Die Westdeutschen Parteien und die Vertriebenen

Parteipolitisch verhielten sich der BdV und seine Vorläuferorganisationen trotz einer erkennbaren Neigung der Mehrheit seiner Mitglieder zu den Unionsparteien neutral.
Auf den alljährlichen Deutschlandtreffen gaben sich die Vertreter der großen Parteien die Klinke in die Hand und überboten sich in Parolen, die nichts kosteten.

Konrad Adenauer rief den Schlesiern auf dem Deutschlandtreffen 1959 in Köln zu: "Die stärkste Waffe des Besiegten ist und bleibt die Geduld. Die stärkste Waffe ist ein zuverlässiger ethischer Glaube an die Heimat und an das eigene Volk." An gleicher Stelle erinnerte der Bundeskanzler 1961 an Elsaß-Lothringen, das " erst nach 47 Jahren wieder, seinem Willen entsprechend, zu Frankreich zurückgekommen ist. Haben Sie Geduld, haben Sie Ausdauer, haben Sie Hoffnung.“

Willy Brandt versicherte im selben Jahr: "Schlesien bleibt in unserem Bewußtsein deutsches Land. Es wäre unmenschlich. wenn man uns auch noch die Erinnerung an die Heimat aus dem Herzen reißen sollte. Keine Macht dieser Welt wird uns daran hindern können, unser ganzes Wollen auf die Wiederherstellung unserer staatlichen Einheit zu konzentrieren und mit friedlichen Mitteln um eine gerechte Grenzziehung und um das Recht auf Heimat zu ringen.
Und jeder deutsche Politiker muß sich verpflichten, daß er keine nationalpolitische Entscheidung hinter dem Rücken unserer heimatvertriebenen und geflüchteten Landsleute treffen wird.
Für wen das Ziel der Einheit unseres Volkes in Freiheit mehr bedeutet als eine unverbindliche Forderung in Feiertagsreden, der weiß genau, daß Berlin der Prüfstein für die Zukunft ganz Deutschlands ist."





Aktionsprogramm, das am Dortmunder SPD-Parteitag am 28. September 1952 beschlossen und auf dem Berliner Parteitag am 24. Juli 1954 erweitert wurde:

"Die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands in Frieden und Freiheit ist die dringendste politische Forderung des deutschen Volkes. ( ... ) Die Regelung der Gebiets- und Grenzfragen Deutschlands bleibt diesem Friedensvertrag vorbehalten.

Keine Regierung von Teilen Deutschlands darf durch Abmachungen mit den Besatzungsmächten Entscheidungen über diese Frage vorwegnehmen.
Die Abtrennung von Gebieten, die 1937 zu Deutschland gehörten, hat nicht neues Recht, sondern neues Unrecht geschaffen. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands erkennt sie weder im Osten noch im Westen an."





Grußbotschaft: Erich Ollenhauers an den Bundesvorsitzenden der Sudetendeutschen Landsmannschaft:

". . . Die SPD ist mit Ihnen einig in dem Bestreben, die friedliche Rückkehr aller Vertriebenen in ihre Heimat zu erreichen, gleichviel, ob sie innerhalb oder außerhalb der deutschen Vorkriegsgrenze gelebt haben.
Wie Ihnen bekannt ist, hat die SPD bereits im Jahre 1952 auf ihrem Parteitag in Dortmund nicht nur den Anspruch der Heimatvertriebenen auf Hilfe der Gemeinschaft bestätigt, sondern das Recht aller Menschen auf ihre Heimat, ihr Volkstum, ihre Sprache und Kultur vertreten.

Ich hoffe, daß der Sudetendeutsche Tag dazu beitragen wird, diese Ziele zu fördern.
In ihrem Rechtsanspruch auf die alte Heimat werden die Sudetendeutschen immer unsere Unterstützung finden . . . "



 

1960, 4. September

Ministerpräsident Kai Uwe von Hassel (CDU)

Was erwarten die Heimatvertriebenen positiv von einer Wiedergewinnung ihrer früheren Heimat?
Schon diese Fragestellung geht von falschen Voraussetzungen aus.

