Fest und Feier mit Jungmädeln

Im Leben der Jungmädelgruppe nehmen die Feste und Feiern des Jahres, einen besonderen Raum ein. Sie sind mehr als in allen anderen Gruppen -- auch in denen der gleichaltrigen Jungen -- von der Grundhaltung des Jungmädels bestimmt. Diese Grundhaltung ist, -- auf die kürzeste Formel gebracht -- etwa so zu kennzeichnen: ein sehr stark gefühlsbestimmter Versuch, objektiv zu sein oder zu werden.
Das zeigt schon, daß sie mit ganz anderen Augen die Dinge betrachten, daß sie mit ganz anderen spezifischen Voraussetzungen an die Feste und Feiern -- natürlich auch an die anderen Dinge -- herangehen, bzw. heranzuführen sind.

Selbstverständlich glauben auch die Jungmädel nicht mehr an den Weihnachtsmann. Aber sie sind nicht besonders stolz auf dieses Aufgeklärtsein. Ein leises aus dem Gefühl herkommendes Bedauern überschattet den Stolz. Es gibt natürlich auch Mädel -- und sie sind gerade heute nicht mehr selten -- die sich mit derselben Selbstverständlichkeit wie Jungen mit ihrem neu erworbenen Wissen brüsten zu müssen glauben. Aber selbst diese fühlen sich meist nicht so ganz wohl dabei.
Für die Gestaltung für und mit Jungmädeln ist das von sehr wesentlicher Bedeutung. Es gibt uns vielerlei Möglichkeiten und stellt uns auch vor manche Aufgabe.

Zunächst einmal ist es wichtig, alle Feste und Feiern von langer Hand her vorzubereiten. Natürlich geschieht das nicht in der Form, daß man monatelang vorher probt und zerprobt. Es muß vielmehr so erfolgen, daß die Mädel Zeit haben, den Sinn aller Feste weniger verstandesgemäß zu erfassen, als vielmehr ganz zu erfühlen. Wir brauchen also eine lange Anlaufzeit.
Das bedeutet in der Praxis, daß wir mit der Vorbereitung eines Festes und seines Höhepunktes, der Feier ganz besondere Wege gehen müssen. Gelegenheit dazu finden wir vor jedem Fest. Keines steht unvermittelt vor uns. Jedes wächst aus dem Jahresablauf heraus. Darum ist es nicht allzuschwer, die gefühlsmäßigen Voraussetzungen zu schaffen.

Zwei Mädeleigenschaften helfen uns dabei.
Einmal haben die Mädel einen ausgeprägten Sinn für den Rhythmus des Lebens, zum anderen lebt der Wunsch in ihnen, jedem Geschehen seinen besonderen Rahmen zu geben.

Sie brauchen diesen Rahmen um ganz an die Dinge heranzukommen und unterscheiden sich damit sehr wesentlich von den Jungen.

Am Anfang aller Gestaltung mit Jungmädeln steht also weniger das sinnerklärende Wort als das sinnvermittelnde Tun. Wir gehen schon in einer irgendwie festlichen Stimmung durch die Zeit vor dem Fest. Wir suchen das Besondere aller Feste und schaffen es uns im Symbol um uns herum.
In den Werkstunden haben wir dazu die Gelegenheit. Viele Basteleien scheinen geradezu für Mädelhände und -herzen erdacht. Das Heim bekommt nach und nach ein festliches Gesicht. Je näher wir dem Höhepunkt kommen, desto deutlicher wird es.

Um nur ein praktisches Beispiel zu nennen:
Ostern beginnt mit den ersten Schneeglöckchen, die wir auf einem unserer Spaziergänge oder auf einer Wanderung entdecken. Das Erlebnis dieses winzigen Zeichens des wieder erwachenden Lebens gibt die erste Anregung zum Beginn der Ostergestaltung. Nun bleiben wir diesem kommenden Leben auf der Spur. Die Heimabende erzählen dabei davon. Wir singen die entsprechenden Lieder. Für keine andere Zeit gibt es soviel Mädellieder und nie klingt ein Frühlingslied so lebensgläubig, als wenn es von Jungmädelstimmen gesungen wird.
Später tauchen die ersten Zeugen des Frühlings im Heim auf.
Vorher haben wir uns Schalen gebastelt und haben Vasen mitgebracht, um sie entsprechend unterbringen zu können. Von diesem Zeitpunkt ab ist das Heim nie mehr ohne Blumen bis in den späten Herbst hinein. Denn die Blumen helfen uns. Sie spiegeln das Werden und Vergehen des Jahres wieder. Beinahe jeder Monat hat seine besonderen Blüten -- vom März angefangen bis in den Oktober hinein.

