1940: Wie alles so anfing
Ich bin 1940 in Aussig an der Elbe geboren. An meinem ersten Geburtstag beginnen die Deutschen den
Krieg mit Russland. Meine Kindheit fand im Krieg statt mit allen dazugehörigen Konsequenzen.
1946: Von Aussig nach Landshut
Zusammengedrängt auf einem Lastwagen, fahren wir, etwa zehn Personen, von Aussig nach Taus und
Furth im Walde – endlich haben wir die amerikanische Zone erreicht. Meine Eltern und die anderen
Erwachsenen lassen die weißen Binden, die sie zuhause noch tragen mussten, im Winde flattern –
Erleichterung – die Angst lässt nach – dann werden wir entlaust.
Stunden später kommen wir in Landshut, der Hauptstadt von Niederbayern, an und werden in die
Martinsschule einquartiert. In Landshut verbringe ich die zweite Hälfte meiner Kindheit und meine
Jugendzeit. Landshut ist noch jetzt für mich die schönste Stadt der Welt. Aussig hatte auch schöne
Plätze: ich erinnere mich an den Lumpepark, die Baumblüte an der Elbe, die eiserne Brücke, den
Schreckenstein oder die zwei weißen Pferde, die auf dem Sportplatz schräg von unserem Haus in Kleische
standen und auf die ich springen und davon reiten wollte, wenn es sein sollte.
1946
Landshut – ein bitterkalter Winter, wohl einer der kältesten des Jahrhunderts – wir stehen vor
der Ursulinenschule an – meine Hände frieren ab – die Lehrerin gibt mir ihren Muff.
1949: Sudetendeutsche Junglandsmannschaft, Wolfgang und Sigrid Egerter und Gretl
Hajek
In Landshut organisieren sich die Sudentendeutschen. Da gibt es den Bund Sudetenland
und die Sudetendeutsche Landsmannschaft. Meine Eltern engagieren sich sehr und meine Mutter
entscheidet, ich müsse zusammen mit meiner Schwester in die Sudetendeutsche Jugendgruppe, damals noch
Sudetendeutsche Junglandsmannschaft genannt. Bin gar nicht begeistert, aber nach etlichen
dezenten Drohungen mit dem Kochlöffel folge ich meiner Schwester in die Jugendstunde. Da sind drei
faszinierende Personen: Gretel Hajek und Wolfgang und Sigrid Egerter. Und ihnen bin ich nach einiger
Zeit verfallen. Anfangs diktieren sie uns wie in der Schule die Geschichte des Sudetenlandes: von
Hermann, dem Cheruskerfürsten bis hin zur k. und k.-Monarchie. Zwischendurch lernen wir Lieder:
„Landsmann hörst du nicht die Lieder, die durchs weite Deutschland gehen, in die Heimat will ich
wieder, kannst du ihren Ruf verstehen“.
Die Lieder ändern sich bald, werden lustiger, so auch die Gruppenstunden. Wir machen
Geländespiele und gehen auf Fahrt und Lager.
1949/50: Erstes Winterlager am Obersalzberg
Mein erstes Winterlager auf dem Obersalzberg war für mein Skifahren eine totale Niederlage – ein
einfacher Lederriemen ist meine Bindung, die immer auf geht, gerade wenn ich zum Skifahrer werden
wollte.
Bleibende Eindrücke: das im Prospekt versprochene „Silberblau“ der Berchtesgadner Alpen und ein
Besuch der Älteren, die auf dem nahen Purtschellerhaus untergebracht waren. Beim Lagerzirkus trägt
Dieter Huber Des Sängers Fluch auf böhmisch vor:
„Stund sich vor Zeiten altes a furchtbar scheenes Schloss,
stund sich auf einem Berge,
war sich wie Meerr so groß…“
Für uns Jungen war das eine schauspielerische Sensation - bei mir ist das Gedicht bis jetzt hängen geblieben und ich präsentiere es manchmal in den Kaminstunden meiner Seminare.
