Jugend in europäischer Verbundenheit

Volkstumsfahrt der Sudetendeutschen Jugend in die Bretagne

In der Zeit vom 14. bis zum 29. August 1965 führte die Sudetendeutsche Jugend ihre III. Volkstumsfahrt durch, die diesmal in die Bretagne führte. Über 50 Jugendleiterinnen und Jugendleiter aus der ganzen Bundesrepublik konnten an dieser Fahrt teilnehmen, die von der Geschäftsstelle der Sudetendeutschen Jugend in Zusammenarbeit mit dem bretonischen Verband SKED, association d‘éducation populaire in Rennes, organisiert worden war. Die Fahrt stand unter der Leitung von Lm. Erich Kukuk, Bundesführer der Sudetendeutschen Jugend.

Seit einiger Zeit bereits verbindet die SdJ herzliche Freundschaft mit einigen bretonischen Gruppen sowie den Repräsentanten der Jugendverbände. Bereits mehrere Gruppen waren aus der Bretagne zu uns gekommen und unsere Gäste gewesen, so beim Sudetendeutschen Tag 1964 in Nürnberg, auf dem Heiligenhof und beim FUEV-Kongreß in Regensburg.
Diesen Sommer konnte endlich die Gegeneinladung verwirklicht werden. 55 Jungen und Mädel, alles Jugendleiter nahmen an der Volkstumsfahrt in die Bretagne teil.

Die Fahrt führte in zwei Gewalt-Etappen nach Paris. Zwischendurch wurde lediglich in Verdun Station gemacht und das Schlachtfeld des 1. Weltkriegs mit seinen eindrucksvollen Gedenkstätten besichtigt. In Paris wurde ein Ruhetag eingelegt, der zur Besichtigung der wichtigsten Sehenswürdigkeiten diente. Weiter ging die Fahrt nach Rennes, der Hauptstadt der Bretagne, dem westlichsten Land Frankreichs. Hier wurden wir von unseren bretonischen Freunden empfangen. Außerhalb Rennes waren wir in einem katholischen Jugendheim mehrere Tage untergebracht.

Gleich an dieser Stelle muß die unwahrscheinliche Gastfreundschaft und Freude, mit der wir empfangen wurden, gewürdigt werden. Unser ganzer Besuch war von bretonischer Seite gut organisiert und durchgeführt worden. Die nächsten Tage waren angefüllt mit verschiedenen Besichtigungsfahrten in den Norden der Bretagne, so zum Beispiel zum Mont St. Michel, der berühmten Klosterinsel im Meer, die im nächsten Jahr ihre 1000–Jahr-Feier begeht, des weiteren nach Saint Malo, der alten Piratenstadt, dem Geburtsort von Chateaubriand. Auf dieser Rundfahrt wurde auch das einzige Gezeitenkraftwerk der Welt zwischen Saint Malo und Dinard besichtigt, ein imposanter Bau von gewaltigem Ausmaß, in dem die hier bis zu 13 Meter hohe Flut zur Stromerzeugung genützt wird.

Es ist ein urwüchsiges, herbes Land von eigentümlichen Reiz. Eine Granitinsel, an drei Seiten vom Meer umgeben, urkatholisch, arm und vom Tourismus fast unberührt dank seiner weiten Entfernung von allen europäischen Staaten. In dieser Landschaft lebt ein ebenso urtümliches wie sprach- und heimatbewußtes Volk. Die Bretonen zählen etwa 3 Millionen, ähnlich stark wie die sudetendeutsche Volksgruppe, eine Tatsache, die von den Bretonen gern zitiert wurde. Nahezu die Hälfte der Einwohner spricht bretonisch, eine keltische Sprache, im 5. und 6. Jahrhundert aus England eingedrungen, der andere Teil spricht auch französisch.

Nach einem Besuch im bretonischen Museum und im Justizpalast von Rennes, in dem früher das freie Parlament der Bretagne tagte, wurde die Fahrtengruppe der SdJ im Rathaus von Rennes vom 2. Bürgermeister der Stadt empfangen. Wie überall, so mußten wir auch hier unsere Lieder singen und Tänze vorführen. Der Stehempfang im Festsaal des Rathauses war sehr eindrucksvoll und freundlich. Lm. Erich Kukuk konnte verschiedene Bildbände aus unserer Heimat und Material über das Sudetenproblem übergeben, das wir im reichen Maße mitführten. Ein großer Volkstumsabend in Rennes zusammen mit bretonischen Folkloregruppen beendete unseren Aufenthalt in der Hauptstadt der Bretagne.


