Fahrt und Lager in der Mädchengruppe

Fahrt und Lager müssen in unserer Erziehungsarbeit besonders im Sommer einen breiten Raum einnehmen, denn sie dienen nicht nur der körperlichen Ertüchtigung sondern auch der geistig - seelischen und charakterlichen Bildung.

Es gibt kaum eine Leibesübung, die nicht auf der Fahrt durchgeführt werden könnte. Wir laufen, springen über Gräben und Bäche, werfen mit Steinen um die Wette usw.. Das alles geschieht in frischer Luft und zu jeder Jahreszeit, und unser Betätigungsfeld ist dabei nicht an einen eng begrenzten, oft schmutzigen Sportplatz gebunden.

Die Natur mit ihren vielfältigen Erscheinungen schärft den Beobachtungssinn, die stillen Dörfer mit ihren andersartigen Lebensbedingungen weiten den Blick. Das Stadtmädel lernt im Verkehr mit den Menschen des flachen Landes das einfache und scheinbar einförmige, aber doch an die großen Naturgesetze gebundene Leben verstehen.

Darüber hinaus wird nicht nur der Wille gestählt, Anstrengungen zu ertragen, sondern das Mädel auch zur Gemeinschaft erzogen. Es lernt auf die Kameradin Rücksicht zu nehmen und ihr im Notfall hilfreich zur Seite zu stehen. Auf der Fahrt erst wird die Schar zur echten Gemeinschaft.


Die Aufgabe der Führerin

Eine größere Fahrt oder ein Lager müssen von langer Hand vorbereitet sein. Ihr habt nicht nur die äußeren Vorbedingungen: Quartiere, Verpflegung usw. sicherzustellen, sondern eure Mädel in den vorhergehenden Heimabenden darauf vorzubereiten. Zieht nicht mit solchen Leuten los, deren Leistungsvermögen ihr nicht kennt, seht sie euch auf Tages- oder Wochenendfahrten daraufhin an.
Mehr noch als im Heimabend müsst ihr auf Fahrt auf die Wahrung der Disziplin achten. Oft sind schon Unglücksfälle nur durch die Disziplinlosigkeit einzelner entstanden. Nehmt solche Mädel, die gerne eigene Wege gehen, lieber gar nicht mit. Lagerteilnehmerinnen, die die Lagerordnung nicht einhalten, schickt sofort nach Hause.
Euch selbst obliegt die Pflicht, alles das, was ihr von euren Mädeln verlangt, in erhöhtem Maße zu erfüllen. Ihr habt euer eigenes Ich vollständig zu vergessen und nur für die anderen da zu sein. Nur so werdet ihr euch die Achtung und das Vertrauen eurer Mädel erwerben, sodass sie sich euren Anordnungen willig unterwerfen.

Nicht nur die Führerin, auch jedes einzelne Mädel sollte eine Ahnung von erster Hilfe haben. In jedem größeren Ort führt das Rote Kreuz Kurse durch, deren Besuch ich euch dringend ans Herz lege.
Es muß unser Bestreben sein, dass jedes Mädel mit Karte und Kompass umgehen und sich auch ohne sie im Gelände orientieren kann.
Habt ihr euch schon einmal vergewissert, ob die Verkehrsregeln sitzen?
Wissen eure Mädel, was ein Naturschutzgesetz ist?
Alle diese Dinge könnt ihr schon in den Winterheimabenden besprechen.
Praktische Winke für die letzten Fragen enthält das Rechts - ABC für den Jugendleiter‚ Herman Luchterhand - Verlag, Neuwied /Rh. Ihr bekommt es auch über euer Jugendamt gratis.

Es empfiehlt sieh, eure Mädel gegen Unfall zu versichern. Die Jahresprämie beträgt 50 Pfennig. Auskünfte erteilt die Bundesgruppenführung der SdJ, Bad Kissingen, Heiligenhof.

Richtig und systematisch durchgeführte Fahrten sollen unseren Mädeln die Gastheimat planmäßig erschließen. In konzentrischen Kreisen sollen sie von der engeren Heimat zur weiteren hinführen und sich deshalb von der Tagesfahrt über die Wochenendfahrt zur Großfahrt steigern.
Fangt im Frühjahr mit 1 - 2 Tagesfahrten an und unternehmt dann alle 3 - 4 Wochen eine Wochenendfahrt, auf der sich die Mädel mit all den Dingen vertraut machen müssen, die für eine Großfahrt wichtig sind.


Die Tagesfahrt

Die Vorbereitung wird sich hier wohl auf den Hinweis auf sachgemäße Ausrüstung: feste Schuhe, Regenschutz, Brotbeutel (keine Taschen) beschränken.
Rennt mit den Mädeln nicht wie wild geworden durch das Gelände, sondern beschränkt eure Tagesleistung auf 30 km. Legt dazwischen 2 Pausen von 30 - 40 Minuten ein. Unterwegs muss die Schar ständig auf Rufweite zusammen bleiben.

