Mitarbeit in den Jugendringen

Nach 1945 gab es für Jugendliche zunächst wenig Perspektiven.
Bedingt durch die Kriegsereignisse standen viele Jugendliche ohne Vater da, mit nur mangelhafter Schulbildung oder abgebrochener Ausbildung. Es herrschte Hunger, Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot und für unsere sudetendeutschen Jugendlichen kam noch die Vertreibung aus der Heimat dazu und das Fuß fassen müssen in einem für sie fremden Land, das sie oft nur als fremde Eindringlinge empfand.

Das öffentliche Leben und die politischen Verhältnisse bestimmten in den vier Besatzungszonen die Besatzungsmächte.
Unter ihnen ergriffen bald die Kommunen Initiativen für ihre Jugendlichen. Sie richteten sogenannte Jugendausschüsse ein und über die wieder entstehenden gesellschaftlichen Organisationen wie Kirchen, Sportvereine usw. wurden Betreuungsangebote für Jugendliche gemacht. Im Laufe der Zeit entstanden wieder Jugendorganisationen als Teil gesellschaftlicher Großgruppen ( Kirchen, Parteien, Gewerkschaften oder andere Verbände). So auch die Sudetendeutsche Jugend (SdJ) als Jugendorganisation der Sudetendeutschen Landsmannschaft.
Es bildete sich eine bunte Vielfalt in der Jugendarbeit heraus.

Die Jugendverbände wollten gemeinsam ihre und die Interessen der Jugendlichen in der Gesellschaft vertreten und so kam es neben den örtlichen wenig später auch zu regionalen und vereinzelt auch schon auf Landesebene zu sogenannten Jugendausschüssen. Diese waren in den westlichen Besatzungszonen meist die Keimzellen für die späteren örtlichen, regionalen und Landesjugendringe, wie wir sie heute noch kennen.
Die ersten Jugendringe bildeten sich in Bayern, Kurhessen und Bremen.

Martin Faltermaier, 1952 Präsident des Bayerischen Jugendringes definiert sie so: “Der Jugendring ist der freiwillige Zusammenschluß verschiedenartiger Jugendverbände zum Zweck einer echten Zusammenarbeit im Interesse der Mitglieder und im Interesse der gesamten Jugend unter Anerkennung und Bejahung sowohl der Verschiedenartigkeit als auch der Gemeinsamkeit”. ) 1

In den Orten, in denen Gruppen der SdJ entstanden, versuchte man auch in die Jugendringe, die sich allerdings erst im Aufbau befanden, aufgenommen zu werden. Nicht überall gelang es reibungslos und ohne Vorbehalte dort neben den traditionellen Jugendorganisationen Fuß zu fassen.
Die Zusammenarbeit in diesen lokalen überschaubaren Kreisen von Jugendvertretern war aufgaben- und zielorientiert und ohne große Vorbehalte gegenüber anderen Gruppierungen. In ihrer Basisarbeit standen die einzelnen Verbände meist vor ähnlichen materiellen Problemen. Es mangelte an entsprechenden Jugendräumen und an brauchbarem Arbeitsmaterial -- vor allem aber fehlte ihnen das Geld für ihre Aktivitäten. Aus der Not heraus und aus Solidarität untereinander suchten die verantwortlichen Jugendvertreter oft gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten, mit der Folge einer punktuellen Zusammenarbeit zwischen den Verbänden auf kommunaler Ebene.
Der persönliche Kontakt der einzelnen Jugendringvertreter untereinander war relativ intensiv -- sie trafen sich regelmäßig und kannten sich außerdem über die Jugendringarbeit hinaus aus dem sonstigen örtlichen Leben.
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Da in Bayern, aber auch in den anderen Bundesländern, sehr viele Sudetendeutsche eine neue Heimat gefunden hatten und dort viele sudetendeutsche Jugendgruppen entstanden waren, gab es in den meisten örtlichen bzw. in den Kreisjugendringen Vertreter der SdJ, später der Deutschen Jugend des Ostens (DJO), die in den jeweiligen Jugendringen mitarbeiteten oder sogar an leitender Stelle standen, bis hin zu den Landesjugendringen oder die zumindestens die Angebote der jeweiligen Jugendringe nutzten z.B. Jugendleiterlehrgänge, Jugendlager und -fahrten.
In den Jugendringen ging es aber nicht nur um Jugendbetreuung, sondern auch um eine Mitsprache und Mitgestaltung der Jugendlichen und um eine Vertretung ihrer Interessen auch in Politik und Gesellschaft.

