Die DJO im Umfeld der Vertriebenenverbände

In seinem Nachlass hat uns Sepp Großschmidt Aufzeichnungen über die Deutsche Jugend des Ostens hinterlassen.

Als einer der Gründerväter der SdJ wurde er 1951 als Beobachter der SdJ zur Gründungsversammlung der DJO auf den Ludwigstein gesandt.
Seiner Fürsprache war es damals zu verdanken, dass die zuerst ablehnende SdJ ein halbes Jahr nach der Gründung der DJO ebenfalls diesem Verband beitrat.

Ohne in beiden Jugendverbänden eine Funktion zu bekleiden, machte sich Sepp Großschmidt in vorliegender Studie Gedanken über die Probleme, die bei der Gründung und in den folgenden Jahren zu bewältigen waren.


DIE DEUTSCHE JUGEND DES OSTENS
Eine Studie von Sepp Großschmidt

Teil I

Was jetzt hier gesagt wird, ist weder eine wissenschaftliche Abhandlung, noch erhebt sie den Anspruch als authentischer Tatsachenbericht gewertet zu werden. Es ist vielmehr die Plauderei eines Miterlebenden, dem einiges Merkwürdige im Laufe der Jahre aufgefallen ist und ihm Anlass zum Nachdenken gab.

Wer waren denn die paar Männer und die eine Frau, die sich am Ludwigstein einige Jahre nach dem Zusammenbruch und der Vertreibung trafen und nach kurzen Vorverhandlungen am Vorabend kurzerhand -- sozusagen im Schnellverfahren -- den Verband der aus der Heimat vertriebenen Jugend unter den Namen Deutsche Jugend des Ostens ins Leben riefen, und sich so -- wie es sich erweisen sollte -- einen völlig selbstständigen, unabhängigen Verband schufen, der in seiner dynamischen Entwicklung wesentliche Wandlungen in seiner Gestalt im Personenkreis seiner Führung, in der Struktur und Zusammensetzung seiner Gliederungen unterworfen war und doch seine große Linie bewahrt hat?

Heutzutage, da man nur mehr den Bund der Vertriebenen als den einzigen Gesamtvertreter der Vertriebenenorganisationen kennt, hat man meist bereits vergessen, wie das erste Jahrzehnt nach der Vertreibung erfüllt war von dem Gegensatze der beiden im Grundsatz bzw. in der Grundauffassung verschiedenen Verbände: dem Zentralverband der Vertriebenen und dem Verband ostdeutscher Landsmannschaften, die sich in einem Machtkampf rivalisierend gegenüberstanden. Ersterer ZVD genannt, sammelte alle Vertriebenen, einerlei ihrer heimatlichen Herkunft und Volksgruppenzugehörigkeit und war bestrebt in erster Linie die materiellen Forderungen der Vertriebenen zu vertreten und dementsprechende Gesetze (wie den Lastenausgleich) zu erreichen. Demgegenüber sprachen die ostdeutschen Landsmannschaften ihre Landsleute an. Man war sich dessen bewusst, dass nur eine organisierte vertriebene Volksgruppe existent ist und berechtigt, die Forderung auf Rückgabe der geraubten Heimat zu stellen.

Bei beiden Verbänden spielten die Sudetendeutschen eine gewichtige Rolle. Durch den politischen Kampf -- völlig auf sich selbst gestellt -- in der Tschechoslowakei geschult und gereift, war es im Wesentlichen nach 10 Jahren dieselbe Generation, die vor die Vertriebenensituation gestellt war. So waren sie in beiden Verbänden, die Vertreter gesamtdeutschen Denkens, wie sie in Kürze in Bayern und von Bayern aus die erste durchorganisierte Landsmannschaft auf die Beine stellten.

