhöfen und Heustadeln übernachten. Um diese Zeit hatten solche Fahrten auch einen „heimatpolitischen“ Hintergrund. Es entsprach bester sudetendeutscher Tradition, die Südtiroler in ihrem friedlichen Bestreben nach Selbstbestimmung zu unterstützen. Als die Autonome Provinz Südtirol noch umstritten war, suchte die SdJ Frankfurt nach interessierten Partnern. So entstand der Kontakt zur Südtiroler Landjugend, der sich vor allem auf die Weinstrasse nahe dem Kalterer See konzentrierte. Jeden Herbst freute man sich darauf, nach Wanderungen durch die Dolomiten in Margreid die Freunde zu treffen, um über ihre Sorgen zu sprechen und ihnen Hoffnungen auf ein Europa zu machen, in dem alle Völker und Volksgruppen gleichberechtigt zusammenleben. Beliebte Mitbringsel waren deutsche Bücher aller Art, weil vor allem in den Schulen deutsche Literatur Mangelware war. Es gab aber auch Gelegenheit kräftig mit anzufassen. Nicht nur bei der Weinlese, sondern z.B. auch beim Bau und Gartengestaltung eines deutschen Kindergartens. Im Gegenzug folgten einige Südtiroler Lehrer der Einladung nach Frankfurt. Um das Engagement in Südtirol nachhaltiger zu machen, entstand auf Initiative von Hans und Hubert Leitermann 1959 das Südtirolheim im Wallfahrtsort Unsere Liebe Frau im Walde am Gampenpaß nahe Meran. Ein langfristig gepachtetes Bergbauernhaus wurde in Eigenleistung zum Jugendbergheim (mit staatlicher Lizenz) ausgebaut. Dort wurden auf 1400 m Höhe am Fuße der Laugenspitze (2.400m) im Sommer wie im Winter mit großer Beteiligung Freizeiten abgehalten. Die vereinseigenen Ingenieure hatten sogar den Ehrgeiz, mit Hilfe eines VW-Motors auf dem hausnahen Wiesenhang einen eigenen Schlepplift zu bauen, um im Winter Ski zu fahren. Dabei war es allein schon ein schwieriges Unterfangen, alle Einzelteile durch den italienischen Zoll zu bekommen. Weil zu jener Zeit Südtiroler Freiheitskämpfer Sprengstoffanschläge auf Strommasten und Kasernen verübten, waren die Grenzkontrollen drastisch verschärft. In diesen unsicheren Zeiten wussten die Südtiroler friedliche Begegnungen und Aktionen besonders zu schätzen. So fanden auch Kleidersammlungen seitens der SdJ unter den an der Sprachgrenze im Nonsbergtal lebenden Südtirolern dankbare Abnehmer. Die im Frankfurter Heim durchgeführten Winter-, Oster- und Sommerlager standen auch für andere Mitglieder aus dem Bund offen. Besonders gut in Erinnerung ist eine Gruppe der Sudentendeutschen Jugend aus Wels, die als Chor mit kirchlichen Liedern Messen in der Wallfahrtskirche mit gestaltete. Ein zweites Heim konnte mit aktiver Unterstützung der SdJ Frankfurt im Gunzesrieder Tal bei Sonthofen im Allgäu geschaffen werden. Die „Untere Wilhelmine“, eine im Sommer noch im Betrieb befindliche Sennhütte, wurde 1959 durch die SdJ- Bundesgruppe für den Winter langjährig gepachtet und entsprechend für Übernachtungen, zunächst als Heuschütte, eingerichtet. Jährlich im Oktober mitten in der röhrenden Hirschbrunft gab es Arbeitseinsätze, um Brennholz herbeizuschaffen, Wasserleitungen zu erneuern und das „Häuschen“ in Gang zu halten. Im Winter diente das Heim als zünftige Skihütte für die Bundeswinterlager und Schifreizeiten, an denen auch SdJ-Gruppen aus anderen Bundesländern gerne teil nahmen. Der