Mitteilungsblatt der Sudetendeutschen Landsmannschaft
zu 10 Jahre SdJ:


Die sudetendeutsche Jugend -
Tun und Wollen junger Gemeinschaft

von W. Egerter (Frankfurt)

Im Anschluß an die großen Vertriebenentreffen dieses Jahres schrieb eine bekannte westdeutsche Tageszeitung, daß es zu einer der phänomenalen Erscheinungen in der Geschichte der Vertriebenenbewegung gehöre, daß die Deutsche Jugend des Ostens immer stärker werde, je mehr Jahre seit der Vertreibung vergehen.
Einer der wesentlichsten Bestandteile der Deutschen Jugend des Ostens (DJO) ist die Sudetendeutsche Jugend (SdJ).

Es erscheint daher allein aus diesem Grunde nützlich, sich über diese Jugendgemeinschaft nähere Gedanken zu machen, sich die Frage zu stellen, wie es zu dieser Erscheinung kommen konnte. Dieser Versuch soll mit dem folgenden unternommen werden.

Um über die SdJ als Verband, ihr Wirken und Wollen sprechen zu können, ist es unumgängliche Voraussetzung, sich über ihr Werden zu informieren. Stellen wir uns daher einleitend die Frage nach den Wurzeln dieser Gemeinschaft.

Am Anbeginn war die Frage nach dem das Ausschlaggebende. Gewachsene Gemeinschaften der Heimat waren durch die Vertreibung zerstört worden. Es ist ein Irrtum anzunehmen, daß die jungen Menschen den Verlust in der Geborgenheit heimatlicher Gemeinschaft nicht gespürt hätten.
Wirtschaftliche und soziale Schlechterstellung gegenüber den Heimatverbliebenen bedingten ein Außenstehen in der neuen Gesellschaft und ihrer Umgebung. Die Verschiedenheit der Mundart bildete ein weit größeres Hindernis, als wir es heute ahnen. Dies alles war Voraussetzung für einen engeren Zusammenschluß, für den das gemeinsame Herkommen, das gleiche Schicksal entscheidend waren.

Mag dies Gültigkeit haben für die soziologische Entwicklung der Vertriebenenzusammenschlüsse im allgemeinen, für die Gruppierung junger Menschen war dies besonders entscheidend. So steht am Anfang der Arbeit in der Sudetendeutschen Jugend die Suche nach neuer Geborgenheit im gleichgesinnten Kreis.

Doch bald trat zu diesem ein weiteres Element hinzu.
Inzwischen waren jene jungen Sudetendeutschen aus den Kriegsgefangenenlagern zurückgekehrt, die in sich noch das Erlebnis der sudetendeutschen Jugendbewegung -- geprägt hauptsächlich durch die Jungturnerschaft des deutschen Turnverbandes -- vor 1938 trugen. Sie suchten in den Gruppen neben der Geborgenheit ein Mehr, das wir, um in der Terminologie der Jugendbewegung zu bleiben, am ehesten mit Bündigung bezeichnen können. Ihnen genügte die gefundene Geborgenheit allein nicht, sie suchten die ihnen von jungen Jahren an gewohnte feste Bindung.

So erging, nachdem der erste Sudetendeutsche Tag in Kempten bereits eine Klärung in dieser Richtung gebracht hatte, im Sommer 1950 der Ruf zu einem ersten Zeltlager.
In Gaisthal, einem kleinen Ort der nördlichen Oberpfalz, unmittelbar in der Nähe der Grenze zur heutigen Tschechoslowakei, standen die Zelte. In langen Gesprächen am nächtlichen Lagerfeuer war klar geworden, daß eine Zukunftsberechtigung nur durch die Aufgabenstellung gegeben sei, und als am 27. August im Angesicht der aufgehenden Sonne unmittelbar an der Grenze zur Heimat der Sprecher der SL Dr. Rudolf Lodgman von Auen die ersten 12 Fahnen der SdJ weihte, da war diese junge Gemeinschaft über ihre Anfangsgründe hinausgewachsen.
Hier war die Aufgabe klar geworden.