Erst nach 1949 gestattete die Entstehung der Bundesrepublik aus den Besatzungszonen den Beginn einer Organisation, der nur zögernd von den Besatzungsmächten gewährt wurde. Während der folgenden 5 Jahre spielte sich in einer ungeheuren Dynamik die Entwicklung und die Auseinandersetzung beider Verbände ab -- was nachher geschah, verlor seine innere Antriebskraft durch die Auswirkungen des Wirtschaftswunders -- die Vertriebenengesetze waren geschaffen und wurden wirksam, die Arbeitsfähigen hatten ihren Platz und ihre Einordnung in das soziale Leben gefunden und die schulentlassene lehrstellenlose Jugend (in Bayern 1951 noch um die hunderttausend) fand ihre Lehrstellen. Die äußere Not der Vertriebenen war gebannt, geblieben ist eigentlich nur die Heimatverbundenheit einer älteren Generation. Noch blühen die Heimattreffen und die Landsmannschaftsbundestreffen führen einmal im Jahre, die heute meist gut situierten Landsleute zu einem Wiedersehen, das immerhin den Bestand einer Volksgruppe eindeutig nachzuweisen vermag.

Man kann sich von der Tatsache nicht verschließen, daß die Reihen der Alten immer lichter werden. Die erste Garnitur der führenden Spitzen ist nahezu restlos abgetreten, ist gestorben oder hat sich zurückgezogen. Man steht vor einer völlig veränderten Lage, weltpolitisch wie auch volkspolitisch. Das Vertriebensein liegt in dieser raschlebigen Zeit schon lang zurück. Das Verlangen nach einer Wiedervereinigung ist in den Vordergrund gerückt. Es geht schon längst nicht mehr ernsthaft um die Rückgewinnung früherer Positionen. Die Forderung nach den Austreibungsgebieten hat zwar noch irgendwie Gewicht, aber den heute gegebenen Tatbeständen keinerlei Aussicht. Jegliche Hoffnung kann nur bei einer umwälzenden Änderung der mitteleuropäischen Gesamtlage liegen. Entwicklungen, die in der Zukunft liegen. Die Landsmannschaften von heute mag nur bei einer Wendung nach innen retten. Diese Betrachtung sollte vorausgeschickt werden, bevor ich mich der Schilderung des Schicksals der Jugend zuwende: dem Weg der Deutschen Jugend des Ostens.

Es sind nicht immer Ruhmesblätter, die da zu pflücken sind, keine reine Heldensaga, Legenden umwunden, die alles in rosarotem Licht erglänzen lässt. Es ist vielmehr der Weg einer frühgereiften aussichtslosen jungen Generation. Oder vielmehr eines kleinen Häufleins aus ihr, die den Mut aufbrachte, sich der Zeit, unbekümmert ihrer bedrohten Existenz, zu stellen. Heute klingt das alles so leicht, ja man scheut sich nicht diesen damals ganz jungen Menschen heute den Vorwurf zu machen, dass sie ja nichts gelernt haben und das nicht geworden seien, womit man den gesicherten Posten im Wirtschaftswunder meint.


Teil II

Offizielle Statistiken der fünfziger Jahre führten die DJO unter der Gruppe der Gewerkschaftlichen Jugend und unter diesem Gesichtswinkel hat man sie auch in der Öffentlichkeit betrachtet und eingeschätzt. Und das hätte auch gestimmt, wenn es bei der geblieben wäre, die vom Zentralverband der Vertriebenen (ZvD) als Jugendorganisation gegründet worden war. Denn der ZvD muß dem Charakter seiner Organisationsform nach als die Gewerkschaft der sozial und wirtschaftlich Geschädigten durch den Krieg und die Vertreibung angesehen werden. Dieser mit Gewerkschaftsmethoden aufgezogene Verband gliederte sich anfänglich nur nach den Aufnahmegebieten in den drei westlichen Besatzungszonen und wurde von unten herauf -- wie die Erlaubnis der Besatzungsmächte es zuließ -- mit hauptamtlichen Kräften durchorganisiert. Dabei ist festzuhalten, daß der Vertriebene -- einerlei woher -- als Geschädigter angesprochen wurde. In konsequenter Weise lag der Gedanke an eine eigene politische Partei nahe, die dann auch als BHE (Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten) sich den ersten Landtagswahlen in der Bundesrepublik stellten.