1950: Gaisthal mit Erich Kukuk und Rolf Nitsch
Erstes Sommerlager in Gaisthal. Wolfgang Egerter hat von den Amerikanern einen Militärlastwagen
besorgt, wir sitzen hinten drauf, zwischen unseren Rucksäcken und singen Lieder. In Gaisthal empfängt
uns, als wir vom Lastwagen herunterspringen, Erich Kukuk. Erich ist eine Person, die die
Sudetendeutsche Jugend und auch mich geprägt hat. Erich ist klein, laut, sportlich und er lacht viel.
Sein Lieblingswort bei seinen Ansprachen oder wenn er uns zusammenruft, ist Caballeros.
Unter seiner Anleitung bauen wir die Zelte zwischen den drei Bächen auf, die Buben auf der linken
Seite, die Mädchen auf der rechten. Um sechs Uhr ist Wecken, Frühsport, und Waschen und Zähneputzen
am Bach. Bei der Morgenfeier singen wir Lieder und hissen die Sudetendeutsche Flagge. Diese Fahne ist
für die SdJ die Traditionsfahne geworden, die bei den Sudetendeutschen Tagen vorne weg getragen wurde.
Auf dem ersten Gaisthal-Lager: Singen, Geländespiel, Wanderungen auf den Frauenstein, den höchsten
Berg in der Nähe, Schwimmen im Gaisthaler Weiher, der eine kleine Insel hat. Wir machen das
Sudetendeutsche Leistungsabzeichen, am Sonntag gehen wir in die Gaisthaler Kirche, der Kirchenchor
ist willig, klingt aber furchtbar. Wir spielen gegen die Gaisthaler Fussballmannschaft und verlieren
gewöhnlich ziemlich hoch. Gaisthal ist für mich zu einer wichtigen Stätte geworden. Ich weiß nicht
mehr genau, wie viele, aber ich denke, so an die fünf bis sechs Gaisthal-Lager habe ich in den
nächsten Jahren im Sommer mitgemacht. Unvergesslich sind die Abende am Lagerfeuer. Erich erzählt
Gespenstergeschichten. Eine davon handelt von den drei Jungfrauen am Frauenstein, die ihre Leber
hergeben müssen, um aus Verstrickungen heraus zu kommen. Ich höre jetzt noch das Ende der Geschichte,
die mit einem Aufschrei endet: „Gib mir meine Leber wieder“.
Ein Mädchen, das ungefähr zehn oder zwölf Jahre alt ist, sagt am Abend, den Cornet von Rilke auf:
Reiten, reiten, reiten,
durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag. Reiten, reiten, reiten. |
Und der Mut ist so müde geworden und die Sehnsucht so groß. Es
gibt keine
Berge mehr, kaum einen Baum. Nichts wagt aufzustehen. Fremde Hütten hocken
durstig an versumpften Brunnen. Nirgends ein Turm. Und immer das gleiche Bild.
Man hat zwei Augen zuviel. Nur in der Nacht manchmal glaubt man den Weg zu
kennen. Vielleicht kehren wir nächtens immer wieder das Stück zurück, das wir
in der fremden Sonne mühsam gewonnen haben?
Nicht immer Soldat sein. Einmal die Locken offen tragen und den weiten offenen Kragen und in seidenen Sesseln sitzen und bis in die Fingerspitzen so: nach dem Bad sein. Und wieder erst lernen, was Frauen sind. Und wie die weißen tun und wie die blauen sind; was für Hände sie haben, wie sie ihr Lachen singen. |
Sie bauen Stunden auf aus silbernen Gesprächen, und
manchmal heben sie die Hände so -, und du musst meinen, dass
sie irgendwo, wo du nicht hinreichst, sanfte Rosen brächen,
die du nicht siehst. Und da träumst du: Geschmückt sein mit
ihnen und anders beglückt sein und dir eine Krone verdienen
für deine Stirne, die leer ist.
