Ein Wort zu Schund und Schmutz bei Jungmädeln

Schund und Schmutz bei den Mädchen? -- werdet ihr nun sehr erstaunt und vielleicht auch ein bißchen überheblich -- fragen und leicht die Augenbrauen runzeln “Meine Mädel lesen weder Billy Jenkins noch Tom Prox!”

Aber legt statt die Stirn in Falten lieber einmal die Hand aufs Herz und fragt euch: „Ja -- was lesen meine Mädel nun wirklich?” Wißt ihr es? Wenn ja, dann könnt ihr diesen Beitrag sofort aus der Hand legen. Wißt ihr es aber nicht oder nicht ganz genau, dann lest ihn ruhig zu Ende.

Es soll nämlich hier nicht einmal die Rede von den Mädeln sein, die ihren Brüdern mit Begeisterung die im allgemeinen unter dem Begriff Schund und Schmutz laufenden Hefte aus den Hosentaschen ziehen. Auch solche gibt es. Es gibt aber außerdem auch eine mindestens ebenso minderwertige Literatur speziell für Mädchen.

Ist Grunde genommen gab es sie schon immer. Einmal waren es außerordentlich rührselige Geschichten, in denen eine Ulla, Gitta oder Sabine die tollsten oder traurigsten Dinge erlebte.
Vielleicht erinnert ihr euch selber noch an die unzähligen Bände, die Nesthäkchens Schicksale von der Wiege bis zum Empfang der Enkelkinder am 70. Geburtstag ebenso breit wie unwahr schilderten. Aber diese Geschichten gingen noch an. Sie hatten nämlich einen großen Nachteil -- man konnte es aber auch einen Vorteil nennen -- sie wurden nach und nach ziemlich langweilig.

Heute hat man das erkannt. Findige Verleger -- es sind auch einige weibliche Namen darunter -- haben sich verpflichtet gefühlt, diesem Übelstand abzuhelfen. Es gibt also heute auch Billige Reihen für Mädchen, billig in jeder Beziehung! Der Junge hat den Cowboy -- warum sollte das Mädel nicht sein Cowgirl haben? Es schießt so sicher wie Billy Jenkins in seiner besten Zeit, es reitet wie Ton Prox, wirft das Lasso wie Buffalo Bill und wird in überlegenem Stil mit den schwersten Jungen fertig. Sie heißt Kat oder Mary oder Evelyn und ist mit einen Wort gesagt das Überweib, das aber dann doch letzten Endes in einem der tollen Burschen, mit denen sie sich sonst herumgeschossen hat, den Kerl findet, der sie -- wie konnte es anders sein! -- endlich zur Liebe bekehrt. Sie schnallt deshalb den Revolvergürtel ab, vertauscht den Colt mit dem Kochlöffel, den Sattel mit dem Küchenstuhl und die Reithose mit dem Hochzeitskleid. Überschrift: Happy End!

Das ist aber nur eine Art moderner Mädchenliteratur. Die andere ist vielleicht noch gefährlicher. Zu ihr gehört der größte Teil der sogenannten Comics, die meist sehr wenig komisch sind. Sie fühlen sich verpflichtet, sich an Jungen und Mädel in gleichem Maße zu wenden. Infolgedessen gibt es dort meistens Paare -- manchmal Kinder, häufig aber auch reichlich leicht bekleidete Erwachsene. Sie bestehen die unwahrscheinlichsten Abenteuer. Sie werden aber in verschiedenen dieser Hefte auch bis an reichlich zweideutige Situationen herangeführt und in solchen Situationen auch noch zeichnerisch dargestellt!!

Es ist heute noch so, daß derartige Mädelhefte keine allzugroße Verbreitung gefunden haben. Aber sie sind da und können sich auf Grund der hoben Auflagen eine Werbung leisten, die sich gute Bücher nicht leisten können. Deshalb müssen wir mit ihnen rechnen.