Die Landesjugendringe waren als Grundlage für die praktische Arbeit und als Vertretung der Gesamtjugend in den einzelnen Ländern eine notwendige Form des Zusammenschlusses.
Man war sich aber bald darüber einig, dass es darüber hinaus noch eine Arbeitsgemeinschaft geben müsse, die in der Lage ist, die praktischen Ergebnisse der einzelnen Jugendringe und die Arbeit der Jugendverbände nicht etwa zu koordinieren, sondern im Erfahrungsaustausch für alle nutzbar zu machen.
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So kam es nach mehreren Entschließungen über den Begriff Jugendhilfe, nach mehreren Vorbereitungstagungen aller Jugendverbände und nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1949 in Altenberg zur Gründung des Deutschen Bundesjugendringes (DBJR).

Den Gründern der DJO war von Anfang an bewusst, dass die weitere Entfaltung dieses neuen Bundesverbandes insbesondere auch von der Aufnahme und der dann möglichen Mitarbeit im DBJR und den jeweiligen Landesjugendringen abhing. Einerseits bedeutete eine Aufnahme die Anerkennung als eigenständigen Jugendverband der Flüchtlingsjugend, andererseits bot eine Mitgliedschaft die Möglichkeit, die Interessen der jungen Vertriebenen in den entscheidenden Gremien einzubringen, Entwicklungen mitzugestalten und im jugendpolitischen Raum zu agieren. Ein nicht unerheblicher Wunsch auf Mitarbeit in diesem Gremium bestand sicherlich ebenso darin, dass in den Landesjugendringen und im Bundesjugendring die Verteilung der Fördermittel für die Jugendarbeit mit beeinflusst und teils mit entschieden wurde”. ) 4

So stellte die DJO, die Dachorganisation‚ der auch die SdJ angehörte, 1952 auf der 6. Vollversammlung des DBJR (24 - 26. April in Elmstein ) den Antrag auf Aufnahme in den DBJR. Es erfolgte der Beschluß einer bedingten Aufnahme, die erst wirksam wird, wenn die DJO nachweist, dass der scharfe Revanchismus, wie er in den Arbeitsmappen der Sudetendeutschen Jugend zum Ausdruck kam, zukünftig in keiner der Gliederungen der DJO wirksam wird. Dieser Nachweis ist gegenüber dem Geschäftsführenden Ausschuss zu führen. Dieser beschließt dann, ob die Aufnahme der DJO unwirksam bleibt oder wirksam wird. ) 5

Offensichtlich konnten alle bestehenden Vorbehalte seitens der DJO in kürzester Zeit überzeugend ausgeräumt werden, denn bereits in der Sitzung am 11. September 1952 beschlossen die Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses die definitive Aufnahme der DJO in den DBJR und der Pfeil, das Presseorgan der DJO verkündete am 10.Oktober: “Nun sind wir endlich in den Bundesjugendring einstimmig aufgenommen worden. Dadurch haben wir seitens dieser höchsten Stelle westdeutscher Jugendorganisationen die Anerkennung gefunden, die wir bei Bundes- und Landesministern und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bereits seit längerer Zeit besaßen." ) 6

Ab Herbst 1952 konnte über die DJO also auch die SdJ ihre Meinungen und Vorstellungen im Bereich der Jugendarbeit im DBJR einbringen, die für Jugendliche oder für die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft von Bedeutung waren z.B. zu Themen wie Frieden, Abrüstung, europäische Integration.
Es kam oft zu harten, aber offenen und sachlichen Diskussionen über alle politischen und weltanschaulichen Grenzen hinweg so z.B. bei der Frage der Aufstellung einer bundesdeutschen Armee, integriert in ein westliches Bündnis.
Rasch wuchsen auch auf allen Jugendringebenen die internationalen Aktivitäten, Begegnungen und Zusammenarbeit mit Jugendorganisationen westlicher, später auch östlicher Länder.

An solchen internationalen Jugendbegegnungen nahmen auch Jugendliche der SdJ teil oder sie wurden von ihnen organisiert, wie z.B. der internationale Jugendaustausch, der von der SdJ bereits im Winter 1951/52 in einzelnen Bezirken Bayerns und in anderen Bundesländern durchgeführt wurde und an dem Skilehrer des Bayerischen Landesjugendringes sowie Jugendliche der SdJ vor allem aber 70 Jugendliche aus England, Dänemark, Schweden, Österreich, Frankreich, Spanien, Italien und aus der Schweiz teilnahmen.



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