Regensburg, 2./3. Nov. 1968
Die Sudetendeutsche Landsmannschaft veranstaltete am vergangenen Wochenende in Regensburg einen Kongreß junger Sudetendeutscher, der von mehr als 400 Jugendlichen aus der Bundesrepublik und Österreich besucht war und die Tatsache erfolgreich unterstrich, daß das Sudetenproblem keine Generationsfrage ist.
Sechs Arbeitskreise, die sich einerseits mit allgemeinen, zeitgeschichtlichen und politischen Problemen, aber auch Aufgaben der Sudetendeutschen und ihrer Landsmannschaft beschäftigten, vereinigten die Teilnehmer zu ernsten Sachdiskussionen, die sich an die jeweiligen Referate von Dr. Otto Kimminich, Regensburg, Dr. Fritz Wittmann, München, Dr. Fritz-Peter Habel, München, Dr. Emil Franzel, München, Wolfgang Egerter, Friedrichsdorf/Ts., Dr. Franz Obmann, Rüsselsheim und Oskar Böse anschlossen.
Eine öffentliche Podiumsdiskussion nahm zum Thema Nachhut der Vergangenheit oder Partner des Fortschritt Stellung und bot den Teilnehmern die Möglichkeit, von verschiedenen Standorten aus die Gemeinsamkeit der Aufgabenstellung zu erarbeiten. Neben dem Slowaken Kristof Greiner und dem Tschechen Jaroslav Kusy diskutierten unter der Leitung von Oskar Böse die Sudetendeutschen Dr. Walter Brand, Wolfgang Egerter, Jörg Kudlich, Hermann Kinzel und Dieter Hüttner.
Im Mittelpunkt des Jugendkongresses stand die Rede des Sprechers der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Dr. Walter Becher, MdB, der sich eingangs mit dem vielschichtigen Problem der heranwachsenden Generation
befaßte, deren Herausforderung an ihre Umwelt in erster Linie darin bestünde, daß sie ohne Phrase und sachlich
überzeugt zu werden verlange.
Dieser Kongreß sei daher ein Kongreß der Überzeugung, von dem vielfältige Impulse für die Alltagsarbeit
der Volksgruppe und für die politische Betätigung des Einzelnen ausgehen müßten. Er habe aber auch planende
Aufgaben und Fragen zu stellen. Etwa, wie junge Sudetendeutsche bereit wären, sich in der Zukunft im Lande
ihrer Väter niederzulassen, wobei es sich in Wahrheit um ein Vorausgehen im Sinne einer deutschen und
europäischen Aufgabe handeln müßte -- und nicht um eine Rückkehr!
Angesichts der im Sudetenland herrschenden desolaten Verhältnisse müßten diese jungen Menschen
Entwicklungshelfer von morgen sein, die der Verödung des alten sudetendeutschen Heimatraumes ein Ende bereiten
und einen Aufbau im europäischen Sinne vorzunehmen hätten.
Das sudetendeutsche Problem ist nach wie vor ein Kernproblem, es steht nicht am Schluß einer Epoche.
Seine Bedeutung wird vom Osten sehr genau erkannt, der aus diesem Grunde die Sudetendeutschen zu
Hauptangriffszielen seiner Sowjetpropaganda macht.
Die Sudetendeutschen sind seit 1918 die Traditionsträger des Gedankens vom Selbstbestimmungsrecht, das
ihnen damals bereits verweigert wurde und das in der Volksgruppe auch unter neuen Verhältnissen im Sinne
einer Partnerschaft und friedlichen Zusammenarbeit der Völker untereinander, weiterwirkt. Einer der
bekanntesten Historiker unserer Tage hat kürzlich festgestellt, daß das Schicksal der sudetendeutschen
Volksgruppe wesentlich davon abhinge, in wie weit es gelänge, ihr eigenes Selbstbewußtsein und
Geschichtsbewußtsein aktiv und lebendig zu erhalten.
Wir sind vor die Frage gestellt, ob Böhmen Teil eines freien Europa oder Bastion gegen den Westen sein
soll und die Sudetenfrage liegt auch heute im Schnittpunkt der politischen Kraftfelder Mitteleuropas.
Dies erkenne der Osten sehr genau, während führende politische Kreise in der Bundesrepublik die
törichste Formel einer Papageiengesellschaft nachahmen, in dem sie das nachplappern, was der politische
Planungsstab des Kreml vorkaut.
Die kürzlich von einem offiziellen Regierungsmitglied aufgestellte Behauptung, daß das Münchner
Abkommen von Anfang an ungerecht gewesen sei, widerspricht dem klaren Ablauf der geschichtlichen
Ereignisse, sei eine stillschweigende Anerkennung der Konzepte des Gegners und leiste der Demontage der
freien Welt Vorschub.
