Fest und Feier in der Jungenschaft (14 - 19 Jahre)

Die Fest- und Feiergestaltung mit 14 - 19-jährigen Jungen wird von manchen Leuten -- und leider auch von vielen Gruppenführern -- als ein beinahe unlösbares Problem angesehen.
Man führt zur Begründung dieser -- nebenbei bemerkt falschen -- Ansicht allerhand Gründe ins Feld, von denen kaum einer stichhaltig bleibt, wenn man ihn näher betrachtet.
Sie seien über diese Dinge hinaus, so sagt man, sie wären überhaupt nicht zu packen, sie hätten kein Interesse daran -- das geht so fort bis zu dem schönen Schlusssatz: "Und außerdem können sie nicht singen!“

Alles das zeigt nur, dass die Gestaltung -- besser gesagt die allzuvielen Gestaltungsversuche -- nicht richtig oder doch zum größten Teil unrichtig waren.
Eines ist klar: kein Junge wird vor Begeisterung Purzelbäume schlagen, wenn er anläßlich der Weihnachtsfeier 10 - 15 Seiten Weihnachtsspiel auswendig lernen muss. Vielleicht legt man ihm das als mangelndes Interesse aus.
Kein Junge wird Freude daran haben wochenlang vorher auf vierstimmige Sätze gebimst zu werden. Vielleicht stammt daher die Abneigung der Jungen gegen das Singen.
Und kein Junge wird viel dahinter finden, stundenlang als Umrahmung auf einer Bühne zu stehen, nur weil andere Leute das Bedürfnis haben, eine Feier zu veranstalten.
Vielleicht ist er deshalb nicht allzu ergriffen von der ganzen Feierei und froh wenn es mal wieder vorbei ist.

Jeder echte Junge aber ist aufgeschlossen für das echte Erlebnis.
Und deshalb muss sich unsere Gestaltung im allgemeinen und die Fest- und Feiergestaltung im besonderen um das Erlebnis bemühen.

Vielleicht taucht in manchem jetzt die Frage auf, wie es zu einem Erlebnis kommt.
Diese Frage ist leicht zu beantworten. Tut das oben angeführte nicht -- und ihr kommt vielleicht schon zum Ziel.
Wenn ihr aber das Gegenteil davon tut, ist der Erfolg beinahe sicher.

Darum wollen wir langsam Schluss machen mit dieser Gestaltungsart.
Wir wollen einmal alles Tamtam und Trara als unnötig und sinnstörend abstreichen und unsere Feste vereinfachen.

Oft krankt Gestaltung an der Veranstaltung.
Man möchte am liebsten aus jeder Feier eine Kundgebung und aus jedem Fest eine Demonstration machen.
Das aber kann man nicht ohne der Feier -- und damit auch dem Fest -- seinen eigentlichen Höhepunkt zu nehmen.
Und dieser Höhepunkt ist die Stille die über der feiernden Gemeinschaft liegt, der Augenblick in dem sich jeder besinnt -- auf sich selber und auf das Geschehen rings um ihn und dessen Sinn.

Denn schließlich sind unsere Feste ja nicht wahllos in das Jahr hineingepfropft worden.
Sie wachsen aus dem Ablauf des Naturgeschehens heraus. Sie sind selbst Höhepunkte des Jahresringes und wollen als solche verstanden sein. Darum müssen wir wieder lernen, in das Jahr und seinen Rhythmus hineinzuhören.
Nur so werden wir den Grund zum Fest finden. Die Feier aber ist der Höhepunkt des Festes. Sie fasst das Geschehen in die Gestaltung -- also in Lied und Wort im gestalteten Raum.

Gestalteter Raum aber ist nicht gleichzusetzen dem dekorierten Saal.
Man kann den letzteren in den meisten Fällen mit wesentlich größerer Berechtigung als mißgestalteten Raum bezeichnen.
Sind wir draußen im Freien, haben wir den weitesten Raum -- die Erde unter uns und den Himmel über uns. Der gestaltete Raum ist der Kreis um das Feuer, das wir zu den meisten Feiern im Freien brauchen.
Auch bei Tag ist der Kreis oder Halbkreis unser gestalteter Raum. Er kann es aber genau so gut im Heim und im Saal sein.