Und endlich aus den reifgewordenen Takten: entsprang der Tanz. Und alle riss er hin. Das war ein Wellenschlagen in den Sälen, ein Sich-Begegnen und ein Sich-Erwählen, ein Abschiednehmen und ein Wiederfinden, ein Glanzgenießen und ein Lichterblinden und ein Sich-Wiegen in den Sommerwinden, die in den Kleidern warmer Frauen sind. Aus dunklen Wein und tausend Rosen rinnt die Stunde rauschend in den Traum der Nacht. |
Wir hören zu, manche schlafen ein. Dann gehen wir in die Zelte und schlafen auf dem Stroh. Natürlich achten wir darauf, wer neben wem schlafen darf. Großes Hallo, wenn Gruppen neu ankommen aus allen Teilen Niederbayerns. Da sind die Regensburger, die Parsberger und die Hengersberger. Da ist eine Person, der Rolf Nitsch, der mir besonders imponiert, später höre ich, dass Rolf ein Dichter ist. Ich erinnere mich, wie er Geschichten erzählt und mit uns singt. Er ist ganz überrascht, dass wir Landshuter auch eines seiner Lieblingslieder kennen:
"Wilde Gesellen, vom Sturmwind durchweht,
Fürsten in Lumpen und Loden,
ziehen wir dahin, bis das Herze uns steht,
ehrlos bis unter den Boden."
Abends halten wir Wache, alle zwei Stunden werden wir abgelöst, sitzen am Feuer, halten Wimpel-Speere
in der Hand.
In einem Zeltlager, ich glaube es war Waldmünchen -– wir wechselten einmal dorthin, weil
Gaisthal nicht zur Verfügung stand -- war auch der graue Bär dabei, das war damals der
spezielle Kriegsname für Klaus Großschmidt, der einmal später mein Freund werden sollte.
Auf ein Geräusch hin wirft er den Speer ins Gebüsch.
Am nächsten Morgen erscheinen Grenzbeamte im
Lager und erzählen uns, dass der Speer beim Kontrollgang sie beinahe getroffen hätte. Wir fühlen uns,
nichts desto weniger, gut beschützt.
Zurück zu Gaisthal:
Der Höhepunkt jeder Woche ist der Nachtmarsch an die Grenze über Schönsee nach
Stadlern.
Dort begrüßen wir beim Sonnenaufgang mit einem Lied die alte Heimat. Wir können von der
Anhöhe gut hinübersehen, wenn der graue Nebel vom Sonnenlicht durchdrungen wird. Nach der Morgenfeier
wandern wir hinunter nach Schwarzach an die Grenze.
Wie oft bin ich diesen Weg wohl gegangen? Einmal
total durchnässt. In Schönsee kehren wir ein und wärmen uns auf. Ich war ganz stolz, ich durfte die
Traditionsfahne tragen.
1953: Meine erste Gruppe – Wolfgang Egerter, Ermelinde Rosenkranz, Ursula Engl, Horst Tiber und Helmut Stingl
Ich entschließe mich, eine eigene Gruppe aufzumachen. Meine Schwester Ermelinde und Ursula Engl haben in Landshut eine Mädelgruppe gegründet und was die Mädchen können, kann ich doch auch. Bald habe ich zehn Buben beisammen. Ich lerne die wöchentliche Gruppenstunde vorzubereiten. Bald finde ich heraus, was die Buben motiviert und wie ich sie zusammenhalten kann. Wir spielen Fußball –- manchmal ist auch der Alois Schloder dabei, der später Kapitän der Deutschen Eishockey-Nationalmannschaft wurde. Wir singen, unternehmen gemeinsame Fahrten, wir streiten und sind begeistert, wenn wir andere Zeltlager überfallen können.
Nach einiger Zeit wird Landshut zu einem Zentrum der SdJ. Viele kommen dazu: Gert Fischer, Werner Engl, Horst Tiber, Werner Paul sind Namen, die mir gerade einfallen. Helmut Stingl übernimmt die Gruppe nachdem Wolfgang Egerter zum Studium nach München geht. Der Bauernhof seines Vaters im Klosterholz wird der Ausgangspunkt für viele Unternehmungen der Gruppe. Dort verbringen wir viele Stunden und Tage.
