Sudetendeutscher Tag 1954 in München
Feierstunde der Sudetendeutschen Jugend

 


Unser aller Schicksal ist die Heimat

Eine Feierstunde der Sudetendeutschen

 

Zur Gestaltung notwendig sind:

1. Sprecher
2. Sprecher (Rhapsode)
4 weitere Sprecher
4 Rufer
1 Herold
1 Student

Ein grosser Chor
Bauern, Bürger und Bergleute, ein Edler und zwei Mönche in mittelalterlichen Trachten.
Studenten der Karls-Universität
Der Zug der Ausgewiesenen
50-60 Mädel und Jungen in der Kluft der Sudetendeutschen Jugend
Trachtenpaare aus den deutschen Landschaften
Je ein Trachtenpaar aus jeder Heimatlandschaft
Musik: Fanfaren und Pauken

Die Feierstunde wurde unter Verwendung von Texten folgender sudetendeutscher Dichter zusammengestellt:

  Franz Höller Gedicht: Wir tragen die Wende
  Wilhelm Pleyer Lied: Als Säer wir kamen
  Hans Watzlik Festgedicht zum 16. Oktober 1937, Teile daraus

Abschnitte aus der Charta der Heimatvertriebenen

Zusammenstellung und ergänzende Zwischentexte: Rolf Nitsch


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Fanfare  
   
1. Sprecher: Unser aller Schicksal war und bleibt die Heimat!
   
   
1. Bild
   
Chor: Als Säer wir kamen in saatlose Wildnis.
Es quollen die Schollen vor unserem Pflug;
Wir fällten viel Bäume, wir heIlten die Räume,
Da schufen wir das Land, das die Heimat uns trug.
   
1. Sprecher: Heimat war Arbeit!
   
2. Sprecher (Rhapsode):
  Gerufen von den Herren Böhmens, von dem Zwang des schöpfungsträchtigen, des eigenen Herzens hergetrieben, kam der deutsche Ahne.
   
Spiel: (Der Herold tritt mit zwei Fanfarenbläsern auf)
   
Fanfarenstoß (Es sammeln sich einige Zuhörer)
   
Der Herold (verliest den Aufruf) :
  Höret, was Herr Wladislav, seines Namens der Erste, König in Böhmen, im Jahre 1152, dem zwölften seiner Herrschaft, euch kund tut durch seinen Mund: Ein reiches Land ist Böhmen, Reich an Wiesen und Wäldern, reich an Wassern und Weiden, reich an Bergen, in denen viel edles Gestein verborgen ruht. Doch Böhmen ist auch arm, arm an Menschen, arm an Städten.
   
Der Herold: Drum seid ihr alle aufgerufen
Franken und Bayern,
Sachsen und Hessen,
Bauern, Bürger und Bergleut’!
Kommt nach Böhmen!
Raum für euch alle hat unser Land --
Raum für alle, die schaffen wollen
als Freie auf freiem Grund.
   
(Während des Aufrufes sammeln sich immer mehr Leute um den Herold. Sie tragen die Trachten der damaligen deutschen Stämme und sind durch Werkzeuge als Angehörige der aufgerufenen Stände gekennzeichnet. Auch zwei Mönche treten dazu. Ein Edler tritt an die Spitze des sich formierenden Zuges. Alle folgen dem Herzog über die Bühne nach Böhmen.)
   
2. Sprecher: Arbeit suchten die Deutschen jenseits der Böhmischen Berge,
Arbeit war es, was die Fürsten und Herren,
deren Ruf sie gefolgt, von ihnen verlangten.
Durch Arbeit verwurzelten sie in jenen fernen
Zeiten dem Land -- die Arbeit schuf ihnen die Heimat.
   
   
2. Bild
   
2. Sprecher: Doch nur der Freie schafft gern und nur der Freie schafft gut,
Und nur die Arbeit in Freiheit bringt unvergängliche Werte.
Schon bald erkannten dies die Herren des Böhmischen Landes.
Drum gaben sie Freiheit denen, die für sie werkten.
So wuchs aus der Ahnen Arbeit die Freiheit -- ihr kostbarstes Gut.
   
Spiel: (Der Herold tritt mit zwei Fanfarenbläsern auf)
   
Fanfarenstoß (Das Volk sammelt sich in weitem Halbkreis um den Herold)
   
Der Herold: (liest aus einer Urkunde)
  Wir, Wenzel, König von Böhmen, machen allen Gegenwärtigen und Zukünftigen kund, dass Wir die Deutschen in allen unseren Ländern in unsere Gnade und unseren Schutz aufnehmen. Deshalb haben Wir ihnen die alten Freiheiten und Gerechtsame aufs Neue verbrieft und bestätiget.
 
Denn Wir wollen -- wie es auch unsere Vorfahren, Herzöge und Könige aus Przemysls Geschlecht gewollt haben -- dass die Deutschen freie Männer seien und bleiben.
 
