Es ist heute leider häufig so, daß die 14 - l8- jährigen Mädel kaum einmal dazukommen, aus der Gruppe
heraus für die Gruppe zu gestalten. Vielfach verlockt die Vielzahl der auf dieser Altersstufe zur Verfügung
stehenden Gestaltungsmittel dazu, die Gruppe als Spielgruppe zur Umrahmung der Feste heranzuziehen.
Damit verbunden ist natürlich ein vorgeschriebenes Programm, das oft große Anforderungen an die Gruppe
stellt und sie schon Monate vorher restlos auslastet. Meist wird auch nicht danach gefragt, ob die Gruppe mit
dem von irgend jemanden ausgearbeiteten Programm einverstanden ist. Man verläßt sich darauf, daß die Mädel es
schon machen werden und läßt es dabei bewenden.
Eventuelle Einwände werden mit einem gönnerhaften Lächeln entgegengenommen und dann mit väterlich
besser wissenden Worten entkräftet.
Damit hat man bis heute nur erreicht, daß die Mädel oft schon mit sehr gemischten Gefühlen an die Feste
des Jahres denken. Wenn dann noch von Gestaltung gesprochen wird, steht im Hintergrunde der Gedanke an
endlose Proben und ewige Wiederholungen.
Die Feier selbst bringt dann nur noch die Erlösung von diversen Alpträumen von
Nichtklappenwerden und Vorstellungschmeißen.
Nachher aber hat man die Nase voll. Auch die tief gefühlten, aber sehr routiniert gesprochenen
Dankesworte und die üblichen warmen Händedrücke ändern nichts an der Tatsache, daß die Freude darüber, daß
es vorbei ist, größer ist als die Freude an der Feier selbst.
Dagegen haben wir uns mit alle Kraft zu wehren, denn es ist doch nun einmal so, daß unsere Gruppen nicht
allein dazu da sind, für andere den Rahmen abzugeben. Das gilt in verstärktem Maße dann, wenn das zu
Umrahmende unseren Ansichten zuwiderläuft.
Darum müssen wir auf alle Fälle zuerst den Versuch unternehmen, unsere Mädel zu echter Gestaltung zu
führen.
Das können wir auf folgende Art und Weise erreichen:
Zunächst müssen unsere Mädel um den Sinn unserer Feste wissen. Auf dieser Altersstufe genügt das
Ahnen und auch das Erfühlen nicht mehr. Wir müssen ihnen also dieses Wissen vermitteln, dazu etwas vom
Brauchtum erzählen und sie so zur Erkenntnis dessen führen, was sie tun sollen. Dabei muß man nicht
unbedingt Porzellan zerschlagen.
Dann werden wir die Vorbereitungen unserer Feste wirklich der Zeit anpassen.
Wir werden das langsame Aufsteigen der Wellen erleben. Die Zeit vor und nach dem Fest und seinem
Höhepunkt, der Feier, ist vielleicht ebenso wichtig wie diese selbst. Nur wenn sie langsam zum Höhepunkt
hinleitet und das Erlebnis ausklingen läßt, wird der Gipfel wirklich echt und tief empfunden werden.
Daran krankt zum großen Teil die heutige Gestaltung.
Man reißt irgendwelche Menschen aus dem Alltag sofort auf die höchsten Höhen oder versucht es
wenigstens, um sie dann mit einem Ruck wieder in die Tiefe fallen zu lassen.
Wer ist schon am ersten Vorweihnachtssonntag in der wirklichen Stimmung zu einer Weihnachtsfeier! Man
fängt trotzdem mit diesen Weihnachtsfeiern schon zu dem viel zu frühen Zeitpunkt an. So weit vor dem
eigentlichen Höhepunkt verpufft natürlich die Wirkung der schönsten und besten Feierstunde.
Und dann die unsinnige Häufung! Gerade zu Weihnachten zeigt es sich deutlich, jeder Verein angefangen
von der Vereinigung der Kleingärtner bis zum Karnickelzüchterverein fühlt die Verpflichtung, seinen
Mitgliedern eine Weihnachtsfeier zu gestalten. Wenn sie es bei den Mitgliedern bewenden ließen, möge es
noch angehen. Aber es muß ja vor allem für die Kinder etwas getan werden.
Und so brennt für manches Kind der Weihnachtsbaum vier-, fünf- ja sogar manchmal sechs- bis siebenmal.
Wen darf es da noch wundern, daß sie am Heiligen Abend, also an dem wirklichen Höhepunkt, die Nase gestrichen
voll haben?
