Schon länger kursierten in Komotau Gerüchte, dass man uns Deutsche vertreiben will. Wohin, nach Sibirien? 
 Bald sollten wir Gewissheit erhalten. Wir erfuhren, dass man das Villenviertel am Weinberg geräumt hatte. 
 Die  Wilde Vertreibung  begann und lief straßenweise ab. 
 Der 1. Transport ging am 2. Juli 1945 nach Pretsch in die Sowjetische Zone. 
 So packten auch wir vorsorglich einen Koffer und Rucksack mit Kleidung und sonstigen Habseligkeiten. 
 Daher waren wir nicht gänzlich unvorbereitet, als am 4. Juli um 5:30 Uhr von Partisanen in deutschen 
Uniformen des Afrikacorps mit Gewehrkolben an die Haustür geschlagen wurde:
 "Haben Sie halbe Stunde Zeit,     nemmen Sie, was Sie tragen kennen,     Schlüssel, 
Geld und Wertsachen auf den Tisch!"     „ . . . nehmen sie was sie tragen können und für 3 Tage 
Lebensmittel mit“.  
 Kurioserweise rieten die Soldaten, viel Zucker mitzunehmen. Den gab es nämlich in der CSR im Überfluss, im 
Unterschied zu Salz, das man uns Deutschen völlig verweigerte. 
 Beladen mit Koffer, Rucksack und einer Tasche ging es mit anderen Bewohnern der Steingasse, ebenso der 
Fleischbank- und Herrengasse los. Wir wurden auf dem Weg zu den ehemaligen Flakbaracken auf den Exerzierplatz 
von Soldaten begleitet, die aber ausnahmsweise weder brüllten, noch prügelten. 
 Dort wurde unser Gepäck gefilzt und von den Kontrolleuren weggenommen, was sie brauchen konnten. Die Frauen 
wurden einer strengen Leibesvisitation durch Jüdinnen unterzogen. Man suchte nach verstecktem Schmuck und Geld -- 
nur 200 Reichsmark waren zugelassen --, Sparbüchern, sonstigen Wertsachen, Dokumenten usw. 
 Ein paar hundert RM fanden sie nicht, die hatte ich in einem Paket Damenbinden versteckt. 
 Hier warteten wir 2 Tage bis zur Verladung auf offene Kohlenwaggons. Die Zug-Fahrt mit etwa 4 Waggons und 
100 Personen ging von Komotau über Krima, Sebastiansberg nach Deutsch-Reitzenhain. Dort stoppte der Zug und wir 
mussten aussteigen. 
 Deutsche Behördenvertreter übernahmen uns. 
 Von dort marschierten wir mit Sack und Pack nach Rübenau und wurden dort in einer Schule auf Strohlagern 
untergebracht. Dann Weitertransport über Olbernhau nach Nennigmühle in ein Massenlager in einem Gasthaussaal. 
Hier erfolgte die Aufteilung der Vertriebenen. 
 Wir kamen in ein ehemaliges Kriegsgefangenenlager von Russen (-Baracken) eines Sägewerkes. Hier blieben wir 
erstmal 3 Monate. 
 Das Lager lag idyllisch im Wald. Wir hatten Glück und bekamen ein Doppelzimmer. Das Glück wurde getrübt von 
Wanzen, die nachts über uns her fielen und vom Hunger, denn es gab kaum etwas zu essen. 
 Die Erzgebirgler hatten selbst wenig. Die Gemeinde spendierte dem Lager einen Sack Mehl, aus dem die Frauen 
mit Hilfe von Kräutern eine schmackhafte Suppe zauberten. 
 Wir hatten immer Hunger, so war Initiative gefragt. Wir sammelten Steinpilze und tauschten sie beim Bäcker 
gegen Brot. 
 Nach einer eigenen Pilzmahlzeit wurde es mir schlecht, denn einige junge Pilze waren Fliegenpilze! 
