Die Sudetendeutsche Jungturnerschaft

Um eine einheitliche Ausrichtung der sudetendeutschen Turnbewegung zu erreichen, wurde die Turnschule in Asch gegründet. Ihr erster Leiter wurde der Turnlehrer Konrad Henlein. Hier wurde der Geist und das Gedankengut des Turnvaters Jahn übernommen und sowohl für die Leibes,-- wie auch für die völkische Erziehung weiterentwickelt. Sehr prägend war, dass in der Jungturnerschaft neben der Arbeit auf dem Turnboden (= turnerisches Training) gleichberechtigt die Dietarbeit (= Volksbildung) und die musische Arbeit gepflegt wurden.
Die Arbeit der Dietwarte war -- vor allem durch den tschechischen Assimilierungsdruck -- auf eine gewisse Überbetonung des deutschen Volkstums ausgerichtet.

Diese Schulung strahlte auf das gesamte Sudetenland aus. Durch den zunehmenden tschechischen Assimilierungsdruck war diese Schulung der Führungskräfte in den letzten Jahren vor dem Anschluss an das Deutsche Reich einer starken Politisierung unterworfen. Folge war, dass in der Turnerjugend und im Deutschen Turnverband nationalsozialistisches Gedankengut wie auch Symbole übernommen wurden.

1926 wurde der Kameradschaftsbund gegründet. Seine Zielsetzung war die unbehinderte autonome Entwicklung der Sudetendeutschen Volksgruppe innerhalb des tschechoslowakischen Staatsverbandes.

Bei den Parlamentswahlen 1935 wurde die Sudetendeutsche Partei (SdP) stimmstärkste Partei der Tschechoslowakei. Sie wurde von 67 % der Deutschen gewählt. Auf tschechischer Seite war man nicht bereit, die SdP als gleichwertigen Partner anzuerkennen. Dadurch entwickelte sich innerhalb der SdP die Gruppe Aufbruch um den Abgeordneten K.H- Frank, die den Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich ( Heim - ins - Reich - Bewegung ) forderte. Erst im November 1937 schwenkte Henlein auf den Anschluss-Kurs ein, hoffte aber auf einen sudetendeutschen Sonderweg innerhalb des Deutschen Reiches.

Die Nationalsozialisten in der SdP bekamen durch die Verweigerung der Autonomie mehr und mehr das Übergewicht. Es setzte ein Machtkampf zwischen Kameradschaftsbund und Aufbruch um die Frage Autonomie oder Anschluss ein.
Dieser Machtkampf wurde auch in die Jungturnerschaft hinein getragen. Hier siegte letztlich der Aufbruch mit seiner Heim - ins - Reich - Bewegung.

Durch den Tschechisierungs- und Assimilierungsdruck wurde die deutsche Turnbewegung zur echten Volksbewegung. Es wurde klar erkannt, dass zur Erhaltung der Identität einer Volksgruppe eine volksbewusste Erziehung Grundlage der Erziehungsarbeit in der Jungturnerschaft sein muss.

Das Ziel der Erziehungsarbeit war nicht verpflichtungsloser Liberalismus, der zur zügellosen Ungebundenheit des Einzelnen führt, sondern die echte Gemeinschaft, die Mannschaft, die sich der Verantwortung fürs Ganze bewusst ist. Gemeinnutz geht vor Eigennutz war die für alle Lebensbereiche geltende Parole. Freiwilliges Einordnen zum Nutzen des Ganzen, Dienst und Hilfsbereitschaft, gegenseitiges Vertrauen und sich Aufeinander - Verlassen - Können, tadellose Lebensführung, gewähltes und verdientes Führertum an Stelle von Verwaltung, das waren die Grundsätze dieser sudetendeutschen Jugenderziehung der Vorkriegszeit in der CSR.

In der Jungturnerschaft sollte die männliche und weibliche Jugend in Altersstufen, als Knaben und Jungmädel bis zum 14., als Jungen und Mädel bis zum 18. und als Jungmannen und Jungfrauen bis zum 21.Lebensjahr jeweils ihr Eigenleben führen.
Den Altersstufen gemäß erfolgte eine betont erzieherische Ausbildung und Gestaltung des turnerischen Lebens. Heimabende, Turnen und Sport, Fahrt und Lager, Pflege des Volkstanzes und Volksliedes und nicht zuletzt die Förderung des durch den tschechischen Assimilierungsdruck bedrohten deutschen Volkstums festigten die Erziehungsgemeinschaft.

Zwei prägende Ereignisse beeinflussten die Entwicklungen: Das Saazer Turnfest 1933 und die Teilnahme der Sudetendeutschen Turnerschaft am Breslauer Turnfest 1938.

Äußerer Ausdruck der Gemeinschaft war die Kleidung.
Bei den Buben die hellgraue Kluft und weiße Kniestrümpfe. Das alleinige Zeichen der Gemeinsamkeit war das Grauhemd, auf Koppel, Schulterriemen und Rangabzeichen wurde bewusst verzichtet. Zum Turnen trugen die Jungturner schwarze Clothhosen und ein ärmelloses weisses Hemd.

Bei den Jungturnerinnen setzte sich keine Kluft durch. Die Mädchen trugen lieber Dirndl mit weißen Kniestrümpfen. Ein Tanzkleid (weisses, weites Kleid mit breitem blauen Saum) setzte sich nicht durch. Zum Turnen trugen die Mädchen einen blauen Turnanzug (ärmelloses Hemd mit angenähten weiten Hosen).

Alle Führungsarbeit erfolgte ehrenamtlich und ohne jeden Verwaltungsapparat mit hauptamtlichen Angestellten.

Die Jungturnerschaft bekam bedingt durch den sich verstärkenden Tschechisierungsdruck, eine enorme Anziehungskraft auf andere sudetendeutsche Jugendbünde.

Die bisher selbständigen Gruppen der Bündischen Jugend -- Wandervogel, Staffelsteiner, Adler und Falken und Finkensteiner Singbewegung -- schlossen sich der Jungturnerschaft an. Dem Aufruf der Adler und Falken zur gemeinsamen Sonnwendfeier 1938 folgten Jugendgruppen aus dem ganzen Land zum Burgberg in Jägerndorf, übergaben symbolisch ihre Fahnen dem Feuer, und marschierten in einer Kolonne unter der Fahne des Sudetendeutschen Turnerbundes zur Stadt.
All diese unterschiedlichen Gruppen beeinflussten die musische Arbeit und die Dietarbeit der Jungturnerschaft.

Im Mai 1938 schloss sich unter Wahrung seiner Eigenständigkeit auch das katholische Pfadfindercorps St. Georg der Jungturnerschaft und damit der sich bildenden Sudetendeutschen Volksjugend an. Ihre Gruppen wurden in die Jungturnerschaft als geschlossene Riegen eingebaut.

Die Einigung ließ die Jungturnerschaft auf bis zu 200.000 Mitgliedern wachsen.



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