Jungenschaft Schwaben:
Winterlager auf der Dinser Hütte, 26.12.1964 - 03.01.1965
Bericht


Der Jungenschaftsbrief der DJO Schwaben berichtet in seiner Nummer 1/65:


Meldungen in Deutschlands Presse: DJ0 Jungenschaft Schwaben bezwingt und erforscht Deutschlands schwierigsten Berg, den 4550 m hohen Juschajökul.

Es ist uns gelungen, den noch von den ungeheueren Anstrengungen gezeichneten Expeditionsleiter Herwig Heislerson zu einem Interview in unserer Redaktion zu begrüßen. Wir bringen als erstes Blatt Deutschlands den vollständigen Expeditionsbericht dieses verwegenen Unternehmens.


Expeditionsbericht:

1.Tag / 26. Dez. 1964:

In Nesselwang, einem kleinen Ort am Fuß des großen Gebirges, sammelt sich eine verwegene Mannschaft. Aus Illertissen, Buchloe, Augsburg, Aystetten, Nördlingen und Bonn sind sie gekommen.
Riesige Rucksäcke lasten schwer auf ihren Schultern, doch sie sind entschlossen, ihr Ziel zu erreichen: Es ist der Gipfel des Juschajökul, der zwar auf mangelhaften Karten dieses unerforschten Teils der Erde mit 1600 m und dem Namen Edelsberg angegeben wird, nach letzten Messungen unseres Expeditionsgeologen (lies: -verpflegungsmeisters, nach dessen Angaben 2.400 belegte Brote für die erfolgreiche Durchführung des Unternehmens benötigt wurden) aber weit mehr als dreimal so hoch ist.
Noch im alten Jahr will die Expedition den Bergriesen bezwingen.

Acht jüngere Kameraden haben, unter Walters Führung bereits am Vormittag den Aufstieg nach Lager I, der Dinser Schutzhütte, angetreten.
Die restlichen 19 Mann nehmen zusätzlich zu ihrer Ausrüstung noch die Verpflegung für die ersten drei Tage auf den Rücken. Zu ihnen gehören auch zwei weibliche Wesen, die sich trotz den zu erwartenden, ungeheueren Strapazen angeschlossen haben, wo sie dann im Lager I als Köchinnen und Ärzte alle Hände voll zu tun haben sollten. Nicht zuletzt von ihnen hing auch die erfolgreiche Beendigung unseres Unternehmens ab.

In drei Gruppen rücken wir nacheinander ab. Erst macht sich Klaus mit vier, eine halbe Stunde später Herwig mit sechs Mann auf den Weg. Ortfried, der den Auftsieg von früheren Erkundungsfahrten gut kennt, verläßt den Ausgangsort erst am Nachmittag.

Sehr schwierig ist der Aufstieg.
Hoher Neuschnee, läßt die schwerbepackten Bergsteiger und Träger oft bis zum Bauche versinken.
Die Letzten Zeichen der Zivilisation, zwei bewohnte Hütten, bleiben in Nebel und Schneetreiben zurück. Und weiter geht es durch uferlosen Schnee.
Walter mit seinem Vorkommando wird eingeholt, und die stärkeren Kameraden übernehmen das Spuren.

Endlich, es beginnt schon zu dämmern -- erreicht die Expedition die Dinser Hütte.
Bald knistern die Holzscheite im Ofen, und wohlige Wärme läßt die Strapazen des Aufstiegs vergessen.
Noch fehlt aber die letzte Gruppe mit Ortfried.
Inzwischen ist es Nacht geworden! Wir lassen die Fensterläden offen, um den Kameraden eine Orientierung zu geben. Wir warten und warten . . .   Schon machen sich drei Mann fertig, um nach den Verschollenen zu suchen, da trifft Ortfried mit seiner Gruppe ein. Durchschwitzt und erschöpft lassen sie sich auf die Bänke sinken.
Sie haben in Dunkelheit und Nebel den Einstieg in den Steilhang verfehlt und mußten die meterhoch verschneite Nordflanke des Berges queren.
Ihnen schmeckte die heiße Suppe am besten.


2.Tag / 27. Dez. 1964:

Der dichte Nebel hält uns im Lager I fest. Erste Härteübungen, wie Waschen mit freiem Oberkörper an der verschneiten Quelle, bereichern das Programm.
Alle Expeditionsteilnehmer werden mit der Kunst des Schifahrens vertraut gemacht.
Am Abend dröhnt die Hütte von unseren wilden Gesängen.


3.Tag / 28. Dez. 1964:

Das Wetter hat sich etwas gebessert.
Nach dem Frühstück verlassen uns fünf Kameraden. Sie bringen unsere Post ins Tal und holen Verpflegung für die nächsten Tage. Die übrige Besatzung bereitet sich in Arbeitsgruppen auf die Errichtung des Lagers II vor.
Probeweise bauen wir eine Kohte vor der Hütte auf. Klaus hat unterdessen einen günstigen Platz für Lager II ausgekundschaftet und durch zwei Kohtenstangen markiert.
Der Abend bringt eine Geistergeschichte und auch sonst manch Gruseliges.


