Abkommen zwischen dem Tschechischen Nationalausschuß, London
und der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen, München
Das so genannte
Wiesbadener Abkommen (oder Lodgman-Prchala-Abkommen)
4. August 1950
- Beide Teile stehen auf dem Boden der demokratischen Weltanschauung und lehnen jedes totalitäre System
ab. Beide Teile betrachten eine demokratische Ordnung der Verhältnisse im
böhmisch-mährisch-schlesischen Raum als einen Teil des Kampfes für ein einheitliches Europa. Dieses
kann nach ihrer Überzeugung nur dadurch erreicht werden, daß sich seine Völker ohne Zwang in
Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechtes zusammenfinden.
- Beide Teile anerkennen den Grundsatz, daß in der Emigration niemand berechtigt sei, ein Volk zu
verpflichten. Es ist der berufene Herr seines Schicksals und soll sich frei entscheiden können,
welchen Weg es gehen will. Nur ein Volksentscheid kann endgültig bestimmen.
- Beide Teile betrachten die Rückkehr der vertriebenen Sudetendeutschen in ihre Heimat als gerecht und
daher selbstverständlich. Sie sind sich dessen bewußt, daß diese Rückkehr nur dann erfolgen kann,
wenn auch das tschechische Volk befreit ist. Deshalb wollen sie alles tun, um seine Befreiung zu
verwirklichen.
- Beide Teile lehnen die Anerkennung einer Kollektivschuld und des aus ihr fließenden Rachegedankens ab;
sie verlangen aber die Wiedergutmachung der Schäden, die das tschechische Volk und das
sudetendeutsche Volk erlitten haben und die Bestrafung der geistigen Urheber und der ausführenden
Organe der begangenen Verbrechen: Diese Maßnahmen erscheinen beiden Teilen notwendig, weil die
Geschehnisse der letzten Jahrzehnte ein freundschaftliches Nebeneinanderleben beider Völker
unmöglich machen, solange die jetzige Generation lebt, weil sie an der Begehung der Verbrechen an
Gut und Leben unmittelbar beteiligt war, entweder als Täter oder als Opfer und weil sie auf beiden
Seiten die Erinnerung an diese Ereignisse nicht auslöschen können, auch wenn sie es wollten, wenn
sich nicht ihr wertvoller Teil von den Verbrechern trennt. Die Durchführung dieser Maßnahmen sollte
nach Ansicht beider Teile durch die eigenen Volksgenossen erfolgen, die Verbrechen sind ja nicht nur
gegen das andere, sondern auch gegen das eigene Volk begangen worden, dessen Ruf und Ansehen in den
Augen aller anständigen Menschen schwer geschädigt wurden.
- Beide Teile sind darin einig, daß über die endgültigen staatspolitischen Verhältnisse gemäß Punkt 2
beide Völker entscheiden sollen, sobald die Befreiung des tschechischen Volkes und die Rückkehr der
Sudetendeutschen erfolgt sein werden. Da die Voraussetzung heute nicht überblickt werden kann,
beide Völker nun ein Jahrtausend im böhmisch-mährisch-schlesischen Raum in engster Nachbarschaft
gelebt haben und auch in Zukunft leben werden, so haben beide Teile beschlossen, einen
Föderativausschuß einzusetzen, der die Voraussetzungen hierfür schaffen soll. Beide Teile nehmen an
diesem Ausschuß gleichberechtigt teil.
Quelle:
- Fritz Peter Habel: Dokumente zur Sudetenfrage,
München 1984 (Langen Müller)