Wir aber säen eine neue Saat
von Gottfried Reichart
Lied: | Das alte Europa hat viele Herzen,
hat viele Kronen, die nie verdunkeln. |
1. Rufer: | Ein Herz ist Böhmen! |
2. Rufer: | Hört sein Schicksal! Lernt aus seinem Leid! |
1. Rufer: | Ein Herz ist Böhmen! |
2. Rufer: | Nie wird uns diese Erde fremd,
die unsre Heimat ist. |
1. Rufer: | Hört sein Schicksal! |
2. Rufer: | Ihr, die ihr ohne Heimat seid! |
1. Rufer: | Ihr, die ihr ohne Freiheit seid! |
2. Rufer: | Lernt aus seinem Leid!
Was dort den Menschen in Jahrhunderten zu lösen aufgegeben war und was zu lösen nicht gelang, weil andre Maße galten in der andern Zeit: Heut ist es uns noch einmal aufgegeben, im kleinen und im großen Raum. |
1. Rufer: | Nur in dem Einen kann das Viele uns gelingen,
und nur aus Vielem baut sich Eines auf! |
2. Rufer: | Ein Herz ist Böhmen!
Hört sein Schicksal! Lernt aus seinem Leid! |
M u s i k | |
Sprecherin: | Dies ist das Land:
Berge, bewaldet und reich an Erz, Täler und Ebenen, ein Land von vielen und ein eignes auch. Und es wurde Heimat, wie jedes eine Heimat ist: denen, die dort ihre Wurzel haben. |
1. Sprecher: | Gott sah das Land
und sah die Menschen, die darin wohnten. Er ließ ihre Saaten reifen und segnete das Werk ihrer Hände. Und sie lebten brüderlich in einem Haus, wenn auch andere Worte gingen und andere Lieder klangen auf den Gebirgen, die das Land umsäumten, und andere Worte und Lieder in der Mitte des Lands. |
2. Sprecher: | Es kam aber der Teufel
und säte Haß und Zwietracht in den Herzen der Menschen und lehrte sie einander hassen um ihrer Sprache willen. Wo Menschen wohnten auf Erden schmiedete er Tag und Nacht: Riegel schmiedete er jedem für sein Haus, Ketten den Starken für die Schwachen, Schwerter zum Kampf und Dolche für schleichende Mörder. |
1. Rufer: | Jedem sein Haus, in dem nur er befiehlt!
Jedem seinen Zaun, der ihn vom Nachbar trennt! |
1. Sprecher: | So hallte es durch die Welt.
Und als zum ersten mal die Welt in Flammen stand, riefen die Menschen, die in großen Häusern lebten und keinen, eigenen Zaun hatten: |
2. Rufer: | Jedem sein Haus, in dem nur er befiehlt!
Jedem seinen Zaun, der ihn vom Nachbar trennt! |
1. Sprecher: | Es lebte aber jenseits des Meeres,
am anderen Ende der Welt, ein Mächtiger, der über weite Länder, über Tausende von Schiffen und Millionen Krieger gebot. Und er sprach: Legt eure Waffen nieder! Es ist euch allen eine Zeit des Friedens gekommen, denn jedem Volk soll sein Recht werden nach seinem Willen. |
2. Sprecher: | Da gehorchten die Völker.
Sie legten ihre Waffen nieder und kehrten heim in ihre Häuser und Hütten. Und die nicht mehr in großen Häusern leben wollten, bekamen, wonach sie gerufen hatten: ihr eigenes Haus und ihren eigenen, engen Zaun. |
1. Sprecher: | Aber sie wurden ihrer Enge,
ihrer Grenzen nicht froh. Allerorten blühte die dunkle Blume des Leids, am tiefsten dort, wo der Zaun des einen Volkes Brüder eines andern umschloß, denn furchtbar war die Saat des Teufels in den Herzen aufgegangen. |
2. Sprecher: | Da wurde den Menschen das Brot bitter,
und Tränen fielen in ihren Wein. Wo die Völker einander begegneten, wucherte aus der Erde das Unkraut der Zwietracht, und sie verstanden einander nicht mehr. |
Lied: | Wir wandern alle weit zerstreut |
1.Sprecher: | Und es kam ein Mann, der wurde mächtig,
und viele glaubten an ihn. Er aber war kein Heiland seinem Volk, mit Millionen Toten war sein Weg besät, gesäumt von Kerkermauern und verbrannten Tempeln - und dies im Namen seines Volks! Und abermals verbrannte Krieg die Erde, und in dem zwölften Jahr seiner Macht zerfiel das Reich, das er auf fehlem Grund erbaute. |
Sprecherin: | Noch nie war ein Frühling so schön gekommen.