Verbieten nützt nichts. Wir machen die Mädel damit höchstens aufmerksam und neugierig. Wenn solche Hefte auftauchen sollten, muß die Führerin zunächst einmal für sich selber eindeutig Stellung beziehen. Das geschieht ohne großen Sums am besten dadurch, daß sie sagt: “Ich lese so etwas nicht!" Auf die zu erwartende Anfrage nach dem Warum dieser Einstellung muß dann eine stichhaltige Begründung kommen. Dazu gehört das Heft in die Hand der Führerin und eine Lesung der Stellen, an denen die Unwahrscheinlichkeit am deutlichsten herauszuhören ist. Wenn man dann noch einige Kommentare gibt, die die Sache ins Lächerliche ziehen können, haben wir das erste Vorpostengefecht gegen Schund und Schmutz gewonnen.

Damit ist aber noch nicht alles getan. Wir müssen unsere Mädchen zu wirklich guter, für sie passender Literatur hinführen. Auch dabei gilt es vorsichtig zu sein. Das Angebot an Mädchenbüchern ist groß -- größer als das an Jungenbüchern -- aber auch schlechter. Manchmal entsteht der Eindruck, als feiere die Kränzchenbücherei seligen Angedenkens eine fröhliche Urständ. Auch Frau Courths-Mahler hat einen Kreis von ihr durchaus ebenbürtigen Schülerinnen gefunden. Das Thema ist das gleiche geblieben, das Milieu hat sich etwas gewandelt. War es früher der reiche Graf, der das arme Mädchen heiß und innig liebt, bis es sich herausstellt, daß sie eine verkappte Prinzessin ist, oder die Comtesse von Sowieso, die trotz ihres blauen Blutes den rot- und schwerblütigen Hauslehrer endlich heiraten darf, ist es heute das Flüchtlingskind, das von bösen, bösen Menschen herumgestoßen wird, bis es ein wahrhaft edler Mann behutsam an die Hand nimmt und es in eine neue Heimat führt, oder der Spätheimkehrer, der in Gestalt eines schwerreichen Mädchens sein Glück und eine gesicherte Zukunft findet. In allen Fällen aber wird weiter gefühlsgeduselt und im Grunde verläuft alles rosenrot und himmelblau. Und die Liebe, die Liebe -- sie wird verkitscht nach allen Regeln der Kunst.

Auch vor solchen Dingen sollten wir unsere Mädel zu bewahren versuchen. Es wäre noch zu untersuchen, wieviel Unglück durch solche verlogene Geschichtchen in das Leben manchen Mädels hineingebracht wird.

Es gibt natürlich auch ein großes Angebot wirklich guter Jugendbücher. Macht euch aber auf alle Fälle eines zur Regel: Empfehlt kein Buch, das ihr nicht selbst gelesen habt und schafft euch langsam die Voraussetzungen zu einem einigermaßen gerechten Urteil.
Auch auf etwas anderes sei hier hingewiesen, und das ist das Kino, das bei vielen 13 - 14 jährigen Mädeln bereits eine Rolle zu spielen beginnt. Die Jungen sind hier weniger gefährdet, weil für die nur der Wildwestreißer Anziehungskraft besitzt und man diesen viel leichter ausschalten kann. Mädel aber suchen Romantik und ihnen kommen natürlich viele neue deutsche Filme sehr entgegen. Es ist eben zu schön, Wenn abends die Heide träumt, dazu die Abendglocken läuten und Rosen blühn auf dem Heidegrab. Es soll hier keine Kritik an dem Film-schaffen der Gegenwart geübt werden. Wir wollen aber dafür Sorge tragen, daß unsere Mädel einmal die kitschige Romantisiererei als solche erkennen und langsam immun dagegen werden. Es ist schon viel Schaden damit angerichtet worden.

Wir haben also auch hier ein gerüttelt Maß an Arbeit zu leisten -- auch bei den Mädeln. Denn sie sollen ja einmal den Unterschied finden können zwischen Gemütstiefe und Rührseligkeit, zwischen echtem Gefühl und Gefühlsduselei. Wir wollen ihnen bei der Schaffung der Urteilsfähigkeit helfen.



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