Die Fahrt bietet eine gute Gelegenheit, die Mädel zur Naturbeobachtung anzuleiten.

Weist sie auf Bauwerke‚ Siedlungs- und Geländeformen hin.
Jetzt habt ihr auch Gelegenheit, das, was ihr im Heimabend mit ihnen über Karte und Kompass besprochen habt, praktisch zu erproben.
Ihr solltet die Mädel auch zum Naturgenuss hinführen. Aber nicht durch einen empfindsamen Wortschwall oder Ausrufe wie: "reizend, herrlich, wunderbar", sondern indem ihr sie an die Dinge einfach heranführt. Eine Blütenlandschaft in Frühling, der leuchtende Herbstwald oder eine besonnte Raureiflandschaft wirken auch ohne Worte. /p>

Sollen wir mit den Mädeln auf der Fahrt schwimmen? In Badeanstalten, wo ein Schwimmeister vorhanden ist, selbstverständlich. Irgendwo unterwegs in unbekannten Gewässern müsst ihr vorsichtig sein. Entweder geht ihr nur so weit ins Wasser, wie ihr stehen könnt oder ihr fragt erst Einheimische um Rat. Ihr selbst habt die Pflicht an Land zu bleiben und aufzupassen, dass keine ertrinkt. Ihr könnt euch natürlich auch mit guten Schwimmerinnen abwechseln.

Noch eines ist zu beachten.
Wir sind nicht allein auf weiter Flur. Auch andere, die nach uns kommen, wollen sich an der Schönheit der Natur erfreuen. Herumliegendes Papier, Eier- und Orangenschalen, leere Flaschen und Konservendosen sind für sie kein erhebender Anblick. Es ist auch keine Heldentat, Obst und Feldfrüchte zu klauen. Lauft nicht planlos über Wiesen und Äcker. Dass man die Tiere des Waldes nicht durch lautes Schreien aufstört, versteht sich am Rande. Blumen sind nicht dazu da, um möglichst schon am Beginn der Fahrt abgerupft und an deren Ende verwelkt weggeworfen zu werden.


Wochenendfahrt

Sie ist in ihrer allgemeinem Abwicklung eine Aneinanderreihung von Eintagsfahrten Allerdings ist eine sorgfältigere Vorbereitung erforderlich. Die Hauptsorge der Führerin muss der Sicherstellung der Übernachtung und Verpflegung gelten.

Wollt ihr in einer Jugendherberge übernachten, müsst ihr euch mindestens 4 Wochen, in der Hauptwanderzeit 2 - 3 Monate, vorher anmelden. Das ist natürlich sehr ungünstig, und es ergibt sich von selbst die Frage: Sollen wir nicht lieber doch zelten?

Was spricht dafür?
Einmal die Unabhängigkeit von jeder anderen Unterkunft. Zweitens bedeuten die Übernachtungen im Zelt, die Abende am flackerndem Lagerfeuer und andere romantische Gegebenheiten auch für die 17 und 18-jährigen Mädel noch unwiederbringliche Erlebnisse.

Was aber spricht dagegen?
Oft schlägt man die Zelte weitab von jeder menschlichen Behausung auf oder ist zu müde um den Boden noch mit einer genügend dichten Stroh- oder Reisigschicht abzudecken. Ist der Boden feucht und tritt dann noch die Nachtkühle hinzu, können sich die Mädel gesundheitliche Schäden für das ganze Leben holen. Das gilt nur für Fahrten. Bei einem längeren Zeltlager, bei dem die Zelte oft wochenlang an einem Platz stehen bleiben und der Boden gut austrocknen kann, liegen die Dinge anders.

Könnt oder wollt ihr aber das Zelten nicht vermeiden, dann müssen die Zelte ordnungsgemäß aufgestellt und abgedichtet werden. Das muss vorher gründlich geübt werden, ebenso das Anlegen einer Feuerstelle!! Überlegt euch schon vorher, was ihr kochen wollt. Die Gerichte müssen kräftig schmackhaft und schnell herzustellen sein. Ihr müsst auch ein Gefühl für die richtige Menge der Zutaten bekommen. Nur durch einige Übung wird das möglich sein.


Die Großfahrt

Sie ist in der Durchführung wiederum nur eine Aneinanderreihung von Wochenendfahrten. Für die Vorbereitung gilt das gleiche nur in erhöhtem Maße.

Bei Zeltwanderungen sind 2 oder 3 Jugendherbergsübernachtungen einzuschieben, schon damit den Mädeln die Gelegenheit gegeben wird, sich einmal gründlich zu waschen.
Nach 2 - 3 Wandertagen mit Tagesleistungen von 25 - 30 km ist ein Rasttag einzuschieben.
Die Teilnehmerzahl sollte 15 nicht übersteigen.

