Versöhnung ja -- Verzicht nein

Unter diesem Leitgedanken steht der XV. Sudetendeutsche Tag 1964 in Nürnberg.
Auch heuer werden wir -- die junge Generation unserer Volksgruppe -- aktiv an der Gestaltung dieser Tage mitwirken.
Zahlreiche repräsentative Veranstaltungen werden von uns gestaltet, das große Jugendlager wird wieder 4000 bis 5000 Jungen und Mädel unseres Bundes zusammenführen.

Zur gleichen Zeit, zu der wir uns in Nürnberg zu frohen Tagen unserer Gemeinschaft treffen, wird in Ostberlin ein großes Jugendtreffen der kommunistischen Freien Deutschen Jugend stattfinden.
Auch junge Sudetendeutsche werden an jenem Treffen teilnehmen -- viele, die vielleicht lieber nach Nürnberg fahren würden. Aber sie dürfen das Ziel ihrer Pfingstfahrt nicht selbst bestimmen, ebensowenig wie das Motiv ihrer diktierten Demonstration.
Das ist die große Verantwortung, die wir -- die Jugend im freien Teil unseres Vaterlandes -- tragen: daß wir stellvertretend für Tausende unsere Stimme erheben, die nicht selbst Freiheit und Recht fordern dürfen. Wir fahren freiwillig zu unserem Treffen, um so für unser Recht und für das aller Menschen einzutreten, wir sind nicht abkommandiert, wie viele der Teilnehmer am Ostberliner Jugendtreffen.

In einem freien Rechtsstaat zu leben ist ein verpflichtender Vorzug. Wir sollten uns dessen gerade in diesen Pfingsttagen erinnern. Die Teilnehmerzahlen von Nürnberg werden wohl kaum mit den Teilnehmerzahlen von Ostberlin zu vergleichen sein.
Aber die jungen Menschen, die nach Nürnberg kommen, kommen unter persönlichen Opfern und freiwillig. Sie kommen, um Freiheit und Recht zu fordern -- für sich und alle Völker, auch für die hinter dem Eisernen Vorhang.

Auch das Treffen in Ostberlin steht im Zeichen der Völkerfreundschaft, auch dort wird man von Freiheit, von Demokratie und Frieden sprechen.
Sicher sind auch junge Tschechen, Polen und Russen zu jenem Treffen abkommandiert. Aber sie kommen nicht freiwillig, weil sie auf Fahrten in fremde Länder Freundschaft zu jungen Deutschen fanden, sie kommen, weil ihnen diese Freundschaft von ihrem Staat befohlen wird.

Nach Nürnberg kommen junge Menschen fremder Völker und Volksgruppen, Freunde, die wir in und durch unsere Arbeit fanden. Und sie kommen nicht, weil sie hinbefohlen werden, und zur Demonstration abkommandiert wurden, sie kommen, um solidarisch in unseren Ruf nach Freiheit und Recht einzustimmen. Sie kommen mit ihren Liedern und Tänzen zu einem freien Treffen junger Menschen.
Sie fordern von uns auch keinen Verzicht, sie bieten uns Freundschaft und Verbundenheit mit unserem Schicksal.
In der Woche nach Pfingsten werden die Mädel und Jungen der Sudetendeutschen Jugend mit ihnen noch an die Grenze zu unserer Heimat und an die Zonengrenze fahren.
Wir wollen ihnen die Wunden unseres Vaterlandes zeigen,sowie man mit Freunden seine Sorgen besprechen mag. Wir wollen aber auch durch das Schicksal unseres Volkes zeigen, daß Unrecht, Haß und Gewalttat niemals Grundlagen einer Völkerordnung und einer Lösung sein können.
Wir sagen ja zur Versöhnung, aber nein zu jedem Verzicht, der die Rechte unseres und jedes anderen Volkes beschneidet.

So heißen wir zu Pfingsten unsere jungen Freunde in unserer Gemeinschaft herzlich willkommen.
Unser Gruß gilt ebenso herzlich unseren Kameraden und Freunden von den anderen Landsmannschaften, die mit nach Nürnberg kommen, um gemeinsam mit uns einzutreten für Freiheit, Recht und Frieden.
Unser Gruß gilt aber im Besonderen den Jungen und Mädeln in Ostberlin, in der Zone und in allen Staaten hinter dem Eisernen Vorhang. Wir bieten ihnen herzlich die Hand

zu Freundschaft und Versöhnung!

Ossi Böse



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