Lediglich im Lande Bayern entwickelten sich die Verhältnisse etwas anders. Dort konnte der ZvD anfänglich nicht Fuß fassen. Dort waren von den damals 2,1 Millionen Vertriebenen etwa 1,2 Millionen Sudetendeutsche. Und diese hatten sich von Anbeginn anders organisiert. Nicht als Gewerkschaft der Vertriebenen, sondern als Gestalt der Volksgruppe in der Vertreibung. Das starke -- durch die Vergangenheit bedingte -- Volksgruppenbewußtsein stand dabei im Vordergrund, das Schicksal der Volksgruppe gegenüber dem Einzelschicksal. 1948 erhielt die erste Kreisgruppe der Sudetendeutschen Landsmannschaft die Bewilligung zur Gründung, 1949 entstand der Landesverband Bayern und 1950 konnte bereits der Bundesverband in Detmold beschlossen werden. Gleichzeitig hatte sich auch in Österreich eine Sudetendeutsche Landsmannschaft gebildet. Grundsätzlich ist die SL bemüht, die Landsleute als Personalverband zu erfassen -- einerlei wo derzeit diese wohnen --, das Volksgruppenbewußtsein zu bewahren und die politischen Rechte der Volksgruppe zu vertreten.

Daß es gerade die Sudetendeutschen waren, die als erste den landsmannschaftlichen Gedanken verwirklichten, ist nicht verwunderlich. Denn während des zwanzigjährigen Existenzkampfes als politische Minderheit in der Tschechoslowakei waren sie zu einem Volksgruppenbewußtsein herangereift, das in der Sudetendeutschen Partei sowie in den Volksgruppenorganisationen (wirtschaftliche und kulturelle Schutzverbände) Gestalt gewonnen hatte.

Dem sudetendeutschen Beispiel folgend hatten sich für die anderen vertriebenen deutschen Volksgruppen gleichfalls Landsmannschaften gebildet, die sich in Hamburg zum Verband ostdeutscher Landsmannschaften (VoL) zusammenschlossen. Die weittragende Bedeutung dieses Schrittes in der deutschen Volksentwicklung ist bis heute kaum erkannt. Auch nicht von den meisten der Sprecher dieser Landsmannschaften, was wiederum mit der Tatsache zusammenhängt, daß diese Sprecher Angehörige einer vornationalsozialistischen Generation waren, in ihrer preußisch - österreichisch - russischen politischen Vergangenheit verhaftet.

Nach dieser Darstellung liegt wohl der Wesensunterschied zwischen ZvD und VoL klar zu Tage. Während der ZvD von der innerstaatlichen Lage der Vertriebenen ausgeht und die soziale und wirtschaftliche Eingliederung herbeiführen will (dem entspricht die Erklärung des damaligen Vertriebenenministers Dr. Dr. Oberländer, daß es Aufgabe seines Ministeriums sei, sobald als möglich überflüssig zu werden und zu verschwinden) also eine rein innenpolitische Forderung vertritt, sieht es mit der Aufgabe der VoL völlig anders aus. Die Landsmannschaften erkennen sich selbst als einen aus der Vergangenheit schicksalhaft verbundenen Personalverband -- der Volksgruppe --, die in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine Teilaufgabe im Zusammenleben des deutschen Volkes mit den anderen Völkern Mitteleuropas zu erfüllen hat. Ihr Aufgabenbereich geht weit über die Grenzen des Staates (der Bundesrepublik) hinaus -- er ist gesamtdeutscher Natur. Damit ist es schon gesagt: Seine Forderungen sind nicht nur innenpolitischer Natur, sondern auch außenpolitischer Art. Leider hat die Entwicklung nicht erkennen lassen, daß die verantwortlichen landsmannschaftlichen Führer diesen ihren Aufgabenkreis richtig erkannt und zielbewußt vorgegangen wären.

Beide Aufgabenbereiche -- die des ZvD und der VoL -- finden ihre Lösungen nicht in einer reaktionären Wiederherstellung früherer Zustände, sondern in einer Neugestaltung der staatlichen Ordnung. So ergab sich in der geschichtlichen Entwicklung beider Verbände, daß der ZvD unter dem Konkurrenzdruck der VoL (Erfassung der Lastenausgleichsunterlagen) sich zum Bund der Vertriebenen (BdV) umbenannte und von da an auch kulturelle landsmannschaftliche Aufgaben in seine Tätigkeit mit einbezog. War die Erarbeitung und Annahme das Lastenausgleichsgesetz in hervorragender Weise sein Verdienst, so waren es die Heimatgliederungen der Landsmannschaften, die mit ihren Gemeindebetreuern die Unterlagen für eine Durchführung schufen.

