Winterlager 1961/62, zweite Woche

Der Jungenschaftsbrief Oberbayern berichtet in seiner Nummer 2/62

Überschrift

Unser Winterlager in Inneralpbach vom 1.-7.01. 1962

. . . In Brixlegg kam nach kurzem Warten unser Sonderomnibus, der sicher schon bessere Zeiten gesehen hat, dahergerasselt. Wir stiegen ein und in rasantem Tempo fuhren wir nach Inneralpbach ab, daß es nur so klapperte. Nach dieser Himmelfahrt waren wir endlich an Ort und Stelle und wurden gleich von einem einheimischen Bauern begrüßt, von wegen Baumwurzeln und so . . . (siehe Titel) Auf der Hütte wurden zunächst die Zimmer verteilt, doch zuerst mußten wir allerdings eine zerbrochene Fensterscheibe (siehe erstes Lager) reparieren.
Das war ganz einfach: Ein Holzbrett genommen, in den Rahmen hineingestellt, und da immer noch eine kleine Lücke war, noch ein Handtuch in die Ritze gepresst. Fertig war die Sache!

Zahnpasta

. . . Leider sollten die Nächte nicht immer ungetrübt sein, denn neben mir schlief Einer der sicher einmal einen hölzernen Beruf ausüben wird. Kurz gesagt, er schnarchte! Als ich mir keinen Rat mehr wußte, diesem Übel abzuhelfen, fragte ich Dieter, ob er nicht ein Gegenmittel wüßte. Er wußte ein todsicheres! Er sagte mir nämlich, daß man nur Zahnpasta nehmen müsse, und es dem Schnarchenden in die Nase schmieren solle. Ich probierte dies auch in der Nacht aus.
Leider übersah ich dabei, daß man nicht mit der Nase schnarcht, sondern mit dem Mund. Ich zielte mit der Zahnpasta genau dorthin, wo die Schnarchtöne herkamen, so bekam der arme Kerl eine doppelte Ladung bester Zahnpasta in den Mund. Aber trotz meines Misserfolges hörte er zu schnarchen auf.

Mit dem Waschen in der Frühe war es auch so eine Sache. Wir wuschen uns alle recht spärlich, denn das Wasser rann so, daß man befürchten mußte anzufrieren, wenn man eine Hand voll Wasser haben wollte.

Die ersten Tage unseres Daseins vergingen sehr schnell.
Wie groß war unsere Freude, als es auch noch zu schneien anfing, so daß wir am Mittwoch schon feste am Haushang fahren konnten.

Der Donnerstag war für mich ein wichtiger Tag: Wir hatten da nämlich Küchendienst.
Wir, das waren unser Küchenbulle Klaus und zwei Stifte, Lutz und ich. Ein tolles Essen hatten wir uns theoretisch vorbereitet: Zum Frühstück Marmeladenbrot und Milch, mittags Nudelsuppe und Gulasch und abends Quarkbrote.
Gleich nach dem Frühstück rasten wir beiden Stifte zum Einkaufen nach Alpbach, während der Bulle Geschirr spülte und die Hütte säuberte.
Uns beiden schlackerten ja die Ohren, als wir beim Einkaufen sahen, daß der einzige Rucksack, den wir mitgenommen hatten, immer voller, dicker und praller und dazu auch noch schwerer wurde. Zum Schluß hatten wir über 50 Pfund steil bergauf zu tragen.

Als wir endlich oben waren, hatten wir noch genau eine Stunde Zeit, um ein Menü herzuzaubern.
Alles glückte uns ausgezeichnet, bis auf das Gulaschfleisch. Anstatt anderthalb Stunden, hatte es nur 50 Minuten lang Zeit, gar zu werden. Wir redeten uns später heraus, die Kuh sei so uralt gewesen . . . .
Aber dennoch wurden wir zweite im Kochwettbewerb, und das war die Hauptsache.

An diesem Nachmittag war ein Skikurs für Anfänger angesetzt und da ich dieser Kunst noch Anfänger bin, und etwas lernen wollte, mußte mir der Küchenbulle frei geben.
In diesen Lehrstunden habe ich mich wirklich angestrengt, einmal mehr als Schußfahren zu lernen, jedoch, leider, leider, wenn ich 20mal den Stemmbogen fuhr, fiel ich doch 25 mal auf die Nase. Aber ich war schon von früher her abgebrüht und nach dem Sprichwort Die Dümmsten haben das meiste Glück, passierte mir auch nichts.

Baumwurzel

Am Freitag war dieses Glück jedoch ausgeschöpft. Ich fabrizierte Spitzensalat.
Dabei war ich fast unschuldig. Mein Fehler war nur, daß ich, wie üblich, hinfiel, mein Ski sich selbstständig machte, allein weiterfuhr ohne mich zu fragen und an einer besagten Baumwurzel hängenblieb.

So kam es, daß ich am Samstag beim großen Skispezialabfahrtsslalom Soloklasse, nämlich mit einem Ski fuhr.
Dies war gar nicht so einfach, denn mit einem Ski fahren und mit dem anderen Fuß um die Slalomstange herumhechten, ist keine Kleinigkeit!
Mich kann ja nichts mehr erschüttern, und wenn es mich bei den beiden Läufen viermal zu Boden drückte, machte es mir doch nichts aus.

Als dann am Abend große Preisverteilung war, bekam ich sogar für meine Leistung ein Stückchen Schokolade und einen warmen Händedruck für meinen 11. Platz unter 14 Teilnehmern.

Sonntag war großes Abschiednehmen.
Die Reste des Proviants wurden verteilt, ich heimste mir 15 Zwiebeln ein, von denen ich heute noch zehre, und der Dreibeinstuhl bekam wieder sein viertes Bein angenagelt.

Am Nachmittag verließen wir die Stätte unseres Wirkens und gingen ins Dorf, wo auch der Omnibus bald kam und wir wieder der Zivilisation entgegenfuhren.
Der Schaffner schaute mich ja etwas mitleidig wegen meines abgebrochenen Skis an, aber ich hatte jetzt schon so viel erlebt, daß mich wirklich nichts mehr erschüttern konnte.

Und die Moral von der Geschicht‘: Paßt‘s mir nur ja auf die Baumwurzeln auf!
 

Rainer aus Waldkraiburg


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Zum Abschluß noch ein Blick auf den Original-Text im Jungenschaftsbrief:

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