40 Jahre Deutsche Jugend des Ostens in Bayern

Interview mit Dieter Max,
Gründungsmitglied und Landesvorsitzender der DJO-Bayern von 1956 - 1967
Frage: Was war die Intention 1951, die DJO Bayern zu gründen? Welche Geburtswehen gab es?
Max: Die Gründung der DJO 1951 war eher der Abschluß einer Gründungsphase, als eine Stunde Null.
Unmittelbar nach der Vertreibung waren überall Jugendgemeinschaften der Vertriebenen entstanden und zwar ganz spontan ohne Aufruf, ohne organisatorische Anstöße von einer zentralen Stelle, die es damals auch gar nicht gab.
Frage: Worauf führen Sie diese spontane Gruppenbildung zurück?
Max: Man würde heute sagen, auf die damalige gesellschaftspolitische Situation.
Millionen Vertriebener waren neu angesiedelt und zwar nicht in den Städten, die waren zerbomt, sondern draußen auf dem flachen Land.
Viele Familien lebten in Barackenlagern und es ergab sich fast von selbst, in diesen Lagern mit einer Jugendarbeit zu beginnen.
Die meisten Vertriebenen waren aber in Bauernhäusern einquartiert und erlebten dort unter einem Dach, daß die einen Butter und Eier gegen Schmuck und Teppiche eintauschten, während die Vertriebenen um Kartoffeln bettelten. br> Während sich die Dorfjugend beim Dorfwirt traf standen wir als Flüchtlinge draußen, denn es fehlte an Arbeitsplätzen, die es ja am flachen Land nicht gab und daher an Geld.
Das waren die Grundlagen zur Bildung von Jugendgemeinschaften, aus deren Zusammenfassung sich 1951 die DJO bildete.
Frage: Und Geburtswehen?
Max: Weder Jugendheime noch Geld.
Frage: Welches Selbstverständnis hatte die DJO damals?
Max: Nach einem Selbstverständnis hat damals zunächst niemand gefragt.
Aus der Situation heraus, die ich soeben beschrieben habe, fand sich jemand, der die Initiative ergriff, und schon war eine Jugendgruppe entstanden.
Und weil sich zur gleichen Zeit auch die Erwachsenen in den Landsmannschaften zusammengeschlossen hatten, ergab sich auch hier die Anbindung und der Zusammenschluß mehr oder weniger von selbst.
So entstand die Sudetendeutsche Jugend oder die Schlesische Jugend.

Der Versuch, ein Selbstverständnis zu diskutieren und zu Papier zu bringen, wurde erst akut, als nach der Gründung der DJO begonnen wurde, auch eine Satzung zu formulieren und zu verabschieden.

Frage: Wenn man die Jugendnachrichten des BJR's von damals durchliest, dann bestand die DJO-Bayern aus zwei landsmannschaftlichen Jugendverbänden, der SdJ und der Schlesischen Jugend (1957 kam die Oberschlesische Jugend dazu), dann ist das ein falsches Bild.
Max: Das ist so nicht richtig.
In Bayern war zwar von Anfang an die Sudetendeutsche Jugend führend; das hing damit zusammen, daß 1,2 Millionen Sudetendeutsche in Bayern eine neue Heimat gefunden hatten.
Es gab aber auch viele Schlesische Jugendgruppen, und es gab auch eine Ostdeutsche Jugend OdJ als Jugendorganisation des überlandsmannschaftlichen Zentralverbandes vertriebener Deutscher.

Daneben gab es aber auch Jugendgruppen anderer Landsmannschaften wie der Ostpreußen, der Pommern, der Westpreußen, der Siebenbürger Sachsen, der Karpatendeutschen usw..
Sie alle waren bei der Gründung des DJO-Landesverbandes 1951 in Straubing bereits dabei, auch wenn sie damals auf Landesebene landsmannschaftlich noch nicht organisiert waren.

Die Sudetendeutsche Jugend war auch schon lange vor der Gründung der DJO Mitgliedsverband des Bayerischen Jugendrings und mußte diese Mitgliedschaft dann nach der DJO-Gründung zugunsten des Gesamtverbandes aufgeben.

Frage: Wie war die Position der landsmannschaftlichen Jugendverbände zur bzw. in der DJO-Bayern und umgekehrt?
Max: Ohne Zweifel; die Sudetendeutsche Jugend hat innerhalb der DJO -- ich sagte das schon -- zahlenmäßig dominiert. Daraus ergaben sich natürlich auch manche Führungsprobleme.
Daher hat man neben dem Landesvorstand, der stark sudetendeutsch geprägt war, ein zweites Beschlußgremium, nämlich den landsmannschaftlichen Beirat geschaffen, in dem jede landsmannschaftliche Gruppierung ohne Rücksicht auf ihre Stärke mit einer Stimme vertreten war.
Aber das war nicht das Hauptproblem. Ich sagte schon, die Suche nach dem Selbstverständnis begann eigentlich erst mit der Gründung der DJO.