Einrichtung des festen Heims vorausgegangen waren Skifreizeiten ausschließlich für die Frankfurter SdJ-Gruppe. in benachbarten Sennhütten. So fand bereits 1956 ein Winterlager in der Hirschgund Alpe und ein Jahr darauf eines in der Rangiswanger Alpe statt. Überhaupt war die Alpenregion immer wieder Ziel von Fahrt und Lager. Bergsteigen und Bergwandern wurde zur Leidenschaft. Deshalb entschloss sich auch eine Reihe von Frankfurtern, Mitglied in der sudetendeutschen Sektion Reichenberg des Österreichischen Alpenvereins zu werden. Geklettert und gewandert wurde in Sommer und Herbst vorzugsweise in den Dolomiten und im Ortlergebiet. Im Winter und Frühjahr freute man sich immer wieder auf die Zeit der Skitouren in den Ötztaler Alpen und auf den Gletschern von Silvretta und Dachstein. Für längere Fahrten wurde ein VW-Bus angeschafft, mit dem Material in die Heime und Zeltlager geschafft wurde, der für Arbeitseinsätze und Treffen diente und mit dem auch in kleinem Kreis Abenteuertouren unternommen wurden. Besonders erlebnisreich war beispielsweise die vierwöchige Nordlandreise von 1959, die –natürlich zünftig mit Kohte- durch alle skandinavischen Länder bis zum Nordkap führte. „Heimatpolitischer“ Akzent: Ein Besuch im finnischen Kuopio bei der befreundeten Vertriebenenjugend der Ladoga- Karelier. Der erste VW-Bus, für billiges Geld von einem Schrottplatz erstanden, hatte unter dem Namen „Paksu Karhu“, auf finnisch „Dicker Bär“, weit über Frankfurt hinaus als Kultauto einen legendären Ruf. In den sechziger und siebziger Jahren folgten große Auslandsfahrten durch Afrika, die von Frankfurter SdJ-lern außerhalb der Verantwortung der Kreisgruppe unternommen wurden. Diese Fahrten hatten teilweise den Charakter von Expeditionen mit wüstentauglichen Fahrzeugen. Zunächst waren es Munga-Jeeps aus Beständen der Bundeswehr, die in Eigenleistung mit Aufbauten versehen und mit wilden Tieren bunt bemalt wurden. Ein anderes Mal wurden gebrauchte VW-Busse beschafft und für den Wüsteneinsatz ausgestattet. Später waren es dann regelrechte Geländewagen, die sich vor allem auch bei einer abenteuerreichen Sahara-Durchquerung bewähren mussten. Neben vielen eigenen Fahrten und Lagern nahmen die Frankfurter regelmäßig auch an den Veranstaltungen auf Landes- und Bundesebene teil. Besonders beliebt war das Sommerlager auf Amrum. Das Zeltlager Batjesteg bedeutet für die Frankfurter nicht nur immer wieder ein großes Naturerlebnis, sondern stärkte auch nachhaltig die Kameradschaft im Bund und mit den Freunden von der Grenzlandjugend Schleswig. Aber auch bei den Zeltlagern anlässlich der Sudetendeutschen Tage waren die Frankfurter und insgesamt die Hessen gut vertreten und beteiligten sich erfolgreich an den Lagerwettbewerben und den musischen Bundesspielen mit Lied und Volkstanz. Einige halfen der SL auch als Ordner bei der Kundgebung oder bei anderen organisatorischen Aufgaben. So erinnert sich Hubert Leitermann gern daran, wie er gemeinsam mit Wenzel Jaksch den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt nach seiner Festrede zum Wagen begleiten durfte. Vertreten, wenn auch meist in kleinerer Zahl war die SDJ im Sommer auch im Zeltlager Gaisthal und im Winter im Purtschellerhaus, am Arber und an der Kampenwand.