4.Tag / 29. Dez. 1964:

Am frühen Morgen bricht die Mannschaft bei herrlichem Sonnenschein nach Lager II auf. Klaus führt uns an den vorgesehenen Platz.
Zwei volle Stunden haben wir zu tun, um den meterhohen Schnee beiseite zu schaufeln und den Platz für die Kohte freizulegen. Aufgebaut und eingerichtet ist sie dann schnell, und bald erfüllt das Feuer den kleinen Raum mit Qualm und Wärme.
Für zwei Mann mit Ausrüstung und Vorräten bietet das Zelt genügend Platz. Die übrigen Kameraden fahren bei Hereinbrechen der Dunkelheit wieder zum Lager I ab.

Am Abend erreicht uns durch einen Sonderboten folgendes Telegramm:
An die Teilnehmer der Winterexpedition zum Juschajökul! Erbitten genauen Forschungsbericht sofort nach Beendigung des Unternehmens!
    gez. UPI DPA Juschapress

erwarten fiebernd die ersten Erfolgsmeldungen -- stop -- hörten von versorgungsschwierigkeiten, da fressender wolf im lager -- stop -- schicken sofort 5 Kisten SRG /Spezialreisigengift/ -- stop -- zur vernichtung des lagerparasiten -- stop -- ist wettschwimmen geplant? -- stop -- da bademeister mit salzwasserpatent als chef -- stop -- erhielten zur weiterleitung stiftung von zwei tonnen viehsalz -- stop -- zur reibungslosen abwicklung -- stop -- gehen sofort ab augsburg.

new york zoo bittet um Yeti -- stop -- zum leichteren erkennen im gelände die beschreibung: -- stop -- ca. 1.90 m groß, blond, trägt im allgemeinen schwarzes schneehemd, braune bundhose und rote strümpfe -- stop -- vorsicht sehr bissig -- stop -- nur mit spezialköder typ «wodka» aus seiner Höhle zu locken.
    gez. dik rddjojuscha.


5.Tag / 30. Dez. 1964:

Ernst und Klaus brechen mit drei Mann zum Gipfel auf. Sie haben den Auftrag, dort einen Holzstoß für das Neujahrsfeuer zu errichten.
Außer den Kameraden des zweiten Verpflegungstrupps, der heute die Verbindung mit der Außenwelt wieder herstellt, packen alle tüchtig mit an, beide Lager mit Holzvorräten auszustatten.

Am Spätnachmittag kehren die Gipelstürmer zurück und berichten von ihrem Sieg über den Berg. Auf der großen Besprechung im Stammlager wird einstimmig beschlossen, am nächsten Tag den Erfolg zu feiern!


6.Tag / Immer noch 1964:

Die Freude über den Gipfelsieg greift schon am frühen Morgen auf die ganze Lagerbelegschaft über.
In närrischen Verkleidungen rasen wir die Hänge hinunter. Beduinen, Räuber, Schmuggler, Schwerathleten und Hexen wirbeln und purzeln durcheinander. Die Badewannenproduktion erreicht Rekorde!

Ein Hüttenzauber mit Attraktionen und Sensationen leitet die letzte Nacht des alten Jahres ein.
Erst zwei Stunden vor Mitternacht verrauscht das Siegesfest, und wir machen uns auf, um die Jahreswende am Gipfel zu erleben. In der sternklaren Nacht sehen wir bis an den Horizont die unzähligen Lichter der Städte und Dörfer zu unseren Füssen.

Als der Holzstoß in unserem Kreis auflodert, versinkt die funkelnde Welt um uns. Die Gesichter der Kameraden heben sich glühend vor der schwarzen Wand der Nacht ab.
Wir wissen, daß wir alle zu einer großen Gemeinschaft gehören, und geloben, auch im neuen Jahr fest zusammenzustehen.


7.Tag / 1. Jänner 1965:

Wettbewerbe füllen die letzten zwei Lagertage aus.
Heute beim großen Torlauf geht es um Bruchteile von Sekunden, doch mitmachen und durchhalten gilt mehr als siegen.


8.Tag / 2. Jänner 1965:

Der Abfahrtslauf bringt die Entscheidung über den Gesamtsieg:
Gerfried ist der gefeierte Mann des Tages!
Gesamtzeit in Sekunden:

      Gesamtzeit (Sek.) Note
1. Gerfried Bonn 149 1,0
2. Herwig Nördlingen 159 3,5
3. Roland Bonn 154 5,0
4. Karl Zul. Illertissen 162 5,5
5. Ortfried Illertissen 160 6,0
6. Wolf (Yeti) Augsburg 163 6,5
7. Ernst Augsburg 170 6,5
8. Ludwig Bonn 170 8,5
9. Gudrun Nördlingen 173 8,5
10. Walter Buchloe 172 9,0
11. Peter Wolf Aystetten 189 10,5
12. Manfred Böhm Illertissen 202 11,5
13. Wolf Lipfert Aystetten 188 12,0
14. Manfred Lein Buchloe 192 12,0
15. Udo Illertissen 210 13,5
16. Iwan Buchloe 226 16,0
17. Bulli Buchloe 226 16,5
18. Roxy Buchloe 234 17,5
19. Herbert Gersthofen 253 18,5
20. Grasse G. Nördlingen 240 19,0
21. Klaus Richter Aystetten 306 21,0

Schiedsgericht: Hans Nowak, Augsburg
Medizinische Betreuung: Roswitha Schwarzer, Nördlingen.


9.Tag / 3. Jänner 1965:

Lagerabschluß und Abmarsch. Es hat wieder angefangen zu schneien.
Bald sind alle Spuren verweht, die wir in den Schnee gefurcht haben, aber in unserer Erinnerung werden sie noch lange sein.


Herwig Heisler


 



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