Die langjährigen Bemühungen um eine Koordination beider Verbände scheiterte stets an der Frage der Finanzhoheit und fand erst eine Lösung nachdem der BdV mit Erfüllung des Lastenausgleichs seine Bedeutung und seine Mitglieder verlor. Dann erst bequemte man sich -- unter dem Druck der jungen Generation -- zu einem Zusammenschluß, der nur verhängnisvoll bezeichnet werden muß. Mit der Übernahme des Namens Bund der Vertriebenen (BdV) verewigte man die Bezeichnung Vertriebene -- während gesellschaftlich der Vertriebenenstand durch die Eingliederung überwunden war -- und belastete den Aufgabenbereich der Landsmannschaften mit ihm, dabei die eigentliche Forderung -- die weiterhin aufrecht bleibt -- nach Anerkennung als vertriebene Volksgruppen verdeckend.

Bei der VoL spielten die Baltendeutschen mit ihren Erfahrungen als ehemalige führende Oberschicht im kaiserlichen Rußland eine maßgebliche Rolle. Mit Herrn Dr. Adolphi besetzten sie auch das Kulturreferat, das aber durch die Gründung des Ostdeutschen Kulturrates mit den vier Kulturwerken (Nordostdeutsches Kulturwerk, Kulturwerk Schlesien, Adalbert Stifter Verein und Südostdeutsches Kulturwerk), die unabhängig von den Landsmannschaften staatlich subventioniert wurden, in der Bedeutung verloren hat.

Schwierigkeiten traten bald bei der Handhabung demokratischer Spielregeln auf, als man mit Hilfe der kleinen Landsmannschaften die beiden großen (Sudetendeutsche L. und Landsmannschaft Schlesien) überstimmte. Die beiden Landsmannschaften traten aus der VoL aus und nur den Bemühungen jüngerer Kräfte gelang es eine Einigung zu erzielen und die Sprecher beider Landsmannschaften zur Rückkehr zu bewegen. Aus der VoL wurde der VdL (Verband deutscher Landsmannschaften) -- man wollte nicht mehr nur auf die ostdeutschen Landsmannschaften sich beschränken und gab dem neuen Verband eine neue Geschäftsordnung, die eine Überstimmung einer Landsmannschaft, auch der kleinsten, in eigener Angelegenheit unmöglich machte. Damit hatte der VdL jene demokratische Form gefunden, mit der allein ein Zusammenleben bei Wahren der Selbstbestimmung und kulturellen Selbstverwaltung gewährleistet erschien.

Mit dem Zusammenschluß hat der VdL seine Selbständigkeit gegenüber dem nominell als BdV weitergeführten BvD verloren. Weder ihre innenpolitischen Forderungen wie z.B. die politische Anerkennung als Vertriebene Volksgruppen durch Gesetz -- etwa als Körperschaft öffentlichen Rechtes -- noch ihre Außenpolitischen Aufgaben als Mittler zu den jeweiligen nichtdeutschen Volkspartnern, wurden als solche gesehen. Vielmehr verlor man sich an die -- an sich reaktionäre -- Wiederherstellung früherer staatlicher Zustände, der Zurückgabe der verlorengegangenen Heimatgebiete und einer Wiedergutmachung der materiellen Verluste, als außenpolitisches Ziel, wobei sie immer mehr in eine Ghettostellung abgedrängt wurden.

Weder die Staatsformen und Ordnungen vor 1945 -- wie die Nationalstaatsideologien eines Hitler oder Benesch (um nur zwei zu nennen) sie anstrebten, vermochten einer mitteleuropäischen Ordnung dienlich sein. Was Mitteleuropa oder ganz Europa braucht, ist eine auf Selbstbestimmung und kulturelle Selbstverwaltung der beteiligten Völker aufgebaute Staatsordnung, von der wir heute zwar noch recht weit entfernt sind, aber wozu die Landsmannschaften äußerst positive ideelle und auch reale Vorleistungen zu geben vermögen.

