Brief vom Mai 1964              

Liebe Heiligenhofer!

Ich bin zwar noch nicht alt genug und erst recht nicht berühmt ( obwohl einer meiner Schüler neulich ein Autogramm von mir wollte, da man angeblich nie wissen könne ), um meine Memoiren zu schreiben, aber für das Heiligenhof-Archiv will ich gerne mal einen Rückblick halten auf das, was in meinem bisherigen Leben von Bedeutung gewesen sein könnte.

Name, ( für die ganz Neugierigen auch das Geburtsdatum: 04. Mai 1936 ) Herkunftsort und Wohnort dürften allen alten SdJ-Hasen noch gut in Erinnerung sein, denn meine Vorstellung bei Tagungen: Ingrid Frodl, früher Müglitz / March - Schönhengstgau, jetzt Bad Neustadt / Saale, pflegte man, aus mir noch heute unbekannten Gründen, immer zu belächeln.
Damals ging ich noch schön brav aufs Neustädter Realgymnasium.
Heute gehe ich zwar immer noch in die Schule, nur meine Stellung innerhalb der Klasse hat sich ein bisschen verändert. Wer es bis jetzt noch nicht erraten hat -- ich bin Paukerin geworden.
Doch schön der Reihe nach.

Nach dem glücklich überstandenen Abitur tauchte die Frage auf: was nun? Allen Vermutungen in SdJ- Kreisen entgegen -- manche können meine Wahl heute noch nicht verstehen -- studierte ich nach Absolvierung eines einjährigen kaufmännischen Praktikums bei den Elektrofirmen Siemens und Philips, Wirtschaftswissenschaften ( und das als Mädchen !! ) und Geographie an den Universitäten Würzburg und Berlin.

Die Semester in der zweigeteilten Spree-Metropole waren meine schönsten überhaupt. Nicht nur weil Berlin ein politischer Brennpunkt ist und sich dadurch viele interessante Diskussionen, vor allem mit Ausländern ergaben, nicht nur wegen der guten Professoren und vielfältigeren Studienmöglichkeiten, nicht nur wegen der herrlichen Unterkunft im neu erbauten Studentendorf und wegen der zahlreichen kulturellen Möglichkeiten, die Berlin bietet, sondern hauptsächlich wegen der vielen schönen Stunden, die ich im Kreise unserer Berliner Kameraden, vor allem im Hause des SdJ - Ehepaares Pobel verlebte.

Alles hat ein Ende und so auch leider oder Gott sei Dank ( wegen der Finanzen! ) mein Studium. Mein Staatsexamen machte ich im Herbst 1962 an der Universität Würzburg und verbrachte anschließend mein erstes Referendarjahr in dem schönen München an einer allerdings weniger schönen Oberrealschule für Jungen. Im Herbst 1963 machte ich an der Universität Erlangen noch ein Zusatzexamen im Fach Sozialkunde und bin nun wohlbestallte Studienreferendarin an der Röntgen - Oberrealschule in Würzburg, wo ich mich mit lauter lieben Jungen im Alter von 12 - 17 Jahren herumärgere und den schüchternen Versuch unternehme, diesen Bengeln etwas beizubringen, was manchmal gar nicht so einfach ist, wenn man dabei 46 !! quicklebendige Lausbuben auch noch ruhig halten soll.

Statt mit eigenen, ärgere ich mich zur Zeit also noch mit fremden Rangen herum, denn im Gegensatz zu vielen meiner ehemaligen SdJ - Kameradinnen bin ich weder verlobt noch verheiratet, aber ein ehemaliger Jungenschaftler meinte neulich, er könne sich mich als alte Jungfer mit Nickelbrille, Strickstrumpf und Haarknoten absolut nicht vorstellen, was doch immerhin ein Fortschritt in der Beurteilung unbemannter alter Lehrerinnen zu sein scheint und mich der Oberstudienrätin doch etwas beruhigter entgegensehen lässt.

Zur SdJ stieß ich schon sehr früh und zwar im Jahr 1950 in Bad Neustadt / Saale, wo ich 1951, noch ganz jung und in Gruppenarbeit völlig unerfahren, selbst eine Kindergruppe übernahm.
Bis zu meinem Abitur im Jahre 1957 führte ich dann eine Mädelgruppe in Bad Neustadt und avancierte 1954 ( vielleicht war es auch schon 1953 ? ) zur Bezirksmädelführerin von Unterfranken, also zur politischen Ehehälfte von Sepp Lexa, der ja sein Amt bis in die heutigen Tage herübergerettet hat.
In Berlin war ich kurze Zeit auch stellvertretende Landesmädelführerin.

Am Heiligenhof war ich vom allerersten Anfang mit dabei, als Ossi noch im Hof aus einer Gulaschkanone uns das Essen in die Blechnappla füllte und wir in Betterverschlägen schliefen. Ich darf mich also wohl mit gutem Recht zu den uralten Heiligenhofern zählen.

Alle Lehrgänge und Tagungen zu zählen, die ich am Heiligenhof mitmachte und später als Bezirksmädelführerin selbst leitete, alle Fahrten und Lager, an denen ich teilnahm, ist einfach unmöglich.
Aber es waren viele schöne Stunden, die ich im Kreise netter Kameradinnen und Kameraden verbrachte, Stunden, an die ich mich heute noch gerne erinnere und die -- ohne zu übertreiben -- den Menschen aus mir gemacht haben, der ich heute bin. Und ich bereue wirklich nicht, dass ich auf manches andere Vergnügen verzichtet habe, um mit dabei sein zu können.

Als Helferin war ich während meiner Schulzeit jeweils vom ersten bis zum letzten Ferientag auf dem Heiligenhof, so dass ich zumindest beim alten, noch nicht umgebauten Heiligenhof bereits zu dessen Inventar gehörte.
Zumeist war ich in der Küchenregion zu finden, so dass Otto später sagte: Wenn man die Ingrid sucht, braucht man nur in die Küche zu gehen.

Am Heiligenhof wusch ich nicht nur Berge von Geschirr ( ich glaube soviel Geschirr werde ich bis an mein Lebensende in meinem Junggesellinnen - Haushalt selbst bei eifrigem Bestreben nicht zusammenbringen!! ) sondern erwarb mir bei Pepi auch die ersten Kochkenntnisse, auf die ich heute noch sehr stolz bin. ( Mir läuft selbst jetzt beim Schreiben das Wasser im Mund zusammen, wenn ich an Pepis delikaten Satrasch denke!! ).

Während der Studienzeit war ich auch noch mal 6 Wochen als Betreuerin Berliner Jungen am Heiligenhof, 6 Wochen als Köchin im Zeltlager am Montiggler See in Südtirol und als Gundels Stütze mit der Berliner DJO auf Amrum.

Langsam und allmählich bin ich nun aus meiner SdJ - Tätigkeit herausgewachsen, aber auch heute noch habe ich Verbindung mit vielen Alten meiner Zeit und fahre gerne mal zu Besuch auf den neuen, so völlig anderen und doch gleichen Heiligenhof. Meist mit Gildenschwestern und Gildenbrüdern der Akademischen Gemeinschaft Ernst Moritz Arndt, Würzburg, die als Arbeitskreis Sudetendeutscher Studenten im Herbst 1957 von Helga Schulte, Nora Löschner ( jetzt Helga Behr und Nora Weise ), Karlheinz Schönpflug, Sepp Lexa, Kurt Sieber und mir gegründet wurde und der ich heute noch angehöre.

Ingrid Frodl



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