Im Jahresablauf entwickeln wir Rituale: Winter- und Sommersonnwende, Weihnachtsfeiern, der 4. März und Elternabende. Wir entwickeln ein Gruppenbewusstsein. Meine Gruppe heißt Klaus Störtebecker. Wir haben einen eigenen Wimpel und singen Seeräuberlieder:
„Wir lieben die Stürme, die brausenden Wogen,
der eiskalten Winde, rauhes Gesicht,
wir sind schon der Meere so viele gezogen,
und dennoch sank unsre Fahne nicht.“
oder:
„Klaus Störtebecker ist unser Herr,
von Godeke Michels beraten,
wir jagen sturmschnell über das Meer ..."
– halt was abenteuerlustigen Jungen gefällt.
Wir besuchen andere Gruppen, fahren zum Winterlager am Arber und zu den Sudetendeutschen Tagen. Wir entwickeln ein Gruppenbewusstsein, das zu einem Landshuter Elitebewusstsein ausartet. Wir Landshuter sind natürlich ganz vorne mit dabei, wenn es zum Wettkampf der besten Gruppen beim Sudetendeutschen Tag geht. Wir kommen ins Finale. Dort lautet die entscheidende Frage In welchem Gebirge ist der Hirschberg?. Ich habe einen Blackout und gebe die falsche Antwort, wir sind nur Zweiter. Der Dämpfer tut uns ganz gut, mein Vater ist enttäuscht und gibt mir eine Nachhilfestunde in Geographie. Er ist im böhmischen Mittelgebirge geboren und aufgewachsen und sein Sohn müsste das eigentlich wissen.
Wolfgang Egerter zieht sich aus der Leitung der SdJ in Landshut zurück, nachdem er das Abitur bestanden hat und wird nun Germanistik studieren. Ich besuche ihn oft in Altdorf in seiner Studierstube. Dort wohnt auch Erich Kukuk, beide geben mir gute Tipps und Hilfen zur Leitung meiner Gruppe.
1954: Deutschlandfahrt - Klaus Großschmidt und die ganze Gruppe
Große Ehre: ich darf mit zur Deutschlandfahrt. Wir treffen uns am Heiligenhof. Mein Zug kommt ganz spät abends an und ich schiebe mein Fahrrad den Berg zum Heiligenhof hinauf. Ich sehe ihn zum ersten Mal und er kommt mir wie ein Palast vor.
Ich treffe die anderen und wir fahren los zu einer vierwöchigen Fahrt, meistens bei Regen, durch ganz Deutschland bis hinauf zur Insel Amrum. Die beiden Jiptners sind dabei, Klaus Großschmidt und Dieter Huber als Leiter, Heinz Kern, Schmachtel und Ginzel aus Ingolstadt und noch einige andere werden nun zu meinen Gruppengefährten.
Wir bauen Zelte auf oder übernachten in Jugendherbergen, geraten bei Winsen in das Hochwasser der Elbe, bezwingen alle Hindernisse, haben Spaß und natürlich auch Konflikte – Gruppendynamik pur. Klaus und Dieter halten uns zusammen und praktizieren fast schon professionell Führung, obwohl sie kaum erst zwanzig geworden sind. Wir erreichen Amrum und nehmen am Zeltlager der Sudetendeutschen Jugend teil, das damals von den Frankfurtern Hubert Leitermann und Horst Themel geleitet wurde. Natürlich fühlen wir uns als etwas Besseres, nachdem wir solche Mühen überstanden haben. Auf der Rückfahrt: Jugendherberge Hamburg, ich sitze die halbe Nacht und schaue auf die Lichter des Hafens hinunter. Nach Braunschweig, Burg Ludwigsstein, kehren wir zurück nach Bad Kissingen. Wir sind stolz, dass wir es geschafft haben und vergessen darüber unsere Konflikte. Immer wieder klingt das Fahrtenlied nach:
Wir sind durch Deutschland gefahren:
Wir sind durch Deutschland gefahren
Vom Meer bis zum Alpenschnee,
wir haben noch Wind in den Haaren,
den Wind von den Bergen und Seen.
