SPD und DJO

Interview mit Oskar Böse am 3.Dezember 2010 in Düsseldorf-Lörik;
Interviewer: Dr. Mathias Müller im Rahmen seiner Dissertation an der UNI Gießen zum Thema: Die deutschen Heimatvertriebenen und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands.

Frage: Bei den Veranstaltungen der DJO traten immer wieder Vertreter der politischen Parteien auf. Zu welchen Parteien und Personen bestand hier ein besonders gutes Verhältnis?
Böse: Ich kann mich noch gut an den damaligen Arbeits- und Sozialminister in Nordrhein-Westfalen Konrad Grundmann (CDU) erinnern, der bei einer unserer Veranstaltung in Düsseldorf als Referent auftrat, zumal Grundmann mit seiner Eingliederungspolitik eine beispielhafte Vertriebenenpolitik betrieb und in Düsseldorf später auch das Haus des Deutschen Ostens eröffnete, welches ich ab 1967 dann 21 Jahre lang leiten durfte.
Generell hat die DJO mit allen Parteien Gespräche geführt, dennoch gestaltete sich der Kontakt zur SPD besonders gut.
Frage: Wie gestaltete sich der Kontakt zur SPD, die sich in Form von mehreren Zusammenkünften ab 1960 ganz besonders um die DJO bemühte? Welche Erinnerungen haben Sie noch an diese Treffen?
Böse: Die entscheidende Rolle bei all diesen Treffen hat zweifelsohne Wenzel Jaksch gespielt. Jaksch war es, der seine Erfahrungen, die er in der Tschechoslowakei gemacht hatte, in die Arbeit der SPD einbrachte und die Forderung nach der Verwirklichung des Volksgruppenrechts durchsetze.
Das Volksgruppenrecht wurde durch den bekannten Godesberger Parteitag der SPD von 1959 auch zum offiziellen Parteitagsbeschluss gehoben. Dies hat gerade uns junge Leute in der DJO sehr beindruckt. Die SPD war in diesem Punkt führend, die CDU konnte der SPD auf diesem Feld um Längen nicht das Wasser reichen.
Erst später mussten Jaksch und auch wir in der DJO erkennen, dass in der SPD im Zuge ihrer Neuen Ostpolitik alles anders kam und die Rechte der Volksgruppen in ihrer praktischen Politik keine Rolle mehr spielten.
Frage: Wie wurden in der DJO während dieser Gespräche die Sozialdemokraten Erich Ollenhauer und Herbert Wehner wahrgenommen? Bestand zum SPD-Referent Willi Jäger ein näheres Verhältnis?
Böse: Neben Ollenhauer und Wehner kann ich mich auch noch gut an Waldemar von Knoeringen, den damaligen SPD-Vorsitzenden in Bayern, erinnern. Ebenso an Herbert Hupka.
Vor allem Herbert Wehner war es, der Jaksch in seinem Streiten für das Volksgruppenrecht unterstützte. Er war neben Jaksch der entscheidende Akteur, der die Verständigung zwischen den Vertriebenen und der SPD besonders unterstützte. Das Anliegen der SPD wurde von uns damals als ein ehrliches Anliegen wahrgenommen.
Auch an Willi Jäger kann ich mich freilich noch gut erinnern, zumal dieser ebenfalls ein Sudetendeutscher war und bei den Treffen stets anwesend war.
Frage: Ab wann fing das Werben der SPD um Sie bzw. die DJO an?
Böse: Im Anschluss an ein Jubiläumstreffen der Seliger-Gemeinde in München, bei dem auch Herbert Wehner, Wenzel Jaksch, Walter Richter, Franz Ohmann und ich dabei waren, fragte mich Jaksch, ob ich nicht der SPD beitreten wolle. Wehner hat diese Frage aufmerksam verfolgt. Ob beide sich zuvor abgesprochen hatten, kann ich nicht sagen. Ich habe daraufhin gesagt, wenn ich wüsste, dass die gegenwärtige Politik der SPD beibehalten werde, dies für mich ev. eine Option sei.