Aktiv in DJO und Jungenschaft

Als die SdJ Teil der DJO wurde, vollzog sich in Frankfurt, aber auch insgesamt in Hessen die Zusammenarbeit mit der Jugend der anderen ostdeutschen Landsmannschaften ohne Probleme. Man pflegte Kontakt zur Landesgeschäftsstelle in Wiesbaden, abonnierte die gemeinsame Zeitschrift „Der Pfeil“, nutzte die Liederbücher “Der Silberne Pfeil“ und traf sich zu gemeinsamen Veranstaltungen. Über die Führung im Kreis Frankfurt und anderen hessischen Kreisen sowie auf Landesebene einigte man sich im kameradschaftlichen Geist oder zumindest nach demokratischen Spielregeln. In diesem Sinne schickte man auch Vertreter in den Frankfurter Stadtjugendring. Hier kam es besonders darauf an, nach außen Solidarität zu zeigen. Denn vor allem die linksorientierten Jugendverbände ließen keine Gelegenheit aus, um der DJO rechtsgerichtete Tendenzen zu unterstellen. „Ein politisch brisanter Job“, erinnert sich Hubert Leitermann, der die DJO mehrere Jahre zu vertreten hatte. Hubert hatte auch Gelegenheit, solche Diskussionen auf bundesdeutscher und europäischer Ebene fortzusetzen. So nahm er als Delegierter des Bundesjugendrings in Brüssel an einem internationalen Kongress zum Thema „Europa in der Welt“ teil, einer Begegnung von westeuropäischen Jugendvertretern mit Kollegen aus Entwicklungsländern in Afrika, Asien und Südamerika.

Natürlich gab es in Frankfurt zwischen der DJO und anderen Jugendverbänden auch jenseits politischer Diskussionen immer wieder Gelegenheit zu freundschaftlichen Begegnungen. Beispielsweise konnten – vom Stadtjugendring vermittelt - die DJO-Mitglieder während der Konzertsaison an Jugendkonzerten im Konzertsaal des Funkhauses vom Hessischen Rundfunk teilnehmen. In aller Regel waren dies Generalproben des Radio-Symphonie-Orchesters mit namhaften Dirigenten und Orchestern. Die Jugend der Frankfurter Vereine traf sich aber auch auf Einladung des Stadtjugendrings im Winterhalbjahr monatlich zum „Bizzl-Ball“ im Saal des Frankfurter Palmengartens, wo bekannte Orchester zum Tanz aufspielten.

Ein nachhaltiges Aushängeschild für die erfolgreiche Zusammenarbeit innerhalb der DJO Hessen wurde das in Rodholz/Rhön erbaute DJO-Landesheim. Da die eigenen Finanzmittel sehr begrenzt waren und auch die öffentlichen Förderungsgelder nicht eben munter sprudelten, waren Eigenleistungen großen Stils angesagt. Vor allem die technisch versierten Mitglieder machten sich beim Ausbau und der späteren Erweiterung durch viele, viele Arbeitseinsätze verdient. Wer „zwei linke Hände“ sein eigen nannte, konnte in Spendenaktionen „Bausteine“ beisteuern. So entstand durch die gemeinsamen Anstrengungen so etwas wie ein neues Stück ostdeutscher Heimat. Aus allen Regionen Hessens traf man sich zu Seminaren und Freizeiten, wobei im Sommer auch der Zeltplatz gern von größeren Gruppen genutzt wurde.

Bei der Gründung der DJO-Jungenschaft (1956) übernahm die Führungsmannschaft der SdJ Frankfurt von Anfang an eine aktive Rolle. Schon im Rahmen der Vorbereitung bestand enger Kontakt zu der Planungsgruppe um Ossi Böse, Erich Kukuk, Klaus Großschmidt, Ferdl Lukas und anderen. Horst Theml übernahm als erster Landesjungenschaftsführer die Aufgabe des Aufbaues der Organisation und der Schulung der Gruppenleiter der Jungenschaft Hessen. Die Hessen gehörten deshalb auch zu den ersten im Bund, die in ihren Jungengruppen die neuen Ideen und Formen konsequent umsetzten. Im Mittelpunkt der Neuorientierung standen die Proben, mit denen ein kameradschaftlicher Wettstreit um Wissen und Können in Gang kam. Die nach dem Vorbild des Ritterordens geschaffenen Ränge vom Knappen und Reisiger über Vogt und Meister bis zum Großmeister, durch unterschiedliche farbige Schnüre am Knoten des Halstuchs sichtbar gemacht, waren eine große Motivation zu Übernahme von Führungsverantwortung in der Gruppe und darüber hinaus. Die Verpflichtung auf ein Jungenschaftsgesetz machte aus „beliebigen“ Jungengruppen feste Gemeinschaften, die über die Gruppe hinaus den gesamten Bund einschlossen.

