Eine Medaille erzählt von sudetendeutscher Turner-Tradition

Medaille Sudd. Turngemeinde 1979

Diese Medaille wurde einem Sudetendeutschen, nämlich Horst Theml, der sich um die Sudetendeutsche Jugend (SdJ) und später um die Sudetendeutsche Landsmannschaft (SL) verdient gemacht hatte, in Anerkennung seiner langjährigen Arbeit von der Sudetendeutschen Turngemeinde e.V. in Frankfurt am Main verliehen.

Die Sudetendeutsche Turngemeinde wurde Ende der 50er Jahre von Richard Linke gegründet, der zum kleinen, angesehenen Kreis der Traditionsgemeinschaft Sudetendeutsche Turnerschaft gehörte. Es war von Anfang an sein Anliegen, die schon früher im Sudetenland bewährten Turnertraditionen fortzuführen und gleichzeitig für Sportler in Frankfurt und der südhessischen Region offen und attraktiv zu sein.
Die Mitgliederwerbung konzentrierte sich anfangs auf sudetendeutsche Kinder, Jugendliche und Erwachsene, wobei vor allem die Kontakte zu SdJ und SL genutzt wurden. Bald vergrößerte sich die Mitgliederzahl aber auch durch Einheimische und Sportfreunde aus anderen Landsmannschaften der Vertriebenen.

Im Mittelpunkt des Sportangebots stand das Geräteturnen in der Halle. Lange Zeit konnte der Verein dafür eine Schulsporthalle nutzen, die zur Ernst-Reuter-Gesamtschule in der Frankfurter Nordweststadt gehörte.
Fachkundig geleitet wurden die Turnübungen von Sportstudenten und Sportlehrern, die zum Teil aus sudetendeutschen Turnerfamilien kamen. Immer wieder wurden Gruppen oder einzelne Teilnehmer mit gutem Erfolg zu Turnfesten und Turnieren geschickt. Beliebt bei den Teilnehmern waren auch Spiele wie Hallenhandball.

Über den Ablauf der Turnstunden kam es in den Anfangsjahren zu Meinungsverschiedenheiten zwischen einigen älteren Mitgliedern aus der sudetendeutschen Turnertradition und den jüngeren Sportlern aus der tendenziell antiautoritären Nachkriegsgeneration. Zum Leidwesen der alten Turner konnte man beispielsweise die Jüngeren nicht mehr dazu begeistern, diszipliniert zur Turnstunde einzumarschieren und sich in Reih und Glied zu den Aufwärmübungen aufzustellen.

Aber die Sudetendeutsche Turngemeinde erwies sich als anpassungsfähig und hatte damit Erfolg. Sie konnte nicht nur mit der Zeit gehen, sondern war auch mit manchen Aktivitäten ihrer Zeit voraus.
Schon in den sechziger Jahren wurde der Verein durch die jährlich im Stadtwald ausgetragene Internationale Volkswanderung bekannt.

Einen besonderen Ruf über Frankfurt hinaus erwarb sich die STG dann mit der Veranstaltung eines Volkslaufs.
Der am 15. Mai 1971 veranstaltete 1.Internationale Frankfurter Volkslauf war in der Tat in Frankfurt der erste Volkslauf, der diesen Namen verdiente. Der Lauf startete und endete am Waldstadion der Frankfurter Eintracht und verlief über eine Distanz von 10 bis 12 km durch den ausgedehnten Stadtwald.
Viele Jahre war dieser Volkslauf eine gut besuchte Veranstaltung in der regionalen Läuferszene. Dabei gab es sowohl bei der Teilnahme als auch bei der Organisation eine enge Zusammenarbeit mit einer Einheit der in Frankfurt stationierten amerikanischen Streitkräfte.
Die Sieger der Wettkämpfe und oft auch alle Finisher erhielten schöne Medaillen (wie das vorliegende Muster zeigt).

Die guten Erfahrungen mit den Volkslauf ermutigten die STG, am 6. Mai 1979 einen Marathon über 42 km und gleichzeitig einen Halbmarathon über 21 km zu organisieren.
Es gab sogar ehrgeizige Pläne, zusammen mit anderen deutschen und europäischen Marathon-Veranstaltern einen Europa Cup auszuschreiben. Aber es blieb hier bei einem wohlgemeinten Test, weil Sportevents solcher Größenordnung eine professionelle Ausrichtung und zuverlässige Sponsoren erfordern.
Man kann aber von einem Vorläufer des Frankfurt Marathons sprechen, der 1983 zum ersten Mal stattfand.

Im Winter wurden Mitglieder der Turngemeinde, oft gemeinsam im Team mit Sportlern der SdJ-Kreisgruppe Frankfurt, zu den Sudetendeutschen Skiwettkämpfen entsandt, die jährlich in Kiefersfelden stattfanden. Dabei erkämpften sich die Frankfurter immer wieder Siege und gute Platzierungen.
Die Turngemeinde zählte aber auch über 20 Jahre lang zu den Förderern und Mitorganisatoren dieser überregionalen Sportveranstaltung und sorgte stets vor Ort mit Richard Linke und einem Stab von Helfern für einen reibungslosen Ablauf.

In Anerkennung seines Engagements für das Sportleben in Frankfurt wurde Richard Linke der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Dies kam auch dem Ansehen und der Arbeit der Turngemeinde zugute, deren Erster Vorsitzender und späterer Ehrenvorsitzender er war.

Dennoch wurde die Sudetendeutsche Turngemeinde e.V., Frankurt 1992 nach bald vierzigjährigem Bestehen als Verein offiziell aufgelöst. Den Anstoß dazu gab der Vereinsgründer Richard Linke selbst.
Er wollte nicht akzeptieren, dass sein traditioneller Turnergeist im Verein zunehmend auf Kritik stieß und das Wort Sudetendeutsch aus dem Vereinsnamen verschwinden sollte.

So erinnert die vorliegende Medaille an ein interessantes Kapitel in der jüngeren Geschichte der sudetendeutschen Turnerschaft.



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