Interview

Hermann Kinzel, geboren 1938 in Zwittau im Sudetenland. Vor der DJO-Gründung bereits Mitglied der Sudetendeutschen Jugend (SdJ) in Hagen.

Beisitzer im DJO-Bundesvorstand von 1969 bis 1971; stellvertretender Bundesvorsitzender von 1971 bis 1973 und von 1975 bis 1985. Langjähriger stellvertretender Landesvorsitzender der DJO Nordrhein-Westfalen und Vorsitzender der Kinder- und Jugendplankommission des Deutschen Bundesjugendring.(DBJR).

Über seine Zeit als Jungenschaftler erzählt das langjährige Bundesvorstandsmitglied:

„Ab einem bestimmten Alter hat man wahrscheinlich diese Vorstellung, dass man besser allein auf Fahrt geht -- also ohne die Mädchen. Und wir hatten dann etwas gegen die „Gemischtgruppler“, wie wir sie nannten. In Hagen haben wir eine Jungenschaft gebildet und wir hatten drei Jungenschaftsgruppen. Ich war der Leiter der „Vitalienbrüder“.

Zum Leiter wurde man gewählt. Aber es gab gewisse Voraussetzungen hierzu:
Wir mussten bestimmte Proben ablegen. Es gab die Proben zum Späher, Wächter, Knappen, Reisiger, Vogt, Meister und Großmeister. Bis zum Reisiger hab ich die Proben abgelegt und den Vogt habe ich später verliehen bekommen, aber dann war meine Jungenschaftszeit auch schon zu Ende. Das ging über vielleicht maximal sechs, sieben Jahre.

Die Ziele der Jungenschaftsarbeit bestimmte das Jungenschaftsgesetz und über allem stand: Maße, Ehre, Mut und Treue. Diese zentralen Begriffe übernahmen wir vom Deutschen Ritterorden.

Jungenschaften gab es bereits in der Wandervogelzeit.
Die DJO-Jungenschaft wurde gegründet, damit man für das Jungenalter eine bestimmte Form des Auslebens der Abenteuerlust zum Beispiel auf Fahrt und Lager anbieten konnte. Es ging damals schon um ganzheitliche Erziehung. Und wenn man heute darüber nachdenkt, gibt es ja wieder Jungenarbeit und Mädchenarbeit und diese wird überall propagiert. Damals waren ja die Mädchen und die Jungen auch in der Schule noch getrennt.

Ziel der Jungenschaften war Naturverbundenheit und in bestimmten Formen enthaltsam zu leben. Alkohol und Zigaretten waren damals für uns überhaupt kein Thema. Wir führten ein „Scharbuch“ über unsere Aktivitäten und darin wurden solche Dinge niedergeschrieben, wie der Umgang mit Karte und Kompass oder Sprüche für den Morgenkreis. Wir hatten auch unser eigenes Liederbuch mit Liedern für Fahrt und Lager.

Unsere Kluft war das Grauhemd und das schwarze Halstuch mit dem Knoten. Um den Knoten, der das Halstuch hielt, waren Kordeln in verschiedenen Farben rumgelegt, je nach bestandenen Proben und entsprechendem Rang. Am linken Arm des Grauhemdes trugen wir landsmannschaftliche Wappen und darüber stand „DJO“.

Man traf öfter welche, wenn man irgendwo war, die hatten plötzlich auch so ein Abzeichen und wir haben gesagt: „Hallo, Du gehörst dazu“. Das war ein ganz, ganz tolles Zusammengehörigkeitsgefühl, das man heute eigentlich nicht mehr hat.

Unsere Kleidung ist uns zu Beginn der siebziger Jahre sehr vorgeworfen worden.
Wir würden Uniformen tragen und dann hätten wir ja auch noch die Fanfarenzüge mit Fahnen, Fanfaren und Trommeln.
Wenn die Falken ihr Hemd angezogen haben oder die Pfadfinder, dann war das alles in Ordnung, aber bei der DJO war dies Rechtsextremismus. Und es gab immer Leute, die gesagt haben: „Das sieht nach Hitlerjugend aus“.
Gut, wir hätten uns ein weißes Hemd anziehen können und schwarze lange Hosen. Hätten wir so Fanfare geblasen, dann hätte es keinen aufgeregt. Aber wir waren damals stolz auf unser Grauhemd.

(. . .) Und wenn man es mit heutigen Begriffen bezeichnen will, dann haben wir in der Jungenschaft damals schon Erlebnispädagogik gemacht.“



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