Erste Sudetendeutsche Mädchenbildungewoche
04.06. bis 16.06.1961

Mehr als in einer anderen Staatsform ist es in einer Demokratie notwendig, daß die Jugend, die ja in der Folgezeit zu Bürgern dieses Staates wird, zum selbständigen Denken und zur Mitarbeit in einer Gemeinschaft erzogen wird, ein Weg, der dahin führt, ist die Erwachsenenbildung. Immer mehr greift der Gedanke um sich, auch nach der Schul- und Lehrzeit etwas zur persönlichen Weiterbildung zu tun. An erster Stelle stehen in diesem Bemühen wohl die Volkshochschulen, aber auch den Jugendverbänden wird neuerdings diese Möglichkeit geboten.
So wurde der Gedanke einer 1. SUDETENDEUTSCHEN MÄDCHENBILDUNGSWOCHE Wirklichkeit.

Innerhalb unseres Verbandes wurde diese Woche ausgeschrieben, mit dem ausdrücklichen Vermerk, daß nicht nur Sudetendeutsche, sondern alle interessierten Mädchen daran teilnehmen können. Die Bedingungen waren so gehalten, daß jedem Teilnehmer die Fahrtkosten erstattet wurden und generell ein Eigenbeitrag von 75 DM für Unterkunft, Verpflegung und sämtliche Lehrgangskosten zu entrichten war.
Es meldeten sich zu dieser Woche 9 Mädchen zwischen 17 und 23 Jahren. 7 davon sind in kaufmännischen Berufen tätig, 1 arbeitet als med. techn. Assistentin und eine ist Blumenbinderin. Sie kommen aus Niedersachsen, Rheinland/Pfalz, Hessen und Bayern, herkunftsmäßig aus dem Sudetenland, aus Schlesien und Bayern.
Durchwegs haben die Mädchen ihre gesamten Urlaubstage für diesen Zweck hergegeben, ein Zeichen, daß sie ernstlich an ihrer persönlichen Weiterbildung interessiert sind.

Als Lehrgangsort wurde das Haus Sudetenland gewählt, der Verlauf des Lehrganges zeigte, daß kein anderer Ort so geeignet für derartige Maßnahmen wäre, wie eben Waldkraiburg.

Hier sei an erster Stelle der Leitung der Mittelschule, Herrn Direktor Keil und seinen Lehrkräften gedankt, ohne ihre Mithilfe wäre diese Woche in ihrer Planung nicht durchführbar gewesen.

Sinn und Zweck dieser sudetendeutschen Mädchenbildungewoche war es, den Horizont zu weiten für die Probleme des heutigen Lebens, Verantwortungen aufzuzeigen, die insbesondere Mädchen und Frauen als die Trägerinnen zukünftigen Lebens, betreffen und darüber hinaus ein Stück sudetendeutscher Tradition zu vermitteln, so wie sie uns hier in Waldkraiburg entgegentritt.

Der Tageslauf war so abgestimmt, daß geistiges und körperliches Schaffen abwechselt, aber auch, daß immer noch etwas Zeit für persönliche Belange und Erholungspausen zur Verfügung war.

Mit einem kurzen Morgenturnen begann um 7.30 Uhr der Tag. Nach dem gemeinsamen Frühstück und kleinen Ordnungsdiensten fand sich der Lehrgang zu einer Einstimmung zusammen. Dabei wurde gesungen, aber auch gute Musik von Schallplatten gehört und aus guten Büchern gelesen. Wer hat schon im Alltag Zeit zu solch einem Tagesbeginn?

Der Lehrgangsstoff teilte sich in verschiedene Gebiete auf:

Unter Leitung von Frau Seitz konnten wir zweimal in der Schulküche der Mittelschule sudetendeutsche Gerichte kochen.
Sogar den Nichtsudetendeutschen haben sie gut geschmeckt!
Wir sind Frau Seitz vor allem für die gute Anleitung dankbar.
Sie gab uns auch in einer weiteren Aussprachezeit Erläuterungen zum Thema Gesunde Lebensführung.

Herr Oberlehrer Grund mühte sich ebenfalls redlich mit uns, wir waren im Werken nicht allzu geschickt, aber dafür umso mehr begeistert. Vor allem freute es uns, daß wir regelrechte Gebrauchsgegenstände unter unseren Händen erstehen sahen und nicht irgendwelchen unnützen Tand. In Linol konnte sich jeder das Wappen seiner Heimatstadt schneiden, dann schnitzten wir einen für unsere Begriffe wunderschönen Salatlöffel und hämmerten kleine Schalen aus Metall.
Sicher kann man diese Dinge besser und schöner auch in einem Kunstgewerbegeschäft kaufen. Aber für uns sind die selbst hergestellten Gegenstände ungleich wertvoller, allein durch den Stolz, sie selbst geschaffen zu haben.