In den Ohren das Brausen der Ströme,
der Wälder raunender Sang,
das Geläut von den Glocken der Dome,
der Felder Lerchengesang.
In den Augen das Leuchten der Sterne,
das Flimmern der Heidsonnenglut ,
und tief in der Seele das Ferne,
das Sehnen, das nimmermehr ruht.
Und du, Kamerad, mir zur Seite,
so fahren wir durch das Land,
wir fahren die Läng und die Breite,
durch Regen und Sonnenbrand.
1955: Jungenschaft - Klaus Großschmid und Ossi Böse
Wieder am Heiligenhof: Jungenschaftslehrgang. Mit der Jungenschaftsbewegung kamen unsere
eigenen Werte ins Blickfeld. Wenn ich mich richtig erinnere waren das: Mut, Maße, Ehre und Treue,
angeblich wurden sie vom Deutschen Ritterorden übernommen. Man hätte sie und den Ritterorden
kritisch diskutieren können, aber in unserer Begeisterung verzichten wir darauf. Vorerst dienten
sie als globale Zielvorstellung und es war mehr oder weniger unsere Aufgabe, sie vorzuleben und sie
damit zu interpretieren. Natürlich war zwischen Ideal und Realität eine Kluft. Und natürlich war
es schwer, diese Ideale und Werte zu leben, aber es war gut, sie sich bewusst zu machen und eine
Zielvorstellung vor Augen und in den Ohren zu haben. Eine Rangordnung wie Späher, Wächter, Knappe,
Reisiger, Vogt und Großmeister kann Ansporn für Lernen und die individuelle Entwicklung, aber auch
für Rivalität sein. Mein Ehrgeiz war geweckt und so war ich für den Jungenschaftslehrgang gut
motiviert. Beim Stöbern und Suchen nach Fotos finde ich das Buch Sudetenland, das ich als
Anerkennung am Ende des Jungenschaftslehrgangs erhielt. Mit Stolz lese ich heute noch nach 55 Jahren
Ossi Böses Widmung Für die beste Leistung beim Jungenschaftslehrgang. Dafür wurde mir dann
alsbald beim nächsten Sudetendeutschen Tag der Reisiger verliehen. Dies war der Beginn und
zugleich auch das Ende meiner hierarchischen Karriere in der Jungenschaft. Meine Vorbehalte gegenüber
diesen Rollen wuchsen und ich wendete mich dann mehr der musischen Seite der SdJ zu. Das Volkstanzen,
das Singen, die gute Literatur und Poesie und der Sport wurden für mich immer interessanter.
Wir hatten in Landshut in guten Zeiten viele Möglichkeiten uns in der SdJ zu engagieren. Es
existierten bis zu fünf Gruppen, zwei Jungengruppen, zwei Mädchengruppen und der gemischten
Volkstanzkreis, der zuerst von Sigrid Egerter, dann später von Gretel Thoma geleitet wurde, später
dann von Helmut Stingl und mir.
1956: Lagerleitung in Gaisthal
Mit 16 erhielt ich den Auftrag, dann selbst eine Woche das Zeltlager in Gaisthal zu leiten.
Vielen Personen bin ich dort in den Sommerlagern begegnet und manche wurden zu Freunden: Gerhard
Jiptner, Dieter Max, Toni Komenda, Helga Plattig, die jetzt mit Toni verheiratet ist, Peter
Schowaneck, der Scholli, Roland Haschke, Bernd Hauke, Hubert Geppert und Horst Tiber, Erika Haiz
und Gretl Thoma und vielen anderen mehr. Manche treffe ich immer wieder, zum Beispiel den Jörg
Kudlich, der leider kürzlich verstorben ist. Meistens hatte Jörg seine Gitarre dabei und bringt uns
zum Singen. Sogar später bei meinem Polterabend spielt er auf. Mein letzter Kontakt mit ihm war in
Stadlern, beim 50jährigen Gaisthal-Jubiläum, als er von Gisela, seiner Frau gestützt, vom Berg
herunter kam und sich das Knie verrenkt hatte. Drei Tage vorher war ich aus Hawaii zurück gekommen,
wo ich schamanische Heiltechniken lernte. Ich bot ihm eine Behandlung an und war am Ende genauso
erstaunt wie er, wie gut diese Technik wirkte.