Volkstumsabend im Schloß

Weiter ging es nach Norden, an die Smaragdküste, nach Plouezec. Hier wurden wir besonders herzlich empfangen. Untergebracht waren wir in der dortigen bretonischen Privatschule Skole Erwan. Am selben Abend hatten wir gleich wieder einen Volkstumsabend -- wir sind im Verlaufe dieser Fahrt allein sechsmal öffentlich aufgetreten -- zu dem über 1000 Zuschauer kamen. Mit Begeisterung wurden wir gefeiert und es dauerte wie alle bretonischen Feste bis lange nach Mitternacht. Am nächsten Tag empfing uns der Bürgermeister von Plouezec zu einem Ehren-Muscadet. In seiner Rede betonte er die notwendige Freundschaft der europäischen Volksgruppen und brachte seine Freude darüber zum Ausdruck, daß gerade die heimatvertriebenen Sudetendeutschen, vertreten durch die offizielle Gruppe der Sudetendeutschen Jugend, hier einen beispielhaften Schritt unternommen haben. Ungern schieden wir aus dieser gastlichen Stadt, fuhren weiter durch das Land der Calvarien, der Crepes und des Cidre in die Mitte des Landes, dort wo es am unberührtesten ist, mitten ins bretonische Gebirge. Hier in Menez-Kamp besitzt der bretonische Verband, der uns ein1ud, ein kleines bretonisches Schloß, weit ab von jeder menschlichen Ansiedlung, unser Aufenthaltsort für drei Tage.

Im herrlichen Kaminsaal des Schlosses war unser nächster Volkstumsabend mit bretonischen Gruppen. Wie nach jeder Veranstaltung sangen unsere bretonischen Freunde ihre Nationalhymne Bevet Breizh und wir dann immer die 1. Strophe des Deutschland-Liedes.

Dann ging es in den Westen, an die atlantische Küste bei Tronöen, wo wir den tobenden Atlantik an der Westspitze Europas erleben durften. Eine unerwartete Abwechslung brachte ein Besuch bei einem bekannten französischen Künst1er, Guy de Treveaux, der hier direkt am Meer arbeitete. In Pont–Labbé ein weiterer Volkstumsabend mit anschließendem Empfang durch die Stadt bei einem Crepes–Essen, dem omelettartigen Nationalgericht der Bretonen. Wieder vereinten sich junge Sudetendeutsche und Bretonen im gemeinsamen Tanz, begleitet vom biniou, dem Dudelsack, mit seinen oft getragenen und schwermütigen wie auch temperamentvollen Weisen. Zwischendurch hatten wir auch einen Diskussionsabend mit den Vertretern des politischen bretonischen Verbandes, Mouvement pour l´Organisation de la Bretagne, bei dem die Probleme, Geschichte und Struktur beider Volksgruppen vorgetragen wurden. Dieser Abend verlief in wunderbarer Harmonie und war für beide Seiten sehr aufschlußreich. Die Verständigung mit den Bretonen gestaltete sich verhältnismäßig leicht, da ein großer Teil unserer Teilnehmer die französische Sprache beherrschte.

Zum Schluß unseres Bretagne-Aufenthaltes traten wir noch einmal in Nantes, der früheren herzoglichen Residenz der Bretagne auf, ehe wir von unseren liebenswerten Gastgebern Abschied nahmen, die uns während der ganzen Fahrt begleitet hatten. Durch das Tal der Loire ging es wieder durch das Elsaß zum Heiligenhof, wo noch ein Abschlußabend stattfand.

Als größter Erfolg unserer Fahrt dürfte die Übertragung unseres Volkstumsabends in Rennes im Regionalprogramm des französischen Fernsehens (ORTF), sowie ein Interview des französischen Rundfunks mit Lm. Erich Kukuk über unser Problem, die beide am 20. August ausgestrahlt wurden, angesehen werden. Zwei Presseartikel über uns in der großen Tageszeitung Ouest-France mit 8,5 Millionen Lesern zeigen, welche starke Beachtung unserem Besuch beigemessen wurde. Trotz der unwahrscheinlichen Anstrengung dieser 14 Tage für alle unsere Teilnehmer war diese Fahrt nicht nur ein Erfolg für uns und unsere Sache, sondern auch ein unvergeßliches wunderbares Erlebnis.

Horst Rössler



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