Die vier oder fünf Jungengruppen der SdJ Kreisgruppe Frankfurt wurden künftig als Jungenschaftsgruppen geführt. Die Leiter dieser Gruppen, vor allem Hans und Hubert Leitermann sowie Hermann Koy und Hermann Smagon, qualifizierten sich durch Proben als anerkannte Jungenschaftsführer. In gleicher Weise entstanden Jungenschaftsgruppen in Bad Vilbel (Manfred Ebert), Offenbach (Ulf Felgenhauer), Heusenstamm (Hans Kölbl), Herborn (Felix Rauner), Fulda und anderen Städten und Kreisen Hessens. Unter den DJO- Landesjungenschaftsführern Horst Theml und dann als Nachfolger Hans Leitermann wurde der Kontakt zwischen den hessischen Jungenschaftsgruppen immer wieder ausgebaut und vertieft. Dazu dienten sportliche und musische Wettkämpfe auf Bezirks- und Landesebene, aber auch auf Bundesebene bei den Bundesspielen der DJO und den Sudetendeutschen Tagen. Dazu gehörten vor allem auch große Sommerlager auf Landes- und Bundesebene , wo einfallsreiche Geländespiele für Gemeinschaftserlebnisse sorgten. So gab es in der Rhön spannende Auseinandersetzungen nach dem Vorbild des historischen Nibelungenstreits zwischen Burgundern und Hunnen sowie Abenteuerspiele im Isseltal, bei denen nahe am Limes Germanen und Römer ihre Kräfte miteinander messen konnten. Das Besondere daran: alle Jungenschaftler erschienen in historischen Gewändern und mit Schwertern, Schilden und Lanzen, die sie in monatelanger Vorbereitungsarbeit selbst angefertigt hatten. Etwas Originelles ließen sich die hessischen Jungenschaftler auch für das Bundesjungenschaftslager am Lanker See in Schleswig-Holstein einfallen, bei dem das Gegeneinander und Miteinander von Indianerstämmen Aktion und Abenteuer garantierten und möglichst originaltreue Kleidung und Ausrüstung samt Kanus angesagt waren. Die Hessen rückten mit einem riesigen Totempfahl an, den sie in wochenlanger Arbeit im Rhönheim aus einem Baumstamm geschnitzt und bemalt hatten. Der Pfahl war so groß, dass er für den Transport in drei Teile zersägt werden musste. Aus Frankfurt kam auch gleich ein Experte der SDJ mit, um von dem Indianergeschehen einen Film zu drehen, der heute noch die Erinnerung an große Erlebnisse wach hält. Übrigens bekam auch der Totempfahl anschließend einen Ehrenplatz am Freisitz beim DJO Landesheim in der Rhön.

Ein eigener Jungenschaftsbrief für Hessen, redaktionell gestaltet von Hubert Leitermann sowie „handgedruckt“ im einfachen Abzugsverfahren von Hans Leitermann, unterstützte die Kommunikation und Wissensvermittlung innerhalb der hessischen Gruppen und die Werbekampagnen für Fahrt und Lager.

Die Jungenschaftsarbeit erhielt durch den Aufbau der Bundeswehr einen starken Dämpfer. Fuzi und Fips wurden zum Wehrdienst eingezogen und fielen für die Jugendarbeit aus.


Sudetendeutsches Engagement

Die SdJ-Gruppen waren stets ein aktiver Teil der DJO- Landesgruppe Hessen unter den Landesführern Sepp Waller und Peter Hucker. Die SdJ-Gruppen bildeten die Landesgruppe Hessen der Sudetendeutschen Jugend mit dem Landesgruppenführer Horst Theml, dann nachfolgend Jost Köhler. Die Arbeit der SdJ-Landesgruppe bestand im Wesentlichen in der Durchführung von heimatpolitischen Lehrgängen, der Teilnahme an SdJ- Bundesmaßnahmen, wie den Sudetendeutschen Tagen und den dabei durchgeführten Pfingstwettkämpfen, Bundeswinter- und Sommerlagern, Stern- und Großfahrten und Bundeslehrgängen für Führungskräfte.

