Heimatpolitik in der Jungenschaft I
(10 bis 14 Jahre)

Die heimatpolitische Arbeit ist ein spezifischer Teil unserer Arbeit in der sudetendeutschen Jugend. Damit unterscheiden wir uns von allen anderen Jugendorganisationen.
Wir haben auf diesem Gebiete eine sehr wichtige und bedeutsame Aufgabe zu erfüllen. Dies ist nicht leicht. Aus diesem Grunde müssen wir so früh als nur irgend möglich beginnen. Schon in der Kindergruppe wird der Grund gelegt.
Da wir aber heute noch lange nicht soweit sind, daß alle unsere Jungen schon in einer Kindergruppe waren, werden wir auch in den Jungengruppen oft ganz von vorne anfangen müssen.

Es hat dabei nur wenig Sinn, große Worte von Heimat, Heimaterlebnis und Heimatbewußtsein in die Gegend zu tönen. Worte sind schal, wenn nicht in den Jungen das Gefühl geweckt wird, daß sie einen echten Inhalt haben.

Diesen Inhalt hat das Wort Heimat für die Zehnjährigen wohl, es hat ihn aber nicht in dem Sinne, daß Heimat gleich Sudetenland zu setzen wäre. Wir wollen uns darüber keiner Täuschung hingeben.
Heimat umfaßt für den Jungen seinen jetzigen Wohnort, darüber hinaus dessen Umgebung und vielleicht noch den Kreis. Bei den Zwölfjährigen kommt dann die weitere Umgebung bis ungefähr zum Regierungsbezirk dazu. Bis zu dem Begriff Sudetenland ist also noch ein weiter Weg.
Wir müssen den Mut haben, diesen Weg zu gehen, und dem Worte Heimat den Inhalt Sudetenland mitzuschaffen.

Kommt der Junge aus der Kindergruppe, liegt der erste Teil dieses Weges bereits hinter ihm. Er hat dann schon eine ganz persönliche Beziehung zu dem Begriff Sudetenland. Den andern müssen wir diese Beziehung zunächst schaffen.
Wir lassen die Buben erzählen, wo ihre Eltern hergekommen sind, was die Eltern unter Zu Hause verstehen und wie es dort ausgesehen hat. Wir gehen damit den selben Weg, den auch die Kindergruppe geht. Über die Eltern schaffen wir die Verbindung am schnellsten und wohl auch am sichersten.
Die heute Vierzehnjährigen haben meist noch eine mehr oder weniger deutliche Vorstellung von der alten Heimat. Aber auch bei ihnen ist der Begriff Sudetenland überschattet durch das Erlebnis der Austreibung. Hier gilt es, diese Schatten, wenn auch nicht zu beseitigen, so doch zu durchbrechen, um die darunterliegenden Erinnerungen an freundlichere Tage wach werden zu lassen.

Wenn wir so eine einigermaßen haltbare persönliche Beziehung geschaffen haben, gehen wir an den nächsten Schritt. Der soll das Gefühl wecken, dort -- also im Sudetenland -- irgendwie eine Aufgabe zu haben.

Wir erreichen das, wenn wir den Jungen die Geschichte der Heimat seiner Väter vor Augen führen.
Geschichte aber nicht im herkömmlichen, mehr oder weniger wissenschaftlichen Sinn, sondern Geschichte in Geschichten.

Wir beginnen am besten mit der Sage.
Jede oder doch fast jede Landschaft des Sudetenlandes hat ihre ganz besonderen Sagen. Sie lassen manchen Schluß auf die Landschaft an sich und ihre Geschichte zu.
Darüber hinaus aber gibt es viele Sagen, die für mehrere oder gar für alle Landschaften Gültigkeit haben.
Und zum dritten gibt es auch einige, die nicht nur im Sudetenland sondern auch in Deutschland erzählt werden. Die Unterschiede sind oft gar nicht sehr groß.

Wir müssen uns unbedingt die Mühe nehmen, zwischendurch auch solche Sagen aufzuspüren und sie dann zu erzählen.
Damit geben wir einmal unseren sudetendeutschen Jungen einen wichtigen Hinweis auf die uralte Verbundenheit mit Deutschland, zum zweiten den einheimischen Jungen der Gruppe festen Boden unter die Füße und wecken auch in denen das Gefühl, daß wir und sie gar nicht so sehr verschieden sein können und daß es vielleicht einmal eine gemeinsame Aufgabe für diese und jene geben kann.
Dazu genügt es natürlich nicht, eine Sage zu erzählen. Es gehört dazu schon eine kleine Besprechung, in der man die Jungen darauf hinführt.
Und zum dritten ist das Sagengut ein nicht vom der Hand zu weisendes Hilfsmittel für die Bestimmung des Ursprungslandes mancher Volksgruppe.

Später gehen wir dann zu Geschichten über.
Diese müssen voller Handlung und möglichst spannend sein, wenn sie die Jungen ansprechen wollen. Sehr breite Schilderungen, seien es nun Naturbeschreibungen oder Schilderungen anderer Objekte, sind nicht besonders für die Jungengruppe geeignet. Auch dann nicht, wenn sie in einer einmalig schönen Sprache geschrieben sein sollten.