So trat nun neben die Frage nach dem Woher die Frage nach dem Bekenntnis zu einer gemeinsamen Aufgabe.
Nicht das gemeinsame Herkommen sollte in Zukunft entscheidend sein, sondern die Aufgabe, der sich jeder verpflichtet fühlt. Das Erlebnis dieser morgendlichen Feierstunde -- oft schon wurde sie verglichen mit Geburtsstunden alter deutscher Jugendbewegungen -- gab jenen, die dabei waren, die Kraft, die Erkenntnis dieser Aufgabe hinauszutragen, die Arbeit nach diesem Programm zu beginnen.

1949 waren die ersten Gruppen in geprägterer Form entstanden, 1950 bereits hatte sich die Sudetendeutsche Jugend ein Programm gesetzt, das über den sudetendeutschen Rahmen, wollten wir diesen nur im Herkunftsmäßigen sehen, weit hinausging. Die SdJ war zu einer Jugendgemeinschaft geworden, die anknüpfte an die noch gültigen Elemente alter deutscher Jugendbewegung, die ihren Standort als Erziehungsgemeinschaft aber genau so gut im politischen Bereich fand.

Stellen wir nun die Frage, wo diese Aufgaben liegen bzw. lagen, so können wir zwei Gruppen unterscheiden.

Einen großen Aufgabenkreis, der dieser jungen Gemeinschaft gestellt ist, können wir etwa mit dem Begiff E r hal t e n bezeichnen. Erhaltung des Volkstums, Pflege und Weitergabe sudetendeutschen Brauchtums, das alles gehört zum Aufgabenbereich dieser Gemeinschaft.
Erkennend, daß eine Gemeinschaft nur bestehen kann, wenn sie bereit ist, sich ihres Herkommens zu besinnen, nimmt dieser Sektor einen weiten Raum in der Gesamtarbeit ein. Wie oft stand über dieser Arbeit jenes Goethewort aus dem Faust: Was Du ererbt von Deinen Vätern . . . es drückt klar das Wollen aus, das hier Ziel ist.

Es mag dabei dem unvoreingenommenen Beobachter der Eindruck entstehen, daß die SdJ mit dieser Arbeit hart in die Nähe der Trachtenerhaltungsvereine und ähnlicher Zusammenschlüsse tritt. Ohne den Wert letzterer schmälern zu wollen, ist jedoch Brauchtumspflege in der SdJ mit der Arbeit dieser Vereine auf gar keinen Fall zu vergleichen. Auch die Kulturarbeit, und in diesen Bereich gehört ja dieser Teil der Gesamtarbeit, ist nur unter dem kulturpolitischen Gesichtspunkt zu verstehen, wobei politisch in diesem Zusammenhang sehr weit gemeint ist.

Doch nicht nur auf Erhaltung und Pflege des Brauchtums der Heimat kam es an. Ebenso wesentlich war es, die in der Heimat gewordene G e m e i n s c h a f t, wie sie sich in den 20er Jahren während der ersten Republik gebildet hatte und wie sie beispielgebend für eine Volksgruppe war, wieder zu s c h a f f e n, sowie ihre Reste, wo sie noch bestanden, zu erhalten.

Politisch bedeutend ist schließlich auch das Auftreten der SdJ bei den Sudetendeutschen Tagen. Sie sind jene Augenblicke, in denen der Weltöffentlichkeit das sudetendeutsche Anliegen deutlich gemacht wird.
Wie oft ist in diesem Zusammenhang immer wieder davon gesprochen worden, daß die sudetendeutsche Frage nur noch eine Angelegenheit der älteren Generation sei. Dieser Ansicht straft die Teilnahme der Jugend bei den Jahrestreffen der Volksgruppe jedoch Lügen.
Waren es beim Sudetendeutschen Tag 1950 in Kempten 300 Mädel und Jungen, so nahmen in Wien 1959 mehr als 3.500 an der Großkundgebung am Heldenplatz teil. Mag diese rein statistische Angabe der Welt Signal sein. Sie ist der Beweis für die phänomenale Erscheinung, von der, wie eingangs erwähnt, die große westdeutsche Tageszeitung schrieb.

Doch werfen wir von hier ausgehend einen Blick auf die zukunftsweite Aufgabe.
Dabei bleiben wir zunächst noch im politischen Bereich. Die SdJ hat klar erkannt, daß, sollten die heimatpolitischen Ziele der Sudetendeutschen in Erfüllung gehen, sollte es zu einer Wiederherstellung des Rechtes und damit zu einer Neuordnung in Mittel- und Osteuropa kommen, sie dereinst in Partnerschaft mit der Jugend des tschechischen Volkes wird leben müssen.