Was die Gestaltung der Heimabende und des Gruppenlebens mit Fahrt und Lager angeht, befanden sich die SdJ-Gruppen stets in großer Übereinstimmung mit anderen Gruppen der Bündischen Jugend. Der heimatpolitische Auftrag hatte vor allem kulturellen Charakter und kam in der musischen Arbeit sowie in der Wissensvermittlung zum Ausdruck. Doch es gab auch einige Situationen, in denen es geboten schien, sich an Aktionen mit politischem Hintergrund zu beteiligen. Als 1958 die tschechischen Prager Symphoniker mit einem Konzert in Frankfurt gastierten, wurden von der SdJ Flugblätter an Zuhörer und Passanten verteilt. Damit wurde daran erinnert, dass bei einer Probe im Mai 1945 die damaligen deutschen Mitglieder dieses Orchesters unter Hinterlassung ihrer Instrumente von ihren tschechischen Kollegen vertrieben wurden. 1962 wurde mit einer ähnlichen Flugblattaktion vor dem Redaktionsgebäude der Frankfurter Rundschau dagegen demonstriert, dass über den Sudetendeutschen Tag in Frankfurt falsch und bewusst abwertend berichtet wurde. Nach dem Sudetendeutschen Tag 1959 in Wien lösten negative Äußerungen des SPD-Politikers Carlo Schmidt zur Sudetenfrage eine Protestaktion aus, an der sich neben anderen Gruppen im Bund auch Frankfurt beteiligte. Sehr ungewöhnlich, aber nachhaltig wirkungsvoll war es, dass an Brücken und Kaimauern des Mains sowie an großen Einfahrtsstrassen weithin sichtbar die Aufschrift „Sudetenland bleibt deutsch“ angebracht wurde. Solche Aktionen erfolgten entweder in Zusammenarbeit mit der SL oder in engem Einvernehmen.

Auch außerhalb solcher Aktionen bemühte sich die SdJ Frankfurt stets um ein gutes Verhältnis zur SL. Ein organisatorisches Zusammenwachsen zwischen der Jugend und dem Erwachsenenverband, das die Nachwuchsfrage in der SL positiv beantwortet hätte, kam allerdings nicht zustande. Es lassen sich nur wenige SdJ-ler aus Frankfurt anführen, die sich in der SL engagierten. Als ein Vorbild kann man Horst Theml anführen, der heute noch Kreisvorsitzender der SL in Aschaffenburg ist. Peter Hucker und Hubert Leitermann gehören als Experten zu einem der SL nahestehenden Wirtschaftskreis, der Unternehmer sudetendeutscher Herkunft berät, die sich in Tschechien engagieren wollen. Peter und Hubert zählen auch zu den wenigen SdJ-lern, die sich dem Arbeitskreis Sudetendeutscher Studenten angeschlossen haben und heute noch Alte Herren in akademischen Gemeinschaften der Deutschen Gildenschaft sind. Ein größerer Kreis, der aus der Jugendarbeit herausgewachsen ist, hat sich unter Leitung von Karl Brichta als „Junge Generation“ zusammengefunden. Seit rund dreißig Jahren existiert aber auch ein Freundeskreis aus ehemaligen Jungenschaftlern, der – erweitert um Familienangehörige und Freunde – jedes Jahr ein Winterlager in Südtirol abhält, sich zu Wanderungen am Nationalfeiertrag trifft und auch in anderer Weise die Geschichte „60 Jahre Sudetendeutsche Jugend“ lebendig erhält.

Im Rückblick kann die Gründergeneration der SdJ in Frankfurt und darüber hinaus in ganz Hessen von sich sagen: Wir haben mit Idealismus und persönlichem Einsatz eine Gemeinschaft geformt und über viele Jahre gute Jugendarbeit geleistet. Dabei haben wir – frei nach dem berühmten nationalen Appell von John F. Kennedy – nicht gefragt, was die Gemeinschaft für uns tun kann, sondern wir haben uns immer wieder die Frage gestellt: Was können wir für die Gemeinschaft tun? Letztlich haben wir viel zurück bekommen. Denn wir sind eine Erlebnisgeneration, die zwar irgend einmal aus der aktiven Jugendarbeit herausgewachsen ist, die aber in ihrem heutigen Leben immer noch von den gemeinsamen Erlebnissen und Wertvorstellungen geprägt ist.


(Text formuliert von Hubert Leitermann mit Erinnerungen von Horst Theml und Hans Leitermann)
Stand 2.4.2009


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