Kieler Erklärung
Kiel 1955, Bundesjungendtag DJO
- Wir wollen die Erlebnisse aus Krieg und Vertreibung nicht vergessen oder unausgetragen beiseitelegen,
sondern daraus geläuterte Erfahrungen und Erkenntnisse zur allgemeinen und persönlichen
Lebensgestaltung gewinnen.
- Wir haben gesehen, wie Weltanschauungen und Ideologien versagen, wenn der Mensch nicht da ist, der
sie fruchtbar macht, der ihnen Maß verleiht und Grenzen setzt. Darum stellen wir den Menschen in
den Mittelpunkt unserer Erziehung. Den Menschen als Person, in seiner von Gott empfangenen Würde
und Freiheit.
- Wir entsagen aus unserer Erfahrung heraus dem Aberglauben an die Macht der bloßen Zahl, an
die Zusammenballung der Vielen zu den Menschenblocks der üblichen Menschenkundgebungen.
Wir bemühen uns vielmehr um echte Gemeinschaftsformen, die überschaubar sind, die mehr durch die
Kraft des Geistes als durch die Macht eines Organisationsapparates zusammengehalten werden.
- Wir bejahen den Gedanken des Volkes als der Gemeinschaft, die Berufsstände und Gesinnungsgruppen
umschließt. Von der Situation der Gemeinschaft soll das Maß der Freiheit bestimmt und die
Bindungen gesetzt werden. Wir wollen aus seiner Art leben, aus seiner Tradition unsere Vorbilder
nehmen und aus dem Ertrag ihres Geistes Kraft für die Zukunft schöpfen.
- Wir sehen -- mit Herder -- in den Völkern die Bausteine der Menschheit, darum glauben wir an Europa
als einer Vereinigung der freien Völker. Europa darf nicht gegen, sondern muss für die Völker
entstehen. Dies ist nur dann möglich, wenn die Völker sich nicht mehr in der großen Zahl,
sondern in der Qualität im Sinne ihrer geschichtlichen Rolle zu begreifen suchen.
- Von diesem Leitbild der Völkerordnung aus sehen wir auch unsere Aufgabe im Osten. Von diesem
Leitbild her werden wir dort zum Verzicht bereit sein, wo wir dem ureigensten Anspruch eines
anderen Volkes begegnen, um dort um Recht und Verständnis ringen, wo unser geschichtliches und
gegenwärtiges Recht nicht bestritten werden kann. Wir wollen keine politische Ordnung, die
nicht auch von den letzten unserer Nachbarvölker im Osten und mittleren Osten bejaht und
mitgetragen wird!
- Diese Gedanken wollen wir nicht nur als theoretische Grundsätze verkünden, sondern auch in realen
Bereichen des Lebens durchhalten. Wir wollen in unseren Jugendgruppen eine Atmosphäre schaffen,
in der wieder edle und freie Seelen leben können. Wir wollen trotz Technik und
Organisationsapparatur - aus unseren Gruppen Personen-Gemeinschaften entwickeln helfen, die
aus dem Geiste dieser Grundsätze leben und wirken wollen.
Dies ist unser ehrlicher Wille. -- Dies ist das Fundament unserer Arbeit.