Fünf Jahre Heiligenhof

Ein Rückblick im Jahre 1957
Auf dem Heiligenhof    
So stellte sich unser Zeichner den HEILIGENHOF vor
( aus der Pfeil )

   

Ja, Kameraden, seit fünf Jahren -- heute sogar schon etliches länger -- haben wir den Heiligenhof.
Und doch ist es, als wäre es erst gestern gewesen, als Ossi Böse uns verkündete, daß nunmehr der Kauf des Hauses Heiligenhof bei Bad Kissingen vollzogen sei. Dies war im Frühjahr 1952. Fünf Jahre, ein halbes Jahrzehnt, sind seitdem vergangen.

Das schreibt sich so leicht hin und ist doch eine Tatsache von Gewicht. Denn fünf Jahre Heiligenhof bedeuten ja mehr als irgendein Jubiläum. Sie bedeuten vielmehr fünf Jahre harter Arbeit, fünf Jahre Mühe, Sorgen, Improvisieren, Unmögliches möglich machen. Und sie bedeuten fünf Jahre Dienst an einer Gemeinschaft.

Als wir den Heiligenhof übernahmen, begannen wir ein Experiment. Wir begannen es mit wenigen guten Voraussetzungen. Einer, ein Fremder, ein Norweger, Arne Torgersen hieß er und war Beauftragter der Norwegischen Europahilfe für Deutschland, hatte uns sein Vertrauen geschenkt. Er hatte uns einen großen Teil der Kaufsumme verschafft. Das Sudetendeutsche Sozialwerk kaufte das Haus. Und es war wohl wieder ein Ausdruck des Vertrauens, daß man es der Sudetendeutschen Jugend übergab.

Dieses doppelte Vertrauen galt es nun zu rechtfertigen. Manchmal empfanden wir es als eine Last. Manchmal, und viel öfter, gab uns aber gerade dieses Vertrauen immer wieder neuen Mut.
Und wir hatten diesen Mut nötig!

Bis zum Jahr 1952 war der Heiligenhof ein Privathaus gewesen. Nunmehr sollte er das Heim einer Gemeinschaft werden. Dazu aber fehlten beinahe alle Voraussetzungen, von den entsprechend großen Räumen angefangen über die Kücheneinrichtung bis zu den sanitären Anlagen.
Wir hatten viele Pläne -- aber wir konnten nicht warten, bis uns jemand das zu ihrer Verwirklichung nötige Geld besorgte. Das Haus war da und sollte, ja mußte ausgelastet werden.
Es wurde ausgelastet.

Pfingsten 1952 lief der erste Lehrgang.
Es gab kaum etwas, das dabei nicht improvisiert werden mußte.

Dann aber wurde umgebaut.
Der Umbau beschäftigte uns noch im Sommer, denn er war natürlich nicht fertig, als der erste Lehrgang anreiste. Und so ging es weiter.
Dem ersten Umbau folgten die ersten Möbel, Betten, Matratzen, Tische und Stühle niemals ausreichend, aber wir kamen immer wieder hin. Und beinahe jedes Jahr brachte etwas Neues.

Dies aber war nur das Äußere, das Sichtbare. Es schaffte Voraussetzungen, baute den Rahmen, erleichterte die Arbeit.
Wichtiger jedoch war das Andere, das Unsichtbare.
Schon in den ersten Lehrgängen wurde es spürbar und wurde deutlicher mit jedem Sommer. Es wuchs etwas -- ganz im Stillen -- kaum merklich und doch vorhanden. Gemeinschaft wuchs. Wille regte sich, Ziele wurden erkannt und Wege dahin gefunden.

Das Haus hatte plötzlich Seele.
Es fand und erfüllte eine Aufgabe. Und das war es wohl, was alle, die jemals auf dem Heiligenhof waren, anrührte und nachdenklich werden ließ.
Darüber konnte man manche Unzulänglichkeit vergessen und die immer noch bestehende Notwendigkeit des Improvisierens in Kauf nehmen. Hier nämlich entstand ein Ausstrahlungspunkt. Alle haben daran mitgearbeitet. Die Heimleitung und das Personal ebenso, wie die Besucher und Lehrgangsteilnehmer.

Fünf Jahre harter Arbeit ließen den Heiligenhof zu etwas wie einem geistigen Mittelpunkt der Sudetendeutschen Jugend, aber auch der Deutschen Jugend des Ostens werden.

Der fünfte Geburtstag unseres Heiligenhofes sah das Haus in Trümmern. Das Haus, nicht aber den Heiligenhof. "Wie nach einer Luftmine" schrieb Gretl Hajek in einem Brief. Nun, auch Luftminen können bestenfalls die Mauern zerstören. Und was brüchig wurde, muß früher oder später fallen. So fielen also die Mauern des Hauses.
Und nun steht an Stelle des alten ein neues Haus. Größer, schöner, zweckmäßiger. Und mag es manchem noch fremd und wenig vertraut sein -- es blieb der Heiligenhof!

Und allein dieser Begriff und sein in fünf Jahren gewachsener Inhalt verpflichtet.

Fünf Jahre Heiligenhof sind zu Ende. Das alte Haus steht nicht mehr. Möge im neuen Hause der alte Geist walten.


      Rolf Nitsch.


Im Spiegel der Zahlen
Es ist kaum anzunehmen, daß Josef von Eichendorff schon etwas vom Heiligenhof wußte, vielleicht aber hat er ihn vorausgeahnt, als er den Text eines Liedes von den Reiseschuhen schrieb, dessen dritte Strophe so schön zum Heiligenhof paßt:
Da geh'n die einen müde fort, die andern nah'n behende . . .
Und gerade bei uns auf dem Heiligenhof herrscht das ganze Jahr über ein Kommen und Gehen.

Das wichtigste sind und bleiben die Lehrgänge.

1952 waren 337 Lehrgangsteilnehmer auf dem Heiligenhof.
Im Jahre 1955 waren es mit 784 genau um 10 mehr als das Doppelte.
Und bis zum heutigen Tag können wir 3.592 Lehrgangsteilnehmer verzeichnen.

Seit 1953 haben 1608 Kinder und Jugendliche einen Teil ihrer Ferien bei uns verlebt.

In den fünf Jahren seines Bestehens wurde der Heiligenhof auch zu einem beliebten Ort für Tagungen. Bei rund 60 Tagungen begrüßten wir insgesamt 1926 Teilnehmer.

Aus dem Ausland kamen rund 300 Gäste zu uns.

Zusammengerechnet ergibt das eine Übernachtungszahl von 66.800.
Bei angenommenen 3 Mahlzeiten pro Übernachtung hat die Küche mehr als 200 000 Essensportionen zubereiten müssen.

Und woher kamen unsere Lehrgangsteilnehmer, Tagungsteilnehmer und Gäste?
-- Aus der Bundesrepublik, aus Mitteldeutschland, aus Österreich, aus der Schweiz, aus Frankreich, aus England, aus Dänemark, aus Schweden, aus Finnland, aus Texas und aus Paraguay.



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