Die anderen Feste interessieren Gott sei Dank nur sehr wenige Vereine:
Dafür zeigen sie uns deutlich, wohin wir mit unserer bisherigen Gestalterei gekommen sind, denn diese
Feste werden auch in der Familie nicht mehr gestaltet. Und das zeigt uns mit erschreckender Deutlichkeit,
daß die gestaltende Kraft der Familie verlorengegangen ist. Das aber heißt wiederum‚ daß die gestaltende
Kraft der Frauen verloren ging. Denn immer werden es die Frauen und Mütter sein, die in der Familie
gestalten müssen.
Leider kann man das heute auch kaum irgendwo anders lernen als in den Gruppen jener Jugendbewegung, die
den Wert der Gestaltungsarbeit erkannt haben. Wir rechnen uns dazu. Deshalb müssen wir die Möglichkeit
schaffen, unsere Mädel in die Zeit hineinwachsen zu lassen und sie zu deren Höhepunkten hinzuführen.
Das Heim bekommt nach und nach ein festliches Gesicht. Basteleien, Tisch- und Wandschmuck geben den
Rahmen. Lied, Wort und, wenn möglich, Musik bringen den Inhalt.
In vier gut gestalteten Kranzstunden führen wir die Mädel zum Weihnachtserlebnis.
Drei oder vier Frühlingsspaziergänge mit anschließenden Sing- und Bastelstunden führen uns zum
Ostergeschehen hin.
Der erlebte Sommeranfang bringt uns zur Sonnenwende,
die Erntehilfe zum Erntedankfest
und das Novembererlebnis zum Totengedenken.
Aus Freude über die Hochblüte tanzen wir um den Maibaum,
das Ahnen um die Schwere und Schönheit des Mutterseins läßt uns den Muttertag zu einem echten
Feiertag für die Mütter gestalten.
Und aus dem Erlebnis der Zeit vorher werden wir ohne große Schwierigkeiten die richtigen
Gestaltungsmittel finden.
Schlicht und einfach wird darum unsere Gestaltung sein.
Das Geschehen draußen ist ja auch schlicht bei aller Größe. Wir brauchen weder Propaganda noch
Publikum, weder tönende Reden noch mißtönende Blaskapellen. Wir brauchen weder riesige Säle noch riesige
Dekorationen. Wir geben unserem Heim mit unserer Hände Arbeit ein festliches Gesicht.
Wir singen, musizieren und sprechen das, was wir an Liedern Gedichten und Lesungen als für diese Stunde
geeignet ansehen.
Und wir lernen, einmal still zu sein und erst in uns und dann in die Runde zu horchen.
Aus der Zeit wachsen die Feste -- aus der Zeit wächst die Gestaltung.
Sie wird unerbittlich von der Zeit vorgeschrieben Und mag die Technik sich von Jahr zu Jahr
vervollkommnen -- kein Baum wächst deshalb schneller und keiner trägt deshalb früher Frucht, als bis er
reif dazu ist.
Wir wollen uns die Technik zunutze machen wo immer es möglich ist. Aber wir wollen darüber nicht
vergessen, daß wir immer ein Teilchen der lebendigen Natur bleiben, daß deren Gesetze auch durch die
raffinierteste Technik nicht aufgehoben werden können und auch für uns Gültigkeit haben. Wir müssen nur zu
diesen Gesetzen zurückfinden.
Aus den erkannten Gesetzen der Natur aus dem Wissen um die Höhepunkte des Jahres und ihre Wiederkehr
sind unsere Feste entstanden. Wenn wir sie wirklich begreifen wollen, müssen wir erst darum vom
Naturerlebnis her an sie und ihre Gestaltung herangehen.
Dann nur wird sie echt und damit schlicht und einfach werden.
Vielleicht können wir in unseren Gruppen diese Gestaltung wieder aufbauen.
Wir haben alle Voraussetzungen dazu. Und wir haben ein Ziel, um das es sich lohnt.
Unsere Mädel werden schon in absehbarer Zeit Frauen, die Frauen unserer Volksgruppe sein. Familien
werden sich um sie herum bilden. Heute mehr denn je liegt die Gestaltung des Familienlebens in den Händen
und Herzen der Frauen.
Wir wollen unseren Mädchen zeigen, wie man es macht und wie man es richtig macht.
Darum sollen sie nur mit eigenen Mitteln gestalten lernen, sollen lernen, wie man mit einfachsten
Mitteln zu großen Erlebnissen führen kann. Und sie sollen erkennen, daß das Herz sprechen muss, wenn Herzen
angesprochen werden sollen.
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