Dabei wollen wir Geschichten auswählen, die sich möglichst eng an die historischen Tatsachen halten.
Es gibt in unserer Literatur auch etwas, das man Heroisches Geschwätz nennen könnte: Diese Art wollen wir nicht erst in die Gruppe hineinnehmen.
Klar ist, daß wir nicht nur solche Geschichten lesen werden, die das Bild des Sudetenlandes in den hellsten und schönsten Farben zeichnen. Es soll nicht der Eindruck entstehen, es sei dort das Land, in dem Milch und Honig fließt. Wir wollen aber auch nicht nur grau in grau malen, mit anderen Worten, wir wollen alle Extreme meiden.

Auch die Ballade hat hier ihren Platz. Beinahe jeder Junge spricht auf sie an.
Die in die kürzeste Form gedrängte Handlung imponiert ihnen mächtig. Wir erreichen dabei ganz nebenher, daß unsere Jungen auf den Weg zu gutem Schrifttum gebracht werden.
Auch hier ist eine sorgfältige Auswahl vorzunehmen. Auswahl in der Hinsicht, daß wir vor allem als erstes Balladen lesen, die voller Handlung und Spannung sind. Im allgemeinen lehnen Jungen Gedichte ab, weil sie ihnen zu langweilig sind.
Wir können ihnen mit guten Balladen das Gegenteil beweisen.

Die meisten Parallelen zur Böhmischen Geschichte ergeben sich aus der deutschen Stammesgeschichte.
Darum werden wir nicht darum herumkommen, auch ein bißchen deutsche Geschichte zu betreiben, auch hier natürlich wieder als Geschichte in Geschichten.
Allein die Erkenntnis; daß ein großer Zeitraum der Deutschen Geschichte auch Böhmische Geschichte ist, vermag manchen zum Denken zu bringen: Und das sollen sie ja lernen.

Im Mittelpunkt unserer heimatpolitischen Arbeit aber muß immer wieder das Aufzeigen der im Sudetenland vollbrachten Leistungen stehen. Leistungen eifern die Jungen an. Aus dem Wissen um sie erwächst vielleicht am schnellstem das Wissen um die Verpflichtung dort einmal auch selber etwas leisten zu sollen und damit das Wissen um die Aufgabe.

Das Bild der Heimat können wir unserem Jungen auf zwei Arten nahe bringen.
Der eine Weg ist der über Bilderbücher, Bildkalender, Fotos oder andere Bilder.
Der andre ergibt sich auf den Fahrten. Immer wieder werden sich aus dem Bild der durchwanderten Landschaften Vergleiche anbieten. So bekommen die Jungen eine einigermaßen wirklichkeitsgetreue, echte Anschauung von dem Land ihrer Väter. Die ist sehr wichtig und deshalb wollen wir an keiner Vergleichsmöglichkeit vorbeigehen.
Besser als wir selber werden es die Gruppen aus jenen Gegenden wissen. Darum müssen wir auf unseren Fahrten mit ihnen Verbindung aufnehmen.

Vor einem aber ist zu warnen.
Stellt euch bitte nicht hin und fangt die Heimatkunde so an: „Hier ist gar nicht eure Heimat -- eure Heimat ist das Sudetenland!“
Denkt daran, daß der Junge oft einen ganz anderen Heimatbegriff hat als ihr.
Zerstört nicht gewachsene Bindungen, ehe ihr etwas anderes an deren Stelle setzen könnt. Selbst wenn wir das könnten, wäre es noch eine Frage, ob man Bestehendes zerstören soll.
Gerade heute in unserer an Bindungen so armem Zeit müssen wir uns doppelt hüten, etwas zu zerschlagen. Denn die Bindung an die jetzige Heimat ist eine aus vielen Erlebnissen gewachsene.
Wir haben einmal davon geträumt, unser Heimaterlebnis weitergeben zu können. Wir mußten aber inzwischen einsehen, daß das gar nicht möglich ist.
Deshalb nichts zerstören, sondern Bestehendes bestehen lassen und das andere darüberbauen. So ist wenigstens ein fester Grund da.

Das Wort von der geistigen Heimat -- das heute leider, leider in vielen Fällen schon zum Schlagwort geworden ist -- hat natürlich seine Berechtigung. In der Jungengruppe aber können wir damit noch sehr wenig anfangen.
Geistige Heimat setzt einen gewissen geistigen Entwicklungsstand voraus. Ein Zehnjähriger hat den noch nicht erreicht -- auch der Vierzehnjährige hat ihn nicht. Sie sind dafür ganz einfach zu jung.
Ein fester Grund, in dem die Jungen echt wurzeln können, ist die Voraussetzung für jede Aufbauarbeit. Mit Leuten, die diesen festen Grund verloren haben -- also sozusagen schweben -- läßt sich nur sehr schwer etwas anfangen, weil ihnen oft der Blick für die realen Gegebenheiten fehlt.
Denkt daran, daß ihr als Führer besonders fest wurzeln müßt. Die Jungen haben ein feines Gefühl für die Unsicherheit. Sie glauben euch nichts, wenn sie nicht merken, daß ihr euer selbst und eurer Sache absolut sicher seid.

Das Ziel unserer Arbeit auf diesem Gebiet und dieser Altersstufe ist, in dem Jungen den Gedanken zu wecken, daß er in dem Land, in dem seine Ahnen soviel geleistet haben, ebenfalls eine Aufgabe zu erfüllen hat.
Wenn wir das erreichen, können wir zufrieden sein. Dann haben wir nämlich den Grund für den weiteren Aufbau in den höheren Altersstufen gelegt.



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