Klaus Habermann zu dem Zeitpunkt noch stellvertretender Bundesjungenschaftsführer der DJO-Jungenschaft veröffentlich einen Bericht über die Jubiläumsfeier am Hohen Meißner 1963 der neuen Bünde im Jungenschaftsbrief Schleswig-Holstein „DER JUNGENSCHAFTLER“:


Hoher Meißner, Okt. 1963


Lieber Freund !

Das Sonderblatt, gefertigt von der DJO-Jungenschaft Ratzeburg, das wir anlässlich des Meißner-Tages 1963 herausgaben, hat sicher auch Dich erreicht. Ich hatte mir, um mit dabei sein zu können, zwei Tage Urlaub genommen und war gen Süden gefahren. Ich glaube, es wird Dich brennend interessieren, was da los war.

Jetzt, rund einen Monat später, glaube ich, Dir ein paar Worte dazu sagen zu können.
Zum Kohtenlager der jungen Bünde waren rund 30 Bünde mit ca. 2500 Mädchen und Jungen gekommen, von der FKK-Jugend bis zur Reformjugend, vom Fahrtenbund Grauer Reiter bis zum Nerother Wandervogel, die DJO-Jungenschaft und der BDP-Landesmark Hessen.
In der Vielzahl der Bünde spiegelten sich die Verschiedenheiten der Meinungen und Standorte wider. Diese Tatsache machte die Organisation dieses Tages so schwer. Überall tauchten Schwierigkeiten auf, die sich oftmals nur mit letztem Einsatz aus dem Wege räumen ließen.
Ein Beispiel hierzu sei erwähnt, und zwar die Dornen, die auf dem Wege zur Feierstunde an der Werra lagen. Am Nachmittag sollte die Feierstunde stattfinden, am Vormittag wurden einige Bedenken seitens einiger Bünde laut. Der Verantwortliche für diese Feierstunde wollte das Ganze daraufhin abblasen.
Ich glaube hier sagen zu dürfen, daß es in der Hauptsache unserem Bundesjungenschaftsführer zu verdanken war, wenn überhaupt noch eine derartige Feier zustande kam.
Die Feier, so glaube ich, war für alle Teilnehmer (es waren leider nicht alle Bünde dabei) eindrucksvoll.
-- Hier haben sich die Bünde in einem für meine Begriffe nicht gerade vorteilhaftem Licht gezeigt; konnten sie doch angesichts der Grenze, die Deutsche von Deutschen trennt, einige nur mit Mühe, andere gar nicht, ihre verbandsegoistischen Vorstellungen über die Gestaltung einer solchen Feier zurückstellen.
Daß eine ganze Reihe von Bünden auf dem Lagerplatz blieb, habe ich, an das Streben des deutschen Volkes nach Einheit denkend, als Schlag ins Gesicht empfunden.

Der Höhepunkt des Meißner-Tages 1963 sollte die Kundgebung sein.
Ich meine, es war ein wahrhaft trauriger Höhepunkt.
Nachdem Dr. Knut Ahlborn die Verdienste der alten Bünde noch einmal in Erinnerung gerufen hatte, versuchte der Sprecher der jungen Bünde, die Stellung der Jugend in diesen Bünden zu zeichnen.
Danach ergriff der von den Veranstaltern, und hierzu gehörten auch oder in erster Linie die junge Bünde, bestellte Hauptredner, Prof. Dr. Gollwitzer, das Wort.

Wenn das, was dieser Mann zu Gehör brachte, tatsächlich die Aussage des Meißner-Tages 1963 bedeutet, dann schäme ich mich, überhaupt aktiv daran teilgenommen zu haben.
Über den Hurrapatriotismus des deutschen Kaiserreichs, über die Zeit des dritten Reiches -- bis hierher kann ich folgen -- bis zu den Werten, die das deutsche Volk sich in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg geschaffen hat, blieb nichts unangetastet.

Alles, vor allen Dingen letzteres, wurde von dem Redner in einer von den anwesenden Jugend als nicht sehr schön zu bezeichnenden Art kritisiert.
Wenn das die westdeutsche Intelligenz ist, dann hat, so meine ich, der vormalige Bundeskanzler Adenauer recht daran getan, wenn er weitgehend auf deren Mitarbeit verzichtet hat.
Das dem jedoch nicht so ist, haben mir die ersten Monate meines Studiums gezeigt, und ich glaube, der neue Bundeskanzler Erhard war gut beraten, als er sich an die Westdeutsche Intelligenz mit der Bitte um rege Mitarbeit gewandt hat.
Aber kehren wir diesem traurigen Höhepunkt der Veranstaltung lieber den Rücken und wenden uns den positiven dieser Tage zu.

Allein die Tatsache, daß 2500 Mädchen und Jungen auf dem Meißner zusammentrafen, um die 50ste Wiederkehr des historischen Meißner-Tages 1913 zu begehen, ist ein Positivum in sich.
Die jungen Bünde gaben sich untereinander hinreichend die Möglichkeit, sich gegenseitig kennenzulernen. Man stellte sich mit Lied vor, man lud ein zu Abendgestaltungen, man zeigte aus seiner Arbeit.
Erst dies innere Leben und persönliche Erlebnisse während dieser Tage lassen mich das ganze Treffen in einem angenehmeren Licht sehen.

Lieber Freund, abschließend möchte ich Dir noch kurz meine Meinung dazu sagen, ob dieser Meißner-Tag 1963 jemals die Bedeutung für die heutige Jugend haben wird, wie es 1913 der Fall war.
Diese Hoffnung verbanden die teilnehmenden Bünde weitgehend mit dem Meißner-Tag 1963.
Ich glaube nicht, daß dieser Tag über den Rahmen der Teilnehmer herausstrahlen wird.
Jeder Bund wird sich seine Stellung zu diesem Tag erarbeiten müssen, sofern er diesem Tag mehr beimessen will als das reine Erlebnis eines interessanten Lagers.
Für uns glaube ich sagen zu dürfen, wir haben unser Leben in der DJO-Jungenschaft um eine Erfahrung bereichert. Der Meißner-Tag 1963 wird für uns keine entscheidende Bedeutung erlangen.


So, lieber Freund, das wär's. Ich würde mich freuen, von Dir zu hören.


Mit kameradschaftlichem Gruß

Dein

Klaus

 



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