In dieser Sicht sind die mitgebrachten Erfahrungen der Volksgruppen, besonders der sudetendeutschen, äußerst wertvoll und könnten sofort innerhalb der Bundesrepublik Anwendung finden. Leider aber haben sich die Kräfte einer jüngeren Generation noch nicht durchsetzen können, weil sie noch nicht zu jener Klarheit gekommen sind, die zu einem zielstrebigen Einsatz zu führen vermochten.

Dabei sei gleich gesagt -- hier können weder die russischen noch die preußischen Erfahrungen weiterhelfen, lediglich und auch nur im bedingten Maße die österreichischen.

In Rußland waren die Deutschen jene ständische Oberschicht, die keinerlei Liebe zum Deutschtum in der Bevölkerung erweckte. Die Form des dortigen Zusammenlebens ist endgültig vorbei.

Auch die preußische Erfahrung weist nicht in die Zukunft. Preußen hat als Staat die besten demokratischen Freiheitskämpfer nach 1817 ins Ausland, nach Amerika verjagt. Preußen verdanken wir das kleindeutsche zweite Reich Bismarcks, und das großdeutsche dritte Reich Hitlers. Dabei muß man unter Reich den Begriff Nationalstaat verstehen. Auch dieser Weg führt nicht in die Zukunft.

Ansätze zu einer demokratischen und allen beteiligten Völkern gerecht werdenden Lösung können wir in den beiden Entwürfen (der tschechischen und deutschen) zu einer neuen österreichischen Verfassung 1848 erkennen, weiters im mährischen Ausgleich und in den Karlsbader Vorschlägen 1938 durch Konrad Henlein. Anregungen vor allem im Nachlaß des Senators Dr. Franz Jesser, dessen Bemühungen in diesem Geiste in Österreich und in der Tschechoslowakei von einer jungen Generation zumindest einem Teil der politisch Verantwortlichen verstanden und vertreten wurde.

Diese etwas sehr ausführlich gewordene Darlegung der landsmannschaftlichen Situation erscheint als notwendig, um die Vorgänge in der jungen Generation der Vertriebenen verständlich zu machen. Offensichtlich um eine Zersplitterung zu vermeiden und radikale Außenströmungen nicht aufkommen zu lassen, hatte man in Bonn der OdJ nahegelegt, durch Zusammenschluß mit den landsmannschaftlichen Jugendverbänden die Möglichkeit zu gewinnen im Deutschen Bundesjugendring als die Vertriebenenjugend Sitz und Stimme zu erhalten.

In Bayern hatte sich gleichzeitig mit der OdJ (außerhalb Bayerns) die Sudetendeutsche Jugend, offiziell im Jänner 1950 gegründet, zum stärksten landsmannschaftlichen Jugendverband entwickelt und da man sie nicht in den Landesjugendring aufnehmen wollte, beim Ring politischer Jugend Anschluß gefunden. Neben der Sudetendeutschen Jugend gab es noch die Ackermannjugend (der katholischen Ackermanngemeinde). Beim Bayerischen Jugendring wurde 1950 ein Vertriebenenausschuß eingerichtet, in dem die Ackermannjugend, die SdJ, die Schlesische Jungenschaft Straubing usw. vertreten waren.

Werner Pohl, der Führer der OdJ, wandte sich an den Geschäftsführer Hoffmann der VoL, der das entscheidende Gespräch am Ludwigstein 1951 zwischen den Vertretern der OdJ und der landsmannschaftlichen Jugendverbände vermittelte.

Am Vorabend verhandelten die OdJ-Führer und die Vertreter der landsmannschaftlichen Jugendverbände, die außer den Sudetendeutschen noch alle in organisatorischen Anfängen steckten, gesondert über die Bedingungen eines Zusammenschlusses. Bei der gemeinsamen Verhandlung am nächsten Tag fielen die Vertreter der landsmannschaftlichen Gruppen um, sie stimmten bedingungslos den Vorschlägen der OdJ zu und ließen sich gleich in die vorgesehenen Ämter wählen. Allein die sudetendeutschen Vertreter lehnten die Schnelligkeit des Verfahrens ab.