Wer aber vielleicht wagen sollte, unsere Zugeständnisse zu verletzen, indem er die vorgenannten Deutschen über das festgesetzte Maß hinaus halsstarrig belastet, der soll wissen, daß er wie ein Verbrecher an der Königlichen Majestät bestraft wird und ausserdem den Fluch des allmächtigen Gottes in Ewigkeit zu tragen haben wird.
 
Gegeben zu Prag am Tage des Heiligen Wenzel Anno Domini 1237.
   
(Während des Verlesens drängt die Menge immer näher heran. Nach dem letzten Wort des Herolds bricht sie in den Ruf aus: Heil, heil dem König. Der Herold geht ab. - Das Volk zerstreut sich langsam und in freudiger Erregung.)
   
2. Sprecher: Der König gab sein Wort, gab Brief und Siegel.
Der Deutsche dankte ihm durch seine Tat.
Er blieb im Land. An seinem Rande lichtet er
Den harten Wald, erschlug darin das reissende Getier
Und nahm die unbetreute Scholle unter seinen Pflug.
Als Kaufmann rückte er tiefer in die Landschaft,
Als künstereicher Meister jeden Handwerks baute er
Die bunten, festen Städte und versah mit deutschem Recht sie,
Und lehrte neidlos Andere, was er an Kenntnis mitgebracht.
Den Schoss der Berge klug durchspürend heimste er das Erz.
Er goss das lichte Glas, das weiche Linnen wob er, wirkte Tuch,
Und übte tausend anderes, entfaltete sich voll Fleiss und Treue
Im Frieden eines ungeheuren Werks und niemandem zu leide.
   
   
3. Bild
   
Chor: Wir drangen ins Herze den Bergen um Erze,
Wir gruben und huben viel Reichtum hervor.
Die Esse erlohte, es stiegen die Schlote,
Es wuchs, o Herr, dein Dom über alles empor.
   
2. Sprecher: Bald erstrahlte hell der Ruhm der Böhmischen Krone
Und ihres Reichtums, den ihr die Deutschen geschaffen.
Böhmische Herren ritten in den Heeren der Kaiser,
Standen an ihren Thronen und ihre Stimmen
Hatten Gewicht im Rate des Reichs und der Stände.
Böhmen, einst am Rande des Reiches gelegen,
Ward immer mehr seine Mitte. Und schliesslich
Schlug das Herz des Reiches in Prag --
Im Prag Kaiser Karls des Vierten.
   
Spiel: (Ein Student tritt auf. Leute sammeln sich um ihn)
   
Der Student: ´S ist wahr, ihr Leute!
Wir haben eine eigene Hohe Schule!
Hier (er zieht einen Brief aus der Tasche) schreibt es mir aus Prag mein Oheim. Den Wortlaut von des Kaisers Dokument hat er mir mitgeteilt. Es lautet so:
 
Wir, Karl der Vierte, von Gottes Gnaden römischer Kaiser, allzeit Mehrer des Reichs, tun allen Getreuen, jetzt Lebenden und Zukünftigen kund: In der Erkenntnis, dass die geistigen Güter besser, trefflicher und vornehmer sind als die Gaben der Natur und des Glücks, haben Wir in Unserer guten und allzeit getreuen Stadt Prag ein Generalstudium nach dem Vorbild und Muster ebensolcher Studien zu Paris und Bologna errichtet. Wir haben es begabt mit allen Privilegien und Rechten, so einer Hohen Schule zukommen.
   
Der Student: Wir nehmen die Doktores und Magister und Scholaren, so an dieser Unserer Hohen Schule sich der Gelehrsamkeit befleißigen wollen, samt und sonders auf der Reise und in jeder Fakultät und woher sie kommen, während des Herwegs, während des Aufenthaltes und während des Rückweges unter das besondere Schutzgeleit Unserer Majestät und wollen jedem Einzelnen die Versicherung geben, dass Wir allen und jedem, der hierher kommen will, alle Privilegien, Immunitäten und Freiheiten mildiglich gewähren wollen, deren Genusses sich auf den Studien zu Paris und Bologna die Doktores und Scholaren aus königlicher Macht seit jeher erfreuen, und wir werden veranlassen, dass diese Vorrechte von Jedermann unverbrüchlich gewahret werden.
 
Gegeben zu Prag am 7. Tage des Monats April im Jahre des Herrn 1348.
   
(Wieder sammeln sich immer mehr Leute um den Vorlesenden. Freudenrufe unterbrechen ihn oft. Während sich das Volk nach den letzten Worten langsam zerstreut, zieht eine kleine Gruppe junger Burschen nach Prag.)
   
2. Sprecher: Fortan war Prag für lange Zeit eine Hochburg des Wissens, Mittlerin der Erkenntnis den Völkern weiter im Osten, Wahrerin der Güter deutschen Fleisses und Könnens und getreue Hüterin abendländischen Geistes.
 