Wichtig ist nur, dass er immer da ist als die beste und uns entsprechendste Form der Gemeinschaft.
Es ist aber keine Gemeinschaftsform und kein gestalteter Raum, wenn der eine Teil als Vorführer auf der Bühne steht und der andere als zum Horchen verurteilter Zuschauer im Saale sitzt.

In den Kreis hinein tragen wir Lied und Wort.
Wir lernen die Lieder nicht in eigenen Proben oder mit besonderen Hinweisen darauf, dass wir sie zu der und jener Gelegenheit brauchen. Sie wachsen als Selbstverständlichkeiten aus der Zeit. Wir lesen Gedichte und wählen uns die schönsten, wir suchen uns eine sehr gute Lesung, die in die Planung passt.
Und wenn wir eine Musikgruppe haben, wird auch die sich mit einschlägigen Werken beschäftigen.

Das alles geschieht vorher.
Und das alles hilft dazu uns auf den Höhepunkt einzustimmen.
Zur Feier selbst ist dann keine Probe mehr nötig. Es genügt wenn der Führer mit den Sprechern den Ablauf festlegt und jeder weiß, wann er seine Sache zu sagen hat. So nur ist der Eindruck ein erster und einmaliger.
Selbstverständlich ist, dass sich der Führer nicht nur gute sondern auch verlässliche Sprecher aussucht und dafür sorgt, dass die notwendigen äußeren Voraussetzungen ebenfalls gegeben sind.

Zu solchen Stunden brauchen wir keine Zuschauer.
Keiner soll im Ring stehen, von dem wir nicht wissen, dass er zu uns gehört.
Wir bleiben in der Gemeinschaft der Gruppe.
Wir gestalten nicht für andere, wir gestalten für uns.
Wir tönen nicht von einer Bühne herab, sondern wir sprechen und singen im Kreis.
Nur dann hat jeder das Bewusstsein, dass der andere neben ihm wirklich miterlebt -- ohne dass beide das Erlebnis in derselben Weise verarbeiten müssen.

Dazu gehört natürlich als eine sehr wesentliche, vielleicht sogar als die wesentlichste Voraussetzung, dass jeder auch um den Sinn und die Tiefe der Feste des Jahres weiß.
Jeder Führer muss sich dieses Wissen aneignen, und es seiner Gruppe vermitteln. Aus dem Wissen um den Sinn wird die sinnvolle Gestaltung wachsen.

Besonders prädestiniert für die Fest- und Feiergestaltung ist die gemischte Gruppe.
Sie vereinigt nämlich die Gestaltungskraft der Jungen mit der Gestaltungskunst der Mädchen.
Dazu kommt weiter, dass die Mittel zur Gestaltung größer, dass diese selbst also inhaltlich reicher werden kann. Allein die stimmlichen Voraussetzungen sind dazu angetan, eine Feier eindrucksvoller und schöner zu machen.
Um so größer aber ist auch die Gefahr, dass den äußeren Dingen zu großer Wert beigemessen wird. Und das geht immer auf Kosten der inneren Werte, die ja jede Feier vermitteln soll.
Darum wollen wir nicht über der Freude an Reichhaltigkeit auf den Inhalt vergessen.

Weiterhin erfordert die Arbeit viel Fingerspitzengefühl des Führers und der Führerin.
Besonders die erste gemeinsame Feier muss wohl ausgewogen sein und beide Teile gleichmäßig einsetzen.
Später wird sich dann, dem verschiedenen Charakter der Feste entsprechend, das Schwergewicht gelegentlich verlagern.
So wird z. B. Ostern den Mädeln die größere Aufgabe stellen, dafür werden bei der Sonnwendfeier die Jungen mehr zu Wort kommen.

Wichtig aber ist, dass jede Feier sowohl den Jungen als auch den Mädeln etwas zu geben imstande ist.

So ist die Fest- und Feiergestaltung eigentlich die Hohe Schule der Gestaltungsarbeit.
Wir wollen ihr darum die ihr gebührende Aufmerksamkeit schenken und nach und nach zu einer wirklich echten, unserer Art gemäßen Gestaltung kommen.



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