Teil III

Was heute von den Landsmannschaften für nicht durchführbar erklärt wird, müßte trotzdem von den Bundesgruppenkreisen in der DJO erörtert und erarbeitet werden, wie man der Jugend das Ideengut näherbringen könnte.

Zusammengefaßt habe ich folgende Überlegungen:

Die DJO hat in Erkenntnis ihrer inneren Weiterentwicklung und der veränderten äußeren Lage Folgerungen in Aufbau und Satzung zu ziehen:

Die DJO hat sich seit der Gründung als Gesamtverband der Vertriebenenjugend im Laufe von 16 Jahren zu einem Bund gesamtdeutscher Jugend hin entwickelt, wenn auch der Schwerpunkt bei der Jugend mit der Herkunftsheimat in den deutschen Ostgebieten liegt.

Das Vertriebenenproblem spielt für den Einzelnen keine Rolle mehr. Dafür ist das Problem der vertriebenen Volksgruppen sowie des gespaltenen deutschen Volkes, das besondere innen und außenpolitische Anliegen des Bundes.

Diesem Umstand sollte durch Namensänderung Rechnung getragen werden.

Die DJO war bei der Gründung bemüht als eine Gewerkschaftsjugend weiteste Kreise der Vertriebenenjugend zu erfassen um im Bundesjugendring die Eingliederung unter den anerkannten deutschen Jugendverbänden zu erlangen.

Im Laufe der Zeit (Ablauf der 1.Phase bis 1953) übernahm die landsmannschaftliche Jugend die Führung. Die Bundesgruppen wurden satzungsmäßig eingebaut, Schulungsmaterial über die ostdeutschen Vertriebenengebiete erschien (Dr. Christ), der Heiligenhof als zentrale Schulungsstätte (Ossi Böse) schafft über die Landesverbände hinaus eine neue Führungsschicht. Während dieser 2. Phase (1953 - 1959) vollzieht sich in der Bundesrepublik die zweite diesmal innerdeutsche Wanderung von den Aufnahmeorten zu den neuen Arbeitsplätzen im deutschen Wirtschaftswunder. Die Gewerkschaftsjugend wird illusorisch. Völlig neue Gruppen entstehen, Länder wie Nordrhein-Westfalen erleben eine ungeahnte Blüte, Jugendkreise entstehen mit musischem landsmannschaftlichem Einschlag. (Musische Landesspiele in NRW).

Überlegen wir einmal: die DJO ist doch keine starre Organisation, sondern ein lebendiger Organismus der innerhalb des deutschen Volkes unter dem gemeinsamen Schicksal der Vertreibung 1945 entstanden war.

Die polare Spannung zwischen den beiden großen Vertriebenenverbänden, dem gewerkschaftlich gedachten Zentralverband der Vertriebenen und den vereinigten ostdeutschen Landsmannschaften, aus lose gefassten Zusammenschlüssen der Vertriebenen aus den einzelnen Vertreibungsgebieten zu Landsmannschaften, die sich als Volksgruppe in der Vertreibung fühlten, übertrug sich auch auf die junge Generation. Da Ersterer alle Vertriebenen ohne Rücksicht auf ihre heimatliche Herkunft erfaßte, die allein innenpolitisch um Vertriebenenrechte kämpfte, waren für die Landsmannschaften die Frage der Rückkehr und die Wiedergutmachung drängende Forderungen und ein ideelles Anliegen, die Wahrung und Pflege der kulturellen Überlieferung ihrer Heimatlandschaften. Unter diesen Gesichtspunkten war auf Seiten der ZdV die Ostdeutsche Jugend organisiert worden und bei den Landsmannschaften sind selbständige landsmannschaftliche Jugendverbände entstanden, von denen die Sudetendeutsche Jugend am weitesten organisatorisch entwickelt und profiliert war.