Viele Große erwuchsen auf Böhmens Boden dem Reich und der Welt. Mancher von ihnen schaffte bis heute Unvergangenes:
   
(4 Rufer nennen die folgenden Namen in der angegebenen Reihenfolge)
   
1. Rufer: Kaspar Schlick aus Eger, erster Laienkanzler des Reichs --
2. Rufer: Johannes von Saaz, der Dichter des «Ackermann aus Böhmen» --
3. Rufer: Albrecht von Wallenstein, Feldherr Ferdinands des Zweiten --
4. Rufer: Balthasar Neumann, Deutschlands größter Barockmeister --
2. Rufer: Adalbert Stifter, der Poet der Stille --
1. Rufer: Hans Kudlich, der Befreier der Bauern --
3. Rufer: Rainer Maria Rilke, der große Meister deutscher Lyrik --
   
(Dumpfer Paukenwirbel setzt ein. Er schafft den Übergang zum)
   
   
4. Bild
   
2. Sprecher: (Spricht in das Rollen der Pauken hinein)
  Dann aber erschüttern die Kriege unseres Jahrhunderts die Grundfesten unserer Ordnungen, ja unserer Welt.
   
1. Rufer: In den Trommelfeuern des ersten Weltkrieges zerfällt die überlieferte Ordnung Europas.
   
2. Rufer: Unter den Bombenteppichen des zweiten zerbricht das Gefüge der Welt.
   
(Die Pauken werden lauter)
   
1. Sprecher: Und Heimat wurde Schicksal!
   
(Die Pauken steigern sich zu einem Wirbel in voller Stärke und brechen plötzlich ab)
   
1. Rufer: Anno Domini 1945 !
   
3. Sprecher: (Verliest mit völlig ruhiger, beherrschter Stimme den die Ausweisung betreffenden Artikel des Potsdamer Abkommens)
   
2. Rufer: (Haßerfüllte, kreischende Stimme)
  Schlagt die Deutschen, wo ihr sie trefft !!
   
(Über die Bühne geht der Zug der Vertreibung. Die ersten kommen einzeln, hetzen über die Bühne, einige tragen blutige Verbände. Später kommen kleine, immer größer werdende Gruppen, bis sich schließlich die Masse, vor allem Frauen, Kinder und Alte, mühsam über die Bühne schleppt. Unter den Vertriebenen befinden sich wieder die beiden Priester.
Nachdem der Letzte verschwunden ist, stellen bewaffnete, durch Armbinden gekennzeichnete Polizisten einen Stacheldrahtverhau an das Ende der Bühne, aus dem der Zug gekommen ist.)
   
   
5. Bild
   
(Ein Fahnenträger im Grauhemd geht langsam in die Mitte der Bühne)
   
1. Sprecher: Heimat ist Aufgabe!
   
(Um den Fahnenträger sammeln sich nach und nach Jungen und Mädel im Grauhemd und Dirndl. Trachtenpaare aus den deutschen Landschaften kommen dazu und stellen sich in den Kreis, Trachtenpaare der Heimatlandschaften kommen ebenfalls dazu. Alle bilden einen Halbkreis um die Fahne)
   
Die auf der Bühne Versammelten singen:
 
Heimat, dir ferne, grüßen uns Sterne,
sengt uns die Sonne, braust uns der Sturm.
 
Und unser Leben, und unser Streben,
Heimat, dir ferne, gilt dir allein.
 
Du gibst uns Stärke für unsre Werke,
Heimat, dein Wille, sei uns Gebot.
   
3. Sprecher: (Dunkle, ruhige Stimme)
  Wir Heimatvertriebenen verzichten auf Rache und Vergeltung. Dieser Entschluß ist uns ernst und heilig im Gedenken an das unendliche Leid, welches im besonderen das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat.
Wir wollen in neuen, geläuterten Formen verständnisvollen und brüderlichen Zusammenlebens mit allen Gliedern unseres Volkes und allen Völkern Europas schaffen und wirken, damit aus Schuld, Unglück, Leid, Armut und Elend für uns alle der Weg in eine bessere Zukunft gefunden wird.
   
4. Sprecher: (Jugendlich helle Stimme)
  Wir tragen die Wende, Kameraden der Zeit,
daß sie sich vollende, steh´n wir bereit.
 
In unserem Singen erglüht heut die Welt.
Uns muß drum gelingen die Tat, die uns hält.
 
Wir wissen heut alle: Auf uns kommt es an --
Das Morsche, es falle! Wir fangen neu an!
   
(Die Jungen und Mädel auf der Bühne fassen sich an den Händen. Sie treten eng um die Fahne.)
   
Chor: Vertrieben nun bleiben wir Säer und Werker,
die Heimat im Kerker bleibt unser Geschick.
Herr, wolle uns hören, Du bleibst unser Glaube.
Wehre Du dem Raube und führ´ uns zurück -- Führ´ uns zurück!
   
(Alle Scheinwerfer vereinigen sich auf die Fahne. Sie blenden langsam nacheinander ab.)


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Zum Abschluß noch ein Blick auf ein paar Seiten des Original-Textes von Rolf Nitsch:

Der originale Text



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