Weiß leuchteten die Blüten des Kirschbaums, und voll von Blumen standen die Wiesen schon früh im Jahr. In den Herzen aber war es nicht Frühling geworden. Zum Baum gewachsen war in Jahrhunderten der Same des Bösen, der alle Völker überschattete. Nun reifte er die böse Frucht. |
1. Sprecher: | Frieden läuteten die Glocken
in aller Welt. An den blutenden Grenzen des geschlagenen Volkes aber gab es keinen Frieden. Und bald verstummten die Glocken vor den Schreien der Gefolterten, dem Röcheln der Ermordeten, dem Weinen der Vertriebenen. |
2. Sprecher: | So kam der Friede:
Mit Millionen Toten war sein Weg besät, gesäumt von Kerkermauern und verbrannten Höfen - und dies im Namen der Gerechtigkeit! |
Sprecherin: | Noch nie war ein Frühling
so voller Leid gekommen. Auf frischen Gräbern lagen die Blumen, zu Totenglocken wurden die Glocken des Friedens, und als die Kirschen reiften, trieb man die Deutschen aus dem Land, in das ein König sie gerufen hatte. |
Lied: | Das Gottesland, das reine ist einsam und alleine |
Sprecherin: | Viele Male standen die Kirschbäume in Blüten
seit jenen Tagen. Viele Male reifte der Sommer das Korn, trugen die Weinberge Frucht. Und viele Male brannten die Lichter am Baum zum Feste des Friedens. Auf den Gräbern im Lande Böhmen ist Gras gewachsen, braunes Gras, und breitet sich aus, wo einst fruchttragende Felder waren, und Nesseln wuchern im verfallenen Gemäuer der Höfe an der Grenze. Auch in manchen Herzen sind Gras und Nesseln groß geworden: das Gras der Trägheit, das die blutende Wunde der Liebe und des Leids vernarbt, und die Nessel des Zorns, der aus den ungeheilten Wunden drängt. |
1. Rufer: | Wir aber säen eine neue Saat,
den Haß zu enden und die Not zu wenden. Und Worte stehn uns flammend im Gedenken, die aus den Wäldern wuchsen wie ein Baum, genährt vom Wurzelgrund der Heimaterde und werden unserm Wirken Maß und Lot. |
2. Rufer: | Es sind nicht Worte von heute.
Adalbert Stifter schrieb sie vor hundert Jahren in seinem Böhmischen Testament. Und sie gelten, wie sie damals galten, heute und immer, sagen, was uns aufgetragen ist zu unserem und aller Heil. |
1. Sprecher: | Wessen Haus brennt,
dem stehen die bei, die um ihn sind. Und es werden die Zeiten kommen, daß die Völker nicht mehr allein sind, daß sie sind wie Mensch und Mensch, wie Nachbar und Nachbar, wie Freund und Freund. |
2. Sprecher: | Es sollten alle Reiche unseres Erdteils
ihre Angelegenheiten gemeinsam schlichten, so würde keines von einem anderen besiegt und keines würde die Beute eines entfernten Feindes. |
1. Sprecher: | Das Wort ist stärker als die Wurfschleuder,
und die Mäßigung besiegt den Erdkreis. |
2. Sprecher: | Ja, es geschehen Zeichen und Wunder,
und Mächte wachsen und vergehen, wie wir nicht geahnt haben. Wir sollten sorgsam auf diese Zeichen achten. Bei uns sind Männer vom Herzogsstuhle in das Elend gegangen, andere von dem Pfluge zur Herrschaft, Städte und Stämme haben geboten und sind dahin. Aber Gott wirkt durch die Menschen Wunder, welche leuchten von dem Aufgange bis zum Untergange und welche nicht vergessen werden. |
M u s i k,
übergehend in das Lied Herr, gib uns Frieden |
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