So ging die Initiative zur Gründung der DJO von der OdJ aus, weil man ihr nahegelegt hatte dem Bundesjugendring beizutreten, was zur Voraussetzung hatte, daß alle Vertriebenenjugend damit erfaßt würde. Es lockte die Anerkennung und es lockte noch viel mehr der Bundesjugendplan. Der Bayerische Jugendring -- eine Körperschaft öffentlichen Rechtes -- machte vorerst der Sudetendeutschen Jugend Schwierigkeiten, die sich daraufhin l950 dem Ring politischer Jugend anschloß. Die Absprache der Vertreter der landsmannschaftlichen Jugend nur als gleichgestellte Partner in eine DJO einzutreten wurde von den meisten nicht eingehalten, so daß schließlich die SdJ den Zusammenschluß für verfrüht erklärte und ihren Beitritt hinausschob.

Während dieser 2.Phase steht die DJO unter Führung der SdJ, die den anderen landsmannschaftlichen Gruppen zum Lehrmeister wird.

In der 3.Phase geht die sudetendeutsche Führung verloren. Mit dem Auftreten einer Bundesidee tritt die landsmannschaftliche Zugehörigkeit in den Hintergrund, mit den Bundesspielen gelangt die gesamtdeutsche Bundesidee in den Vordergrund und mit ihr tauchen fast überall in der jüngeren Generation bündische Ideen auf. Jahr für Jahr wächst die Jugend heran, für die die Ostgebiete nicht mehr die Geburtsheimat ist, sondern nur mehr die Herkunftsheimat. Die Jungenschaft in der DJO wird gegründet, der erste Schritt zum reinen Bund als Pädagogische Provinz getan. Die heimatpolitische Erziehung aus der 2. Phase übernommen, stand bald im Widerstreit mit dem bündischen Erziehungsideal eines eigengesetzlichen Jugendreiches.

Die drei Bundesjungenschaftslager erwiesen sich erfüllt vom bündischen Geist -- sie waren im eigenen Jugendbereich gedacht und gestaltet -- ohne jeglicher Beeinflussung der landsmannschaftlichen Führungsschicht. Letztere glaubte die Jungenschaft im Griff zu behalten, wenn sie sie als Altersstufenphase begrenzte und die Jungenschaften in den Ländern, Bezirken und Kreisen den jeweiligen DJO-Führern unterstellten.

Die Bundesführung war nicht bereit die Forderung nach einem Lebensbund zu erfüllen. Jede altersbegrenzte Jungenschaft bedarf -- dem natürlichen Wachstum unterliegend -- einer Weiterführung in einer Jungmannschaft und Mannschaft, die die Weitererziehung und Heranbildung bis zur Lebensreife vorzunehmen haben. Durch das Fehlen derartiger Entwicklungsstufen gab es nur im Bunde die Jugendkreise musischer Prägung, bei denen Singen und Tanzen im Vordergrund. standen oder gar den Inhalt ausmachten.

Dieser Gegensatz mußte zu schwerwiegenden Konflikten führen. Zum Ausscheren pädagogisch fähiger Führungskräfte, die den heimatpolitischen Dilettantismus nicht mitmachen wollten und konnten, der Ausschluß von fähigen Nachwuchsführern und der Austritt einer ganzen Bezirksjungenschaft. Man gab dem Ausfall der Verpflichtung der Jungen zur Bundeswehr die Schuld, weil diese nachher nicht mehr in die Jungenarbeit zurückkehrten. Es fragt sich nur wohin, wenn der Rückkehrende nun gerade keine Lust zum Tanzen verspürt?

Die Bundesspiele im Verein mit den Landesspielen schaffen zwangsläufig ein Bild über die tatsächlichen Kräfte innerhalb der aktiven DJO. Was aus der DJO herausgewachsen ist, lebt außer einigen wenigen Spielscharen in Form von Stammtischen weiter, insofern überhaupt noch Verbindungen bestehen.

Diese Krise im pädagogischen Bereich benützen außerdem landsmannschaftlich beruflich Gebundene um landsmannschaftliche Jugendgruppen zu gründen mit scheinbarem Erfolg.


Begonnen hat Sepp Großschmidt mit der Aufzeichnung in den Jahren 1975-79, die er aus gesundheitlichen Gründen nicht vollenden konnte.


Klaus Großschmidt



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