Die Fähigkeit für dieses Leben in Partnerschaft jedoch setzt die Erziehung junger Menschen zu einem bestimmten Denken voraus.
Hier versucht die SdJ mitzuhelfen Menschen zu bilden, die die Geschichte der Vergangenheit wohl kennend, doch ohne Ressentiments in der Lage sind, an einer Neuordnung mitzubauen. Aussprachen mit jungen Exiltschechen und Slowaken haben hier einen recht fruchtbaren Boden bereitet.

In dem Bekenntnis der SdJ, das ihr Bundesführer beim Sudetendeutschen Tag in Wien 1959 verkündete, heißt es in diesem Zusammenhang:
" . . . Wir sind bereit, den Rechtskampf um die Jahrtausende alten Siedlungsgebiete der Deutschen in Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien sowie um die gesamten deutschen Ostgebiete in die Zukunft zu tragen. Wir werden diese Aufgabe nur im Einvernehmen mit dem tschechischen Volk lösen konnen, und zwar im Sinne eines vereinten Europa, dessen gottgewollte Bausteine die Völker sein sollen und dessen Grundpfeiler das Recht ist. Aus der Vergangenheit wollen wir nur das in die Zukunft tragen, was uns dessen wert erscheint. Weil wir in den Völkern gottgewollte Bausteine einer übernationalen Ordnung sehen, wollen wir echtes Volksbewußtsein, aber keinen Nationalismus.
Wir wollen gemeinschaftsgebundene Persönlichkeiten, aber nicht die zügellose Freiheit des Einzelnen. Das besagt zugleich Absage an jede Art von Diktatur; es besagt aber auch, daß wir den Anspruch staatsbürgerlicher Rechte nur von der Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten herleiten."

"Weil wir an eine neue Völkerordnung glauben, verzichten wir aus innerer Freiheit und nicht aus außenpolitischen Erwägungen auf Rache und Vergeltung.
Die Politik der letzten Jahrzehnte hat eine Partnerschaft zwischen den Völkern erschwert.
Wir sind entschlossen, neue Wege der Zusammenarbeit mit der Jugend aller Völker, auch mit der Jugend des tschechischen Volkes zu suchen. Die Voraussetzung hierzu ist die Bereitschaft zur Lösung der durch den Krieg und Gewaltakte aufgeworfenen Fragen auf friedlichem Wege.
Dabei sind die Grundrechte aller Menschen in allen Gebieten zu achten. Wir wollen keine politische Neuordnung, die nicht auch von den besten unserer Nachbarvölker mitgetragen werden kann.
So, wie wir selbst bereit sind, jenen Ballast aus der Vergangenheit über Bord zu werfen, der einer neuen Völkerverständigung im Wege steht, bitten wir auch die Jugend der anderen Völker, dies zu tun, damit der Weg frei werde für eine Zukunft, die allen erstrebenswert ist.
Staatsrechtliche Konstruktionen der Vergangenheit können nicht Vorbild einer neuen Lösung sein. Wir werden dort zum Verzicht bereit sein, wo wir dem unbestreitbaren Rechtsanspruch eines anderen Volkes begegnen. Wir werden aber mit allen uns zur Verfügung stehenden friedlichen Mitteln für die Gebiete einstehen, in denen unser geschichtliches und gegenwärtiges Recht nicht bestritten werden kann."

" . . . Im Vertrauen auf unser Recht, im Wissen um unsere Pflicht und im Glauben an Gott wollen wir gemeinsam mit der älteren Generation den Rechtskampf um die Wiedergewinnung unseres Sudetenlandes solange führen, bis es mit dem wiedervereinigten Deutschland seinen Platz in einem freien und friedlichen Europa gefunden hat.
Entscheiden werden diesen Kampf nicht die besseren Waffen, sondern die stärkeren Herzen. Dafür stehen wir bereit!"

Soweit das Bekenntnis der Jugend. Mögen diese Sätze genügen, um das Programm der Sudetendeutschen Jugend in dieser Richtung zu umschreiben.