 Da in dieser Zeit viele Flüchtlinge und Soldaten unterwegs waren, die aber nicht in Lagern aufgenommen 
werden konnten, zogen diese von Ort zu Ort und bekamen jeweils für 2 Tage Lebensmittelmarken. Wir taten 
dergleichen. 
 Trotz der mangelhaften Ernährung, haben wir aber nie auf Feldern geklaut. Unser Körpergewicht lag jetzt bei 
52 kg. 
 Dann verfielen wir auf eine grandiose Idee. 
 Wir wollten zunächst illegal nach Neuhaus in unser Feriendomizil, um einiges von unseren Sachen, vor allem 
Küchenutensilien und etwas Essbares zu holen. Die Brünnlers, unsere Hauswirte, fielen fast in Ohnmacht, als wir 
auftauchten. Sie hatten berechtigerweise Angst vor der Entdeckung, denn im nahen Forsthaus war schon ein 
tschechischer Förster eingezogen. 
 Deshalb wanderten wir auf uns wohlbekannten Wegen nach Komotau weiter und kamen bei einer bekannten Familie 
über Nacht unter. Am nächsten Tag besuchten wir noch andere Bekannte, gingen zur Weißkopf-Mühle und wurden 
ausreichend mit Brot versorgt. 
 Am Rückweg, den wir ohne entdeckt zu werden, hinter uns bringen konnten, ging unsere Mutter doch noch mal 
über Neuhaus und brachte eine Tasche voll Geschirr und anderes Nützliches mit. 
 Ziemlich erschöpft landeten wir wieder in Rübenau und erreichten den Bus zurück nach Nennigmühle. 
 So gingen wir als Pascher 8 mal über die Grenze nach Komotau. 
 Durch unsere Ortskenntnisse um Neuhaus kannten wir die Wege von Kallich nach Komotau. 
 Von Nennigmühle bis Rübenau mit dem Bus, von dort über den Grenzbach und zu Fuß 4 Stunden durch die Wälder, 
entlang bzw. über die Kallicher Straße, Uhrissen, Töltschtal, Pirken. 
 Dabei beförderten wir Briefe von Komotauern in Sachsen zu Angehörigen nach Komotau und zurück. Wir hofften 
auch etwas vom Schicksal meines Vaters und meines Bruders -- Vater war im KZ Striemitz, mein Bruder im KZ 
Maltheuern -- zu erfahren. Gleichzeitig nahmen wir Leute mit, die etwas von ihren Sachen aus Komotau herausholen 
wollten. 
 Wir selbst konnten nicht mehr in unsere Wohnung und nahmen Gegenstände für andere Insassen des Lagers aus 
Komotau mit. Für uns selbst organisierten wir Lebensmittel und schleppten diese im Rucksack und 2 Handtaschen mit 
nach Sachsen. 
 Da es sehr gefährlich für uns war, waren wir die letzten Male nur nachts unterwegs und wären einmal fast 
einer tschechischen Streife in die Hände gelaufen. 
 Diese gefährlichen Grenzgänge wurden einer ortskundigen 78-jährigen Frau aus Kallich (Amalie Remtisch) zum 
Verhängnis. Sie wurde von tschechischen Grenzern gejagt, gefangen und nach Komotau in das KZ Glashütte getrieben. 
 Dort wurde sie erschlagen und mit anderen Opfern verscharrt. 
 Nach der Heimkehr von der letzten Schleuser-Tour waren die Bewohner des Lagers Nennigmühle bereits nach 
Cranzahl verlegt worden. Mutter und ich kamen stattdessen nach Herold, Kreis Annaberg. 
 Dort bekamen wir ein nettes, helles, möbliertes Zimmer im Haus Nr. 42 bei Frau Decker. Beide fanden wir 
Arbeit in der ehemals schlesischen Leinenzwirnerei. 
 Damit kehrte erst einmal Ruhe in unser unstet gewordenes Leben als Vertriebener ein. 
 Traute Theml, 21. 01. 2013 
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