Für die Leibeserziehung konnten wir Fräulein Pertl gewinnen. Sie verstand es nicht nur, unsere etwas eingerosteten Glieder wieder in Gang zu bringen (wir merkten das am darauffolgenden Muskelkater!), unter ihrer guten Anleitung wuchsen wir in unseren Leistungen manchmal über uns selbst hinaus und haben viel Freude an der Leibeserziehung bekommen.

Staatspolitisches Denken heißt wach sein für die Gefahren, die unseren Volke drohen, das war der Grundtenor des Referates von Wolfgang Egerter. Die Zeiten, wo sich ein Mädchen fern ab vom politischen Geschehen wohlbehütet ausschließlich im Kreis der Familie bewegte, ist längst vorbei.
Jeden Tag werden uns Bewährungsproben gestellt und wir haben die Pflicht, als Staatsbürger mitzudenken und mitzuarbeiten, wenn wir nicht eines Tages unsere Freiheit verlieren wollen.

Auf einer Lehrfahrt nach München konnten wir praktische Staatsbürgerliche Kenntnisse erwerben. Wir besuchten eine Gerichtsverhandlung, bei der ein Bandendiebstahl abgeurteilt wurde. Wohin es führt, wenn das Elternhaus versagt, wurde uns an Hand der beiden krassen Fälle dort sehr deutlich.
Die anschließende Aussprache mit Staatsanwalt Dr. Wuschek über Rechtsfragen im täglichen Leben war nach dem etwas aufregenden Vormittag doppelt interessant.

Aufgeschlossen waren die Teilnehmerinnen auch für die Stadt Waldkraiburg, in der wie kaum irgendwo sonst ein starker Aufbauwille zu spüren ist.
Nicht nur die neue Mittelschule mit ihrer einzigartigen ostkundlichen Werkausstellung, durch die uns Herr Direktor Keil führte, hat uns sehr beeindruckt, auch die vielen neuen Industriebetriebe, wir konnten einen davon besichtigen, zeigten uns, was hier aus wilder Wurzel --- wenn auch mit staatlicher Hilfe -- mit ungeheurem Fleiß entstanden ist.

In München haben wir einen großen sudetendeutschen Betrieb, das Modehaus Queisser besichtigt. Wir bewunderten nicht nur die herrlichen Modeschöpfungen, sondern auch die sehr geschmackvollen Vorführ- und Arbeitsräume des Modehauses und hörten interessiert von den Arbeitsgängen in solch einem Betrieb.

Sehr interessant war für uns auch ein Ausspracheabend mit Herrn Prof. Losert. Er sprach mit uns über moderne Kunst und Kunstbetrachtung und eröffnete uns ein neues Blickfeld.

Besonders schöne Stunden brachte uns ein Abend, an dem uns Herr Prof. v. Dombrowsky aus seinem entzückenden Buch ´s Roserl vorlas. Man kam aus dem Schmunzeln nicht heraus und Schmunzeln ist ja manchmal noch mehr als lachen.

Einen unserer letzten Lehrgangstage verbrachten wir in Salzburg. Nicht mit großen Führungen, sondern mit getrennten Streifzügen versuchten wir, so viel wie möglich von der Stadt zu sehen. Es singt und klingt noch immer in uns, wenn wir an diesen Tag denken mit dem Erlebnis einer Stadt, die uns wie zu Stein gewordene Musik erscheint.

Daß wir beinahe am Abschluß des Lehrganges noch bei Prof. Staeger im Atelier zu Gast sein durften, danken wir ihm von Herzen.

Es war kein Urlaub im üblichen Sinne -- so etwa wie wenn man in einen mehr oder weniger bekannten Urlaubsort fährt.
Und ab und zu haben die Mädchen wohl auch einmal gestöhnt, wenn zu viel mitzuschreiben war und nebenbei noch so manche Arbeiten getan werden mußten. Aber ich glaube, wir alle hatten doch sehr viel Freude an diesen Tagen.
Es ist nicht leicht, gegen den Strom zu schwimmen -- aber wenn es einem so viel Nutzen bringt ist es sehr befriedigend.

Sehr befriedigt waren auch wir von der Lehrgangsleitung und wir sind -- trotz der geringen Teilnehmerzahl -- mit dem Erfolg des Lehrganges sehr zufrieden.

Zum Schluss und doch nicht zuletzt danken wir ganz besonders herzlich dem Haus und seinem Personal.
Wir haben uns vom ersten Tag an hier sehr wohl gefühlt!



    Home