Dann hebt ein fröhliches Werken an.
Immer mehr österlicher Schmuck taucht auf. Der Geschmack der Führerin hat dafür zu sorgen, daß es trotzdem nie überladen wird. So macht jede Werkstunde das Heim festlicher. Die notwendigen Gestaltungsmittel also Lieder und Gedichte wachsen beinahe allein aus dem Tun heraus. Sie sind auch ohne Proben gekonnt, wenn es soweit ist, daß die Feier den letzten Höhepunkt bringt.

Am Ostermorgen -- und das muß nicht unbedingt der Ostermorgen sein -- gehen wir dann hinaus. Und in dieser Morgenstunde singen und sprechen wir von der ewigen, großen Auferstehung des Lebens. Dann wird sie erlebt -- nicht nur vom Verstande her; sondern auch mit jeder Gefühlsfaser.

Nun ist Ostern aber gerade ein Fest, das den Jungmädeln an sich sehr liegt.
Das ist nicht bei allen Festen so. Nur das Erntedankfest und Weihnachten lassen den Vergleich damit zu. Andere Feste, z.B. die Sonnenwenden liegen ihnen etwas ferner. Deshalb wollen wir sie dort nicht mit Gewalt in den Vordergrund schieben.
Die nächtliche Stunde am Feuer ist etwas, was den Jungen ganz packt, aber das Mädel oftmals irgendwie unbefriedigt läßt. Diese Feste brauchen eine noch gründlichere und tiefer gehende Vorbereitung. Vor allem aber sei gerade im Zusammenhang mit der Sonnenwende (Sommersonnenwende) eines gesagt:
Haltet die Jungmädel heraus aus dem Veranstaltungsrummel, der gerade um dieses Fest so gern herumgehängt wird. Versucht aber auf alle Fälle zu verhüten, daß man die Jungmädelgruppe dort als Statisterie aufbaut.

Noch etwas müssen wir berücksichtigen.
Mädel brauchen den gestalteten Raum, der dann zum mitgestaltenden wird, noch nötiger als die Jungen. Alles soll schön sein in einer schönen Stunde, nicht zuletzt auch sie selbst.
Während beispielsweise den Buben derselben Altersstufe das Gefühl für eine dem Fest angemessene Kleidung fast völlig mangelt, legen schon die zwölfjährigen Mädel großes Gewicht darauf. Darum liegen ihnen Feste in geschlossenen Räumen an sich näher. -- Das Osterfest ist hier die Ausnahme. Es erhält sein Gewicht durch das festliche Kleid der Natur.
Vielleicht ist es in diesem Zusammenhang notwendig, darauf hinzuweisen, daß auch die Natur zu jedem Fest ein besonderes Kleid trägt, und den Mädchen dies durch das Erlebnis zu beweisen, bevor wir sie zur Feier hinausführen.

Mädchen sind auch stimmungsgebundener, weil stimmungsempfänglicher als Jungen.
Darum ist es wichtig sie in festliche Stimmung zu bringen. Das hat mit Stimmungsmache gar nichts zu tun. Denn Mache ist -- das sagt ja schon das Wort -- unecht. Stimmung aber wächst echt aus den Umständen heraus.

Und noch eins ist wesentlich:
Jungmädel gestalten gern auch für andere. Sie wollen sie an ihrer Freude teilhaftig werden lassen. Sie haben das Bedürfnis nach einem Kreis der miterlebt. Sie selbst erleben dann stärker. Hierin liegt vielleicht der entscheidende Unterschied zum Jungen desselben Alters. Darum kann die Jungmädelgruppe zur Gestaltung für andere herangezogen werden. Auch hier selbstverständlich nicht nur dafür.
Aber wieviel Freude macht es den Mädchen, den Kleineren oder den Müttern, eine festliche Stunde zu bereiten. Und auch das wollen wir in unseren Gestaltungsplan einbeziehen.

Und nicht zuletzt wollen wir daran denken, daß ja aus unseren kleinen Mädchen einmal Frauen und Mütter werden. Dann wird es ihre Aufgabe sein, einem zwar meist kleinen, aber eng zusammen gehörenden Kreise seine Feste und Feiern zu gestalten.
Wir alle wissen wie sehr im Argen diese Dinge heute liegen. Wir können hier -- wenn auch wahrscheinlich nicht bei allen, so doch bei vielen -- dazu beitragen, den Änderungsprozeß auf diesen Gebieten einzuleiten.

Wenn auch diese Arbeit vorwiegend in den Gruppen der älteren Mädchen zu leisten ist, die Jungmädelgruppe kann eine sehr gute und sehr wichtige Vorarbeit dazu leisten. -- Das gibt der Fest- und Feiergestaltung in der Jungmädelgruppe ihre besondere Aufgabe.
Allein hier, wo die Mädel noch mehr oder weniger ungehemmt und sehr beeinflußbar sind, kann sie gelöst werden: Und gerade weil wir das erkannt haben, ist es unsere Pflicht, die Gestaltung unserer Feste und Feiern mit und für Jungmädel besonders ernst zu nehmen.



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