Neben diesen ausgesprochen politischen Aufgaben hat sich die SdJ aber auch die Aufgaben gestellt, die jeder Jugendgemeinschaft aufgegeben sind.
Einstmals war die Jugendbewegung als Revolution gegen die Verbürgerlichung der Gesellschaft, als Forderung nach dem Jung-Sein-Dürfen und nach dem Jung-Sein-Können entstanden. Sie stellte die Forderung nach dem eigenen Raum zwischen Kindheit und Erwachsensein auf. Das gab ihr einst die Triebkraft.
Heute liegt die Aufgabenstellung in anderen Bereichen.
Nicht auf eine Revolution kommt es an, sondern Kristallisationspunkt zu sein in einer Gesellschaft, die destruktiven Charakter trägt, ist die Aufgabe. Kleine überschaubare Gemeinschaften sind das Gebot der Zeit. Sie nur können neben Elternhaus und Schule eine Erziehungsaufgabe an der Jugend wahrnehmen.
Eine solche überschaubare Gemeinschaft, ein solcher Kristallisationspunkt ist auch die SdJ. Sie erfüllt damit wie jeder andere Jugendbund eine wesentliche Aufgabe in der Gesellschaft unserer Zeit. Hierbei -- und das führt die SdJ nun wieder an den, politischen Bereich -- kommt ihr eine besondere Bedeutung zu, da es doch gerade für die Vertriebenenjugend notwendig war, diese in Gemeinschaften zu führen, in denen sie Halt und Stütze finden, ohne Flugsand der Zeit zu werden.

Die in der Gemeinschaft gebundene Persönlichkeit, die ihr Leben zwischen den Extremen Freiheit ohne Bindung und Bindung ohne Freiheit zu führen weiß, ist vornehmlichste Aufgabe dieses Bundes. Nur diese Persönlichkeit wird in der Lage sein, all die anderen hier angedeuteten Aufgaben zu erfüllen.

Bleibt nun die Frage, wie die hier genannten Aufgaben in der SdJ wahrgenommen werden.
Der Charakter des Erziehungsverbandes bedingt eine altersmäßige Gliederung der SdJ. Mädel und Jungen vom 6. Lebensjahr an werden in den Kindergruppen erfaßt, während die 10-18jährigen die Jungenschaft und die Jungmädelgruppen bilden. In dieser Altersstufe nimmt die jugendpflegerische Arbeit den weitesten Rahmen ein. Jedoch werden hier schon die Voraussetzungen für heimatpolitische Arbeit geschaffen.
Pflege und Erhaltung sudetendeutschen Brauchtums kennzeichnet wesentlich neben der heimatpolitischen Arbeit das Tun der Jugendkreise, die die Mädel und Jungen über 18 Jahre erfassen.
Besondere Gruppen sind die Spielscharen; sie sind Kreise geschulter und ausgewählter Menschen, die die Kulturarbeit im wesentlichen tragen.
Eine über die Form eines Jugendverbandes hinausgehende Gruppierung ist zur Zeit in Bildung. Die junge Generation soll in der ihrem Alter entsprechenden Form jene Menschen ansprechen, die durch die Erziehung der SdJ gegangen sind. Ihr wird die Hauptaufgabe in der heimatpolitischen Arbeit zukommen, sie soll die Vorstufe sein für die aktive Tätigkeit innerhalb der Volksgruppenorganisation.
Die studentische Jugend hat in den Akademischen Gemeinschaften ihre Form gefunden. Diese haben mit gleichgesinnten binnendeutschen Kreisen 1958 die Deutsche Gildenschaft als gemeinsamen Bund wiedergegründet und damit die Fortsetzung der Tradition altprager Gilden und Freischaren übernommen.
Damit ist jeder Altersstufe, von der Kindergruppe bis zur Akademischen Gemeinschaft, die ihr zukommende Aufgabe gestellt, die eingebettet ist in den großen Aufgabenbereich des gesamten Bundes.

Fassen wir zusammen:
10 Jahre währt nun die Geschichte dieser jungen Gemeinschaft. Groß und umfassend ist das Aufgabengebiet, das sie sich gestellt hat.
Daß sie lebt, dies zu beweisen, versuchen auch diese Zeilen.
Vielfältig ist die Arbeit der Gruppen, mannigfach die Veröffentlichungen, die von ihrer Führung herausgegeben wurden.
Über allem Tun und Wollen der Sudetendeutschen Jugend steht die feste Entschlossenheit zum Einsatz für die Heimat der Väter, dem alles andere untergeordnet ist.



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