Während die Sudetendeutsche Jugend bemüht war, an die Tradition der sudetendeutschen Jugendbewegung vor 1938 anzuknüpfen, gab es in den meisten der deutschen Ostgebiete schon seit 1933 keine freie Jugendbewegung mehr.
Man war also auf der Suche nach einer neuen Form der Jugendarbeit, und der Fächer war weit gespannt und reichte von der Turner- oder Pfadfinderarbeit über den Trachtenerhaltungsverein bis zur politischen Jugendorganisation.

Tatsächlich wurde innerhalb der DJO viele Jahre hindurch um die Form der Jugendarbeit gerungen, wobei ich schon sagen kann, daß die Sudetendeutsche Jugend von allem Anfang an eine klare Vorstellung von ihrer Arbeit hatte, die sie auch umsetzte und damit zunächst in Bayern aber später auch auf Bundesebene die Arbeit der DJO stark beeinflußte.

Frage: Wann gab es in der Geschichte der DJO Bayern markante Einschnitte, und welcher inhaltlicher Art waren diese?
Max: Die wesentlichsten Einschnitte kamen erst einige Zeit nach meinem Ausscheiden aus der Jugendarbeit. Dazu kann und will ich mich nicht äußern. Sie hängen im übrigen auch mit dem Wandel in der Jugendarbeit allgemein zusammen.

Wenn ich aber auf meine Zeit zurückblicke, so ergaben sich insofern Einschnitte, als es zunächst darum ging, der aus ihrer Heimat vertriebenen Jugend die Heimat geistig zu erhalten.
Wir haben die Vertreibung von unschuldigen Menschen aus ihrer Heimat von jeher als ein Unrecht betrachtet und haben daher den Anspruch auf diese Heimat auch nicht aufgegeben und wollten der damaligen Jugend auch diese Heimat geistig erhalten.
Wir bekamen es dann im Laufe der Zeit mit jungen Menschen zu tun, die als Kinder die Heimat verlassen hatten, und wir konnten plötzlich nicht mehr die Heimat erhalten, sondern wir mußten die Heimat vermitteln.

Und dann kamen junge Menschen zu uns, die hier schon geboren, deren Eltern aber Vertriebene waren. Nun ging es darum, den Jugendlichen die Heimat der Eltern zu vermitteln.

Das waren Einschnitte hinsichtlich der Zielsetzung aber natürlich auch der praktischen Arbeit im Verband.
Und dann kamen plötzlich auch einheimische Jugendliche zu uns, die sich von unserer Jugendarbeit angesprochen fühlten und die in unsere Gemeinschaften hineinwuchsen.

Frage: Wie sehen Sie im Nachhinein die Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld de jure (Völkerrecht) und de facto (politische Realität) bezüglich der deutschen Ostgebiete?
Max: Ich habe schon gesagt, die Vertreibung von Menschen aus ihrer angestammten Heimat ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ich glaube, darüber gibt es auch gar keinen Zweifel, und selbst Menschen, die unserer Arbeit sehr reserviert, ja sogar ablehnend gegenüberstehen, werden dieser Feststellung nicht widersprechen.

Und kein geringerer als Vaclav Havel hat unmittelbar vor und auch nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten der CSFR erklärt, daß die Vertreibung eine zutiefst unmoralische Tat war.

In einer Zeit, da mitten durch Europa Mauern und Stacheldraht errichtet waren, bestand überhaupt keine andere Möglichkeit, als an Rechtspositionen festzuhalten. Es gab keine Möglichkeit zu Gesprächen und zu vernünftigen Lösungen.

Seit der Wende in Osteuropa stehen wir vor einer neuen Situation.
Wenn die Vertreibung eine zutiefst unmoralische Tat war, muß man sich auch darüber Gedanken machen, in welcher Form begangenes Unrecht wieder gutgemacht werden kann. Dabei kann niemand übersehen, daß das, was sich 45 Jahre hindurch in den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang entwickelt hat, nicht einfach ungeschehen gemacht werden kann.
Man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Ein neuer Anfang muß gemacht werden, und es ist unser aller Aufgabe, nach neuen Wegen zu suchen.

Frage: Wie und wann entstand neben der landsmannschaftlieh orientierten Jugendararbeit eine djo-Identität?
Max: Die djo-Arbeit hat sich immer mehr durchgesetzt, als im jugendpflegerischen Bereich zusätzliche Aufgaben übernommen wurden, wie z.B.: Jugenderholung, Zeltlager, und immer mehr junge Menschen zu uns kamen, die in Bayern geboren sind.
In dieser Zeit, Mitte der 60er Jahre, sind dann überlandsmannschaftliche Gruppen entstanden.
Es wurde in der gemischten Gruppe versucht, die Verbindung zur Heimat der Eltern herzustellen.


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