Die Rückgewinnung der deutschen Ostgebiete ist nicht Sache der Heimatvertriebenen allein, sondern geht das deutsche Volk in seiner Gesamtheit an.
Das deutsche Volk sieht in der Wiedererlangung der deutschen Ostgebiete die Rückgängigmachung einer völkerrechtswidrigen Handlung, einer willkürlichen Abtrennung seit jeher deutscher Gebiete. Die Aufrechterhaltung dieses Unrechts ist nur Quelle für neue Unruhe.

Die Rückkehr der deutschen Ostgebiete würde dagegen die Erkenntnis in der gesamten Welt stärken, daß die Beziehungen zwischen den Völkern auf Recht und Vertrauen und nicht auf Gewalt und Unrecht beruhen.
Dies und nichts anderes erwartet das deutsche Volk von der Wiedergewinnung der Ostgebiete.

Im übrigen sind sich alle bewußt, auch die Menschen im Westen, die ihre Heimat behalten durften, daß der Wiederaufbau der deutschen Ostgebiete ungeheure Belastungen für das deutsche Volk mit sich bringen wird, die zu tragen aber eine nationale Verpflichtung ist.

Oft liest man in der Presse und in Briefen auch die Bedenken von Politikern und Publizisten, ob die Heimatvertriebenen den Anspruch auf ihre frühere Heimat überhaupt verantworten können, einmal gegenüber denen, denen sie unterdessen neue Heimat geworden ist und zum anderen angesichts der heutigen Weltlage, in der die Durchsetzung ihres Anspruchs nach menschlichem Ermessen nur um den Preis eines allgemeinen, diesmal mit Atomwaffen auszufechtenden Krieges möglich wäre.



 

1961, 22. Januar

Gespräch zwischen SPD und SL

Auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung fand an diesem Wochenende in Bergneustadt eine Begegnung zwischen dem Bundesvorstand und dem Präsidium der Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Mitgliedern des Präsidiums der SPD statt.
Nach der Begrüßung durch Alfred Nau vom Vorstand der Stiftung und Erich Ollenhauer, den Vorsitzenden der SPD, hielten Herbert Wehner, MdB für die SPD und Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. H. C. Seebohm für die Sudetendeutsche Landsmannschaft einleitende Referate, denen sich eine ausführliche und in freimütiger Offenheit geführte Diskussion anschloß.

Beide Gesprächspartner waren sich über folgende Punkte einig:

  1. Die sudetendeutsche Frage ist durch die Vertreibung der Sudetendeutschen nicht erledigt.
    Die Vertreibung war widerrechtlich; sie muß auf friedlichem Weg wiedergutgemacht werden, ohne daß anderen Menschen aufs Neue Unrecht geschieht.
  2. Wiedergutmachung der Vertreibung heißt:
    Rückkehr der Vertriebenen, d. h. Verwirklichung ihres Rechts auf die Heimat.




In einem Telegramm zum Schlesiertreffen 1963 in Köln äußerte sich der SPD-Parteivorstand in dieser Hinsicht so eindeutig wie nie zuvor:
Breslau - Oppeln - Gleiwitz - Hirschberg - Glogau - Grünberg, das sind nicht nur Namen, das sind lebendige Erinnerungen, die in den Seelen von Generationen verwurzelt sind und unaufhörlich an unser Gewissen klopfen.
Verzicht ist Verrat, wer wollte das bestreiten:
Hundert Jahre SPD heißt vor allem 100 Jahre Kampf für das Selbstbestimmungsrecht der Völker.

Das Recht auf Heimat kann man nicht für ein Linsengericht verhökern -- niemals darf hinter dem Rücken der aus ihrer Heimat vertriebenen oder geflüchteten Landsleute Schindluder getrieben werden. ( ... )
Wir grüßen die Schlesier.

Erich Ollenhauer     Willy Brandt     Herbert Wehner.



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