Die Sudetendeutschen werden sich mit ihrem Bekenntnis zur Demokratie durch niemanden übertreffen lassen
und werden die Partnerschaft freier Völker und Volksgruppen in einem vereinten Europa auch in Zukunft als Ziel
ihrer Politik sehen.
Zum Schluß forderte der Sprecher seine jugendlichen Mitarbeiter auf, die Auseinandersetzung mit anders eingestellten Personengruppen zu suchen und als Elite der Leistung in die Arbeit der Volksgruppe und damit eines Teiles der freien Welt zu treten.
Der Kongreß junger Sudetendeutscher war eine eindrucksvolle Antwort an alle jene im Lande, die seit
Jahren die Landsmannschaft als eine Art Veteranenverein abzuwerten versuchen und nicht sehen wollen, daß auch
innerhalb der vielgelästerten Jugend Kräfte am Werke sind, unter neuen Vorzeichen und mit neuen Methoden das
Werk der alten Generation fortzusetzen.
So betrachtet war Regensburg ein voller Erfolg, nicht nur für die Sudetendeutschen, sondern für alle,
die an die Idee der Freiheit glauben.
-.-o-o-.-
Herausgegeben von der Bundespressestelle der Sudetendeutschen Landsmannschaft e. V.
Postanschrift: 8 München 19, Postfach 46 - Tel. 5132055
Es folgen nun die Berichte von drei der oben angeführten Arbeitskreise:
SUDETENDEUTSCHE LANDSMANNSCHAFT
Kongreß Junger Sudetendeutscher
Bericht über den Arbeitskreis:
Evolution statt Revolution -- Unser Beitrag zur gesellschaftspolitischen Debatte heute
Referent: | Wolfgang Egerter M. A. | |
Arbeitskreisleiter: | Peter Hucker, Dipl. Volkswirt |
Der Referent erläuterte eingehend die 10 Thesen zu seinem Referat Evolution statt Revolution, die den Teilnehmern des Arbeitskreises vorlagen.
Er unterstrich besonders, daß die heutige Gesellschaft durch Mobilität und Veränderung gekennzeichnet ist. So sollten insbesondere die Sudetendeutschen nicht ein retardierendes Moment darstellen, sondern sich dieser gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung stellen.
In diesem Zusammenhang legte er Wert darauf, daß nicht die Begriffe Ordnung und Ruhe die Zukunft unserer Gesellschaft bestimmen dürfen, sondern Unruhe und Bewegung. Er verwies darauf, daß der Protest der Jugend gegen die bundesdeutsche gesellschaftliche Wirklichkeit differenziert gesehen werden müsse, daß es nicht ausreicht, den Protest zu bekämpfen, sondern müsse einer echten Evolution in unserer Gesellschaft kommen.
In der anschließenden Aussprache wurden die Thesen des Referates ausführlich diskutiert.
Insbesondere:
Anschließend forderten die Teilnehmer der Arbeitsgruppe die zuständigen Gremien der Sudetendeutschen
Landsmannschaft auf, nicht nur zu Fragen der Heimatpolitik Stellung zu nehmen, sondern auch zu
gesellschaftspolitischen Problemen.
Hier sollte sich die Sudetendeutsche Landsmannschaft nicht auf Teilprobleme (z. B. Ostkunde,
Lastenausgleich, Fremdrenten) beschränken, sondern zu den Fragen ihrer Gesamtheit Stellung beziehen;
insbesondere sollte sie ein integriertes bildungspolitisches Konzept entwickeln -- von der Volksschule bis
zur Erwachsenenbildung --, das jedem Begabten gleiche Bildungschancen eröffnet.
In diesem Zusammenhang wurde angeregt, daß vom Bundesvorstand der Sudetendeutschen Landsmannschaft zu
diesem Zweck eine Expertenkommission berufen wird.
======== ======================================================== ========
SUDETENDEUTSCHE LANDSMANNSCHAFT
Kongreß Junger Sudetendeutscher
Bericht des Arbeitskreises:
Wahrheit und Verruf -- unser Bild in Presse, Rundfunk und Fernsehen
Das Bild der Sudetendeutschen in der öffentlichen Meinung
Bundesrepublik Deutschland.
======== ======================================================== ========
SUDETENDEUTSCHE LANDSMANNSCHAFT
Kongreß Junger Sudetendeutscher
Bericht über den Arbeitskreis:
Die Landsmannschaft -- Gemeinschaft der Volksgruppe oder Heimatverein?
Home |