Die anderen, der Bundesorganisationsleiter der SL Franz Ohman sowie der Landesvorsitzende der Sudentendeutschen Landsmannschaft und des BdV in Bayern, Walter Richter sind dann später Mitglied der SPD geworden. Ich selber bin aber nie Mitglied der SPD gewesen.
Dennoch machten die Avancen von Jaksch später die Runde. So behauptete anschließend Josef Stingl, der Landesvorsitzende der CDU Oder-Neiße, dass ich ein Mitglied der SPD sei. Unter der von mir erfolgten Androhung von gerichtlichen Schritten unterließ er diese Behauptung letztlich.
Neben dem an mich ergangenen Angebot des Parteieintritts hat die SPD den Vertriebenen vor allem in Hessen ganz konkrete Angebote des Parteieintritts gemacht. Das weiß ich noch ganz genau. So wurde z. B. Gustav Hacker Landwirtschaftsminister und auch Frank Seiboth und Sepp Waller kamen zu politischen Positionen.
Hervorheben möchte ich, dass wir als DJO gar nicht wussten, welche unserer Mitglieder einer politischen Partei angehörten. Dies spielte bei uns keine Rolle.
Frage: Mit welchen Ködern hat man dabei um Sie geworben? Gab es formelle Absprachen, welches Verhalten von Ihnen im Falle eines Parteieintrittes erwartet worden wäre?
Böse: Nein, das gab es nicht.
Ich habe erst durch den von Ihnen mir zugesandten Artikel davon erfahren, dass es in der SPD Überlegungen gab, mit welchen Mitteln man mich zu einem Parteieintritt zu bewegen dachte.
Frage: Wie wurde dieses Werben im BdV aufgenommen? Welche DJO-Landesvorsitzenden und Funktionäre sind diesem Werben gefolgt bzw. besaßen bereits von Beginn an ein SPD-Parteibuch?
Böse: Das Werben der SPD um die DJO würde im BdV kritisch beäugt.
Daher war es gerade mir als Vorsitzender besonders wichtig, dass der überparteiliche Charakter der DJO weiter aufrecht erhalten wurde.
So haben wir die Gespräche auch stets zu den anderen Parteien gesucht.
Frage: Wie haben Sie damals die Neue Ostpolitik der SPD wahrgenommen und beurteilt? War diese Politik aus Ihrer Sicht nachzuvollziehen?
Ist der Vorwurf der Vertriebenen zutreffend, die SPD hätte dabei eine Politik hinter ihrem Rücken betrieben?
Wenn ja, woran läßt sich eine solche genau festmachen?
Böse: Ja, dies ist zutreffend und wir haben die Politik der SPD Ende der 1960er Jahre folglich auch als Umfallen, wenn nicht gar als Verrat gegenüber den Vertriebenen wahrgenommen.
Die offiziellen Gespräche fanden mit der SPD seither auch nicht mehr statt.
Für die Vertriebenen entstand tatsächlich der Eindruck, dass die SPD eine Politik hinter ihrem Rücken betrieb. Man braucht sich dazu nur die Reden der SPD auf den Vertriebenentreffen und die wirkliche Politik betrachten.
Frage: Wie war in dieser Zeit Ihr Verhältnis zu den SPD-Vertriebenenpolitikern Reinhold Rehs und Herbert Hupka, insbesondere nach deren Austritten aus der SPD?
Böse: Dadurch, dass die DJO per se einen Sitz im BdV-Präsidium zugebilligt bekam, standen wir automatisch im ständigen Kontakt zum BdV und seinem Vorsitzenden. Der Sitz wurde zwar auch von mir, mehrheitlich jedoch vom DJO-Bundesgeschäftsführer Siegfried Kottwitz eingenommen.
Rehs war von seinem Denken eher provinziell. Im Unterschied zu Jaksch hatte er keine großen Visionen, sondern war vorwiegend auf die Bundesrepublik lokalisiert. Die internationalen Anstrengungen, die Jaksch betrieb, wurden nach seinem Tod im BdV gänzlich zurückgefahren.
Herbert Hupka setzte sich nach dem Austritt aus der SPD unermüdlich in der CDU für die Vertriebenen ein.


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