Wo stolze Felsentürme . . .

Die Berge zu Pfingsten

Südtirolfahrt Pfingsten 1962

Erlebnisbericht von Roland Häusler und Herbert Wenig

Wir sitzen auf einem Felsvorsprung in der Nähe der Rosengartenhütte und schauen hinüber zum Latemar. Rechts von uns erhebt sich der Schlern, dahinter die Seiser Alm und hinter uns erhebt sich gewaltig die Rotwand des Rosengartens. Vor uns noch ein riesiges Schneefeld, vielleicht könnte man sogar noch Skifahren.

Sonntagnacht sind wir losgefahren und um 6 Uhr früh waren wir schon in München. Ihr glaubt nicht was der Bundesklaus für Augen gemacht hat, als wir plötzlich vor seiner Tür standen. Wir sind dann sogar über Nacht geblieben. Ganz zufällig war gerade der alte Hildebrand im Lande.

Dann ist alles ganz schnell gegangen.
Kufstein -- Brenner -- Bozen -- Karer See -- Tscheiner Hütte.

Gewaltig spiegelt sich der Rosengarten im kristallklaren Türkis des Karer Sees. Der Rosengarten sollte unser nächstes Ziel sein. Doch leider haben wir unsere Fahrt nicht optimal geplant. Für Bergtouren liegt dieses Jahr noch viel zu viel Schnee. Mindestens 6 Wochen zu früh sind wir gefahren und so müssen wir uns damit begnügen kleinere Tagestouren zu machen, wie heute eben zur Rosengartenhütte.

Wir sind ein bisschen herum gestiegen. Oft sind wir bis zu den Knien im Schnee versunken und ab und an gehen rechts und links von uns Steinschläge und Schneebretter ab. Richtig faul ist der Schnee geworden und so treten wir schleunigst den Rückweg zur Rosengartenhütte an.
Bevor wir endgültig ins Tal absteigen, wollen wir noch von einem Erlebnis besonderer Art berichten, das wir gestern Abend in der Hütte hatten.

Roland Häusler

Es fing damit an, dass wir im Tagesraum bei einem Glas Roten saßen und Lieder zur Gitarre sangen. Es waren noch einige andere Gäste da, die nach einiger Zeit kräftig mitsangen. Schon bald merkten wir, dass es ein schöner Abend werden würde.

Da traten plötzlich 4 braun gebrannte Gestalten durch die Tür, einer von ihnen hatte eine Laute dabei. Sie setzten sich zu uns und wir staunten nicht schlecht, als sie alle, aber auch alle unsere angestimmten Lieder mitsangen.
Nun begann es erst richtig schön zu werden. Alte Landsknechtslieder wechselten mit Vaganten- und Fahrtenliedern ab, ja sie sangen sogar tolle Berglieder die uns völlig fremd waren und das soll schon was heißen.

Zuerst hielten wir sie für Bergführer aus der näheren Umgebung, doch als wir später mit ihnen ins Gespräch kommen, staunen wir nicht schlecht.
Die vier waren ehemalige Gebirgsjäger der 1. deutschen Gebirgsjägerdivision, 40-50 Jahre alt mögen sie gewesen sein. Frauen und Kinder hatten sie zu Hause gelassen, um noch einmal eine gemeinsame Erinnerungsfahrt zu unternehmen. Alle vier tolle, zünftige Burschen.
Doch staunen wir noch mehr.
Der mit der Laute ist ein Enkel des Schriftstellers Ludwig Ganghofer. Der kleine, hagere Besitzer einer großen Spirituosenfabrik im Aartal. Schon vor dem Krieg waren diese beiden im Wandervogel aktiv. Der Dritte hat eine große Spinnerei im Rheinland und der Vierte, der älteste und lustigste, ist Generaldirektor der Pfanni-Werke in München.

Herbert Wenig, Tom

Doch weiter in der Geschichte.
Da heute für die vier der letzte Abend ihrer Tour ist, hatten sie an der Strasse in der Nähe ihres Wohnwagens einen Holzstoss aufgeschichtet, um gemeinsam, wenn auch etwas verfrüht, die Sonnenwende zu begehen.
Wir waren selbstverständlich eingeladen.
"Flamme empor," sechs Stimmen klingen durch die Nacht.
Dann ist es plötzlich still.
Gemeinsam schauen wir in die lodernden Flammen des Sonnwendfeuers.
Ein Feuer, eine Straße, sechs Kameraden. Plötzlich gehören wir alle zusammen. Wir denken an unsere Zukunft, sie vielleicht an die gemeinsame Vergangenheit.

"Nichts kann uns rauben, Liebe und Glauben zu unserem Land."

Einer der vier hatte es angestimmt und wir fallen alle gemeinsam zu gleich ein.

"Es zu erhalten und zu gestalten sind wir gesandt."

Wir singen noch ein paar weitere Lieder, dann springen wir über das Feuer. Die Flasche mit dem Roten macht die Runde.
Spät, aber froh und zufrieden gehen wir schlafen.

"Guten Morgen, Kameraden, grüßen wir das Himmelszelt . . . "

Mit einem Morgenlied wecken wir unsere vier neuen Freunde.
Wir frühstücken noch gemeinsam, Adressen werden getauscht. Wir werden sogar nach München eingeladen. Dann rauscht der Opel Kapitän mit dem großen Wohnwagen davon.

Zurück bleibt die Erinnerung.

(Verfasser: Roland Häusler und Herbert Wenig (Tom), Jungenschaft Hessen )

Rosengarten

 



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