"Mei, geht's fei net af'n Ahornkaser. Dort droben san vierzg Dirndln und dazu lauter preißische!" Das war der Kommentar der bayrischen Buam zu unserem Winterlager in Berchtesgaden.
Na, ganz so schlimm war es aber doch nicht; es waren gerade fünfzehn Preißische -- genannt
Berlina Jemsen -- und dazu kamen noch ein paar Meerjungfrauen, die extra aus dem
schleswig-holsteinschen hohen Norden angereist waren, um einmal bayerischen Schnee nicht nur aus Trencker-Romanen,
sondern in Natur kennenzulernen.
Unter dem Rest befand sich eine beträchtliche Anzahl schon recht gut akklimatisierter Bayrischer,
die sich -- um der andersgläubigen Übermacht nicht gleich zu unterliegen -- schon am ersten Tag zur
Bayerngewerkschaft zusammenschließen mußten.
Ansonsten gab es am Tatort des Geschehens noch viel Sonne, etwas Schnee, gerade so viel, um zünftige
Wannen zu bauen.
Dann gab es manchmal noch viele Touristen, die aber nicht unseretwegen, sondern wegen der Gegend gekommen
waren.
Ganz in der Ferne konnten wir auf dem Purtschellerhang die Ski-Versuche unserer Jungenschafts-Elite verfolgen,
und das war manchmal Balsam auf unser wundes Ehrgefühl, das auch wund war.
Im Vertrauen gesagt: sie stellten sich nicht gescheiter an als wir.
Wir lernten sehr viel in diesen Tagen. Nicht nur Skifahren -- das lernten wir zum Leidwesen der
Skimeister-Traute und zum Gelächter der Schußstiere am Roßfeld nicht so richtig -- sondern wir lernten zum
Beispiel auch viele Lieder.
Darunter auch echt bayrische, und die Berlina Jemsen, die das ja nun mal nicht von Geburt an können, hatten
das Schmalz in die Luft hängen; aber sie bemühten sich trotzdem mit uns redlich.
Und es klang auch ganz gut, wenn wir im Brustton der Überzeugung sangen: "Zwoa Bredln, a gführiger Schnee,
juche, dös is halt mei höchste Idee".
Und wir lernten auch allerhand andere nützliche Dinge, denn vor und nach dem Skifahren wurde tüchtig für die
Mädelproben gearbeitet.
So brachte nicht nur der Glühwein, sondern auch die Diskussion über moderne Literatur, über Stilepochen und
anderes die Köpfe in Hitze.
Wir lernten noch etwas: Daß wir eine verschworene Gemeinschaft sind, die auch in dunklen Stunden zusammensteht.
Als nämlich gleich am ersten Lagertag unser Kamerad Kurt Weisser tödlich verunglückte, war das für alle nicht
nur ein trauriger Beginn, sondern für unsere Gemeinschaft auch eine Gewaltprobe. Das Lager hätte daran zerbrechen
können; doch das Erlebnis der Gemeinschaft ist daran gewachsen.
Unsere Tage wurden nicht so laut und lustig, wie wir alle sie uns vorher ausgemalt hatten. Aber wir standen
ehrfürchtiger vor den Erlebnissen dieser Tage.
Gerade weil uns das Große angerührt hatte, haben wir das Kleine intensiver erlebt.
Und so wurde dies eines unserer schönsten Lager, obwohl es keinen unvergeßlichen Lagerzirkus, keine
Gipfelstürmerei und keinerlei, einzigartige Erlebnisse hatte.
Walli
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