Die Großfahrt führt meist in Gegenden, die von der eigenen gelände-, siedlungs- und stammesmäßig etwas abweichen.
Es ist deshalb unerläßlich, dass ihr euch mit der Erdkunde, der Siedlungs- und Kulturgeschichte der betreffenden Landschaften vertraut macht und eure Mädel in den Heimabenden entsprechend vorbereitet. In besinnlichen Stunden am Abend könnt ihr dann diese Kenntnisse dadurch vertiefen, dass ihr an das Gesehene anknüpft.

In diesem Zusammenhang erhebt sich die Frage: Sollen wir Fahrten ins Ausland unternehmen?
Die Antwort muß lauten: nein, ehe wir nicht einen Großteil Deutschlands -- ich rechne dazu auch Österreich -- kennen gelernt haben.
Die Regel sollte sein Nur der darf ins Ausland fahren, der schon 2 Großfahrten in Deutschland mitgemacht hat. Mädel unter 17 kommen überhaupt nicht dafür in Frage. Man muss schon eine gewisse geistige Reife erreicht haben, um die Fülle des Fremden, das einem im Ausland überfällt, einigermaßen verdauen zu können. Ich würde euch empfehlen, nur zusammen mit Jungen ins Ausland zu fahren.
Wollt ihr es aber unbedingt allein riskieren, dann ohne Zelte.

Als goldene Regel ist weiter der Satz zu beherzigen: Benimm dich so unauffällig wie möglich. Benimm dich der Landessitte entsprechend, äußere dich nicht abfällig über Sitten und Gebräuche, die du nicht verstehst und Zustände, die dir “unkultiviert” erscheinen.

Noch ein Wort zum Thema Trampen. Wir sollten es lieber lassen, da wir nicht zu den modernen Landstreichern gehören, die an jeder Straßenecke stehen. Auch die berühmten Autobus-gesellschaftsfahrten gehören nicht in das Gebiet Fahrt und Lager.
Verkehrsmittel sollten bei allen unseren Fahrten sowenig als möglich benutzt werden. Sie dienen nur als Transportmittel, die uns an Ort und Stelle bringen.
Auch das Fahrrad gehört dazu (mit Ausnahme der Radgroßfahrt, aber auch da sollte man einige Fußwanderungen dazwischen schalten). Nur auf Fußwanderungen können wir unser Ziel erreichen, unseren Mädeln den Zugang zu den Werten der unverfälschten, ursprünglichen Natur zu öffnen.


Das Lager

Ein schlecht organisiertes Lager kann all unsere Erziehungsarbeit über den Haufen werfen und ist das beste Mittel, unsere Mitglieder loszuwerden.
Die Vorbereitungen müssen daher aufs sorgfältigste getroffen werden, besonders wenn es sich um ein Zeltlager handelt.

Folgende Punkte sind dabei unbedingt zu beachten:

  1. Der Lagerplatz ist sorgfältig auszuwählen.
    Er muss Schutz vor Wetter und Wind bieten und möglichst in der Nähe von Wasser und Holz und abseits vom Verkehr liegen.
  2. Für ordnungsgemäß angelegte Waschstellen und Aborte ist Sorge zu tragen.
  3. Die Feuerstelle ist sorgfältig anzulegen und möglichst aus Steinen zu errichten.
  4. Der Zeltboden ist mit einer dicken Strohschicht abzudecken.
  5. Für unbedingte Ordnung in den Zelten und auf dem Lagerplatz ist zu sorgen.

Wird das Lager in einer Jugendherberge abgehalten, ist folgendes zu beachten:

  1. Rechtzeitige Anmeldung (siehe oben) mit Angabe der genauen Teilnehmerzahl und Dauer des Lagers.
  2. Unbedingte Einhaltung der Termine.
  3. Vorherige Festlegung des Tagessatzes, damit ihr den genauen Lagerbeitrag der einzelnen Teilnehmerinnen festlegen und vorher kassieren könnt.
  4. Genaue Einhaltung der Jugendherbergsordnung.

Ein Lager ist keine Sommerfrische.
Für ausreichende Beschäftigung muss deshalb gesorgt werden, per Dienstplan, der auch Ausweichmöglichkeiten für schlechtes Wetter enthalten muss, ist schon vor Beginn des Lagers festzulegen.
Zwei Stunden Freizeit täglich sind aber nötig. Ein Großteil der Lagerteilnehmer sollte nach dem Mittagessen liegen; im Lager hat dann vollkommene Ruhe zu herrschen.
Bei einem größeren Lager empfiehlt es sich, Zeltälteste einzusetzen, die für die pünktliche Einhaltung des Tagesplanes verantwortlich sind.

Das alles hört sich fast militärisch an, aber eine streng eingehaltene Lagerordnung ist notwendig um nicht aus dem Lager das werden zu lassen, was man gemeinhin einen Sauhaufen nennt.
Nur so kann es aber auch seine erzieherische Aufgabe erfüllen: Die Mädel hinzuführen zur Gemeinschaft des Lagers, die nur eine Vorstufe ist zur Gemeinschaft des Volkes und Staates.



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