Gaisthal und seine Zeltlager haben mich durch meine ganze Jugend begleitet und sie sind nicht
nur eine gute Erinnerung geblieben, sondern auch ganz wichtig geworden für meine Entwicklung als
Lehrer, Trainer und Berater.
1956: Osterlehrgang am Heiligenhof
Eines meiner bleibenden Erlebnisse in der SdJ war der Osterlehrgang 1956 am Heiligenhof. Wir
sangen und tanzten und wurden von einem wunderbaren musischen Mann, ich glaube, er hieß Willi
Hohmeier, angeleitet. Noch nie zuvor und danach habe ich so intensiv Beethovens Fünfte Symphonie
gehört, die uns von Willi und Gretel Hajek nahe gebracht wurde.
Zu gemeinsamen Elternabenden und Feiern hatten wir häufig mit der Regensburger Gruppe Kontakt.
Sie hatten mit der Leitung von Gerhard Jiptner ein beträchtliches Sing- und Tanzniveau erreicht und
wir Landshuter ließen uns von ihnen anstecken. Gerhard Jiptner hat später in München bei dem
weltberühmten Bachchor unter Karl Richter mitgesungen und so die ganze Welt kennengelernt.
Die beiden Gruppen aus Regensburg und Landshut haben wunderschöne Elternabende gestaltet.
Zuerst kamen meist die Mädel- und Jungengruppen mit Vorführungen dran. Danach waren die Älteren mit
Volkstanz und Singen an der Reihe.
1957: Südtirol - Ermelinde Rosenkranz, Dieter Max, Gerhard Jiptner, Helmut Stingl
Nach der Leitung des Zeltlagers in Gaisthal waren wir eingeladen in Südtirol an einem weiteren
Zeltlager am Montiggler See teilzunehmen. Meine Schwester Ermelinde lernte dort ihren späteren Mann,
den Hartmut Vogel, kennen auf der Fahrt nach Venedig, die von unserem Bergführer Ferdl Ortler
organisiert wurde. Ich selbst fühlte mich bei den Ausflügen nach Sirmione am Gardasee und bei den
Wanderungen im Rosengarten am Karerpass ziemlich müde. Ich musste nach Hause trampen. Der Arzt
diagnostizierte eine Rippenfellentzündung, die mich 6 Wochen ins Bett verbannte.
Bald kehrte ich
aber wieder nach Südtirol zurück. Zuerst mit dem Helmut Stingl zu wunderbaren Skitouren. Wir sind
x-mal auf Skiern die steile Langkofelscharte abgefahren und das nicht minder anspruchsvolle Val`de
Mesdi.
Südtirol hat mich nicht mehr losgelassen. Ich habe acht Mal die Marmolada auf Skiern mit Fellen
bestiegen, Ski- und Klettertouren waren auch nach dem Abitur mein Fokus.
Die Sudetendeutschen in Landshut hatten eine gute Verbindung zu Südtiroler Gruppen aufgenommen.
Gegenseitige Besuche und ein ähnliches Schicksal der beiden Volksgruppen waren hier die Gründe für
die gegenseitige Anziehung.
1960 - 1970: Studentenjahre - Wolfgang Egerter, Ursula Engl, Gerhard Jiptner
Nach all den SdJ Erfahrungen will ich Sport und Germanistik studieren. Wegen einer Verletzung
bei einer Skitour, noch dazu bei einer Abfahrt von der Marmolata, wechsle ich zu BWL,
Wirtschaftspädagogik, Organisationspsychologie und fange an, Gruppen in ihrer Dynamik
wissenschaftlich zu studieren. Das setze ich in England und Amerika fort. Wolfgang Egerter führt
mich in München bei den Sudentendeutschen Studenten ein. Der Kontakt zu alten SdJ Gefährten und
Freundinnen bleibt erhalten. Ich treffe Ursula und Werner Engl regelmäßig, Ingrid, Renate und Helga
Schrimpl und natürlich Helmut Stingl, der in Amerika promoviert. Mit Gerhard Jiptner wohne ich in
einem Münchner Studentenwohnheim. Klaus Großschmidt besuchen wir in Aschaffenburg, wo er ein
beliebter Sport- und Biologielehrer geworden ist.
1971 - 2010: Die Arbeit mit Gruppen wird zu meinem Beruf – der SdJ vielen Dank
Nach dem Gruppendynamikstudium in England lasse ich mich in der Nähe von München als
Managementtrainer und Unternehmensberater nieder. Was in der SdJ mit meiner ersten Gruppenleitung
1953 begonnen hat, wird nun zu meinem Beruf. Ich leite gruppendynamische Seminare für Manager und
Projekte der Team- und Organisationsentwicklung für Unternehmen. Ich habe eine Mini-Universität
gegründet und trainiere und coache nun seit 40 Jahren Gruppen von Führungskräften,
Managementtrainern und Unternehmensberatern.
Seit 1980 halte ich im Kloster Neustift bei Brixen im Februar eine ganze Woche lang ein Seminar
Konfliktmanagement. Nächstes Jahr bin ich zum dreißigsten Mal in Neustift. Hier verbinde ich
Konfliktarbeit mit Managern mit Inner Skiing. Ich kombiniere Sport, Kunst und Beruf und
mag auch mit siebzig damit gar nicht aufhören, weil es mir soviel Freude und Erfolg bereitet. Meine
Tätigkeit bei der Gruppenleitung in der Sudetendeutschen Jugend ist letztlich zur Basis meines
Berufes geworden. Sudetendeutsche Kontakte bleiben bestehen: Klaus Großschmidt, Helmut Stingl und
Peter Schowanek, um nur einige zu nennen.
Roland Jiptner ist bei einer Gletscherabfahrt bei Chamonix tragisch verunglückt. Auch Gerhard
Jiptner ist gestorben. Bei seiner Trauerfeier sangen wir plötzlich das Lied, das wir am Ende von
Lagern zu singen pflegten:
Nun wollen wir auseinandergehen,
es muss geschieden sein,
soll keine Hoffnung mehr bestehen,
auf ein Zusammensein.
Die Welt ist groß, die Welt ist weit,
wir grüßen Berg und Seen,
verglimmend stirbt das letzte Scheit,
auf frohes Wiedersehen.
Was bleibt, ist die Erinnerung an wunderbare Menschen, die alle auf ihre Art ihren guten Weg
gegangen sind. Wolfgang Egerter war als Staatssekretär in Erfurt tätig, Erich Kukuk und Gretel Hajek
haben durch ihre Tätigkeit am Heiligenhof Sudetendeutsche Kultur mitbegründet.
Vor einiger Zeit wollte ich meiner zukünftigen Frau, die klassisches Ballett tanzte,
unseren Volkstanz im Sudetendeutschen Haus in München vorstellen. Die Veranstaltung fiel aus,
aber zufällig stand da plötzlich der Ossi Böse. Wir hatten ein langes, gutes Gespräch bei einem Glas
Wein und tauschten alte Erinnerungen und neue Ideen aus.
Ossi war und ist für mich die Führungsperson der Sudetendeutschen. Ich bin froh und stolz
darauf, dass wir ihn haben.
Zu meinem 70. Geburtstag werde ich mit meinen drei erwachsenen Kindern nach Böhmen reisen, und
ihnen die Dörfer, Städte und Plätze zeigen, an denen einst ihre Großeltern lebten, die sie nicht
mehr kennenlernen konnten. Sie haben jetzt in München und in England ihre neue Heimat gefunden.
Ihre Heimat ist für sie, wie für uns alle, wie ich vermute, an Orten und mit Personen entstanden,
die sie lieben und schätzen.
Meine Adresse ist:
Dr. Hans Rosenkranz, Waldstraße 3b, 82152 Krailling,
E-Mail: haro@team-rosenkranz.de,
Telefon: 089-8574969, Handy: 0171-2360339,
Ich freue mich über neue und alte Kontakte.
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