Am Tag als der Regen kam

  Erlebnisse beim SUDETENDEUTSCHEN TAG Tag 1961 in Köln

"0 mei, wann's da regnet derbröselt's uns", so meinte Ossi, als wir bei strahlendem Sonnenschein den Zeltlagerplatz in Köln besichtigten.

"Hör bloß auf mit dem Geunke", rief daraufhin gleich die Walli, "zu Pfingsten wird schönes Wetter, ich hab's im Gefühl und Gefühle trügen nicht.

Und sogleich steuerte sie zielsicher auf eine buschumgrenzte Wiese zu -- dem einzigen Fleckerl weit und breit, das nicht der Verfügungsgewalt der Messeverwaltung, sondern irgendeiner Landwirtschaftskammer unterstand. Und trotz logischer Gegenargumentierung erklärte sie fest: "Hierher kommt's Mädellager" Logik hin - Logik her, dem Charme weiblicher Logik konnte sich selbst der landwirtschaftskammerliche Oberrat nicht entziehen, der nach vielen Telefongesprächen zwischen München, Köln und Bonn seine Zustimmung erteilte. Allerdings unter der Bedingung, daß die SdJ die Wiese mähen lasse.
Hätten die Männer freilich geahnt, daß diese letzte Bedingung mehr Schwierigkeiten machen würde als viel schwerwiegendere Entscheidungen, weil das Mähen einer Wiese in Köln 32 DM pro qm kostet, wäre der Traum von diesem Lageridyll ein Traum geblieben und nie Wirklichkeit geworden. Aber sie ahnten es ja nicht, und so stand Pfingsten das Mädellager wirklich auf besagter Wiese.

Diese schwerwiegenden Entscheidungen wurden gefällt, während Erich, Organisationstalent und Chefvorbereiter seit vielen SUDETENDEUTSCHEN TAGEN, in der Viehversteigerungshalle einer Hammelauktion zusah: "Man kann nicht genug lernen", kommentierte er diese Zeitvergeudung.

Dieselbe Halle war übrigens dann später die Lagerführung, was aber keinen Vergleichen Berechtigung gibt.

Die Vorbereitungen liefen wie am Schnürchen, Schwierigkeiten gab's so gut wie keine, weil die Kölner Messeverwaltung alle etwa möglichen Pannen durch ihr Entgegenkommen aus dem Weg zu räumen versprach. Und Versprechen spielen bei Rheinländern eine gewichtige Rolle !

Aufgebaut wurde das Lager von der Bundeswehr bei strahlendem Sonnenschein.

"Na siehste", frohlockte Walli und ging darüber tiefbefriedigt ihren speziellen Pflichten nach. Dazu gehörte auch die Kontrolle der zu benützenden sanitären Anlagen.
Wehmütig nahm sie zur Kenntnis, daß die Kölner Closettfrauen -- so erklärte ihre Sprecherin kategorisch -- seit dem Schlesiertreffen immer einen Strauß rote Rosen bekommen. Zu solchen Träumen kann sich eine Lagerführerin freilich nicht versteigen, aber brav wurde notiert Rote Rosen für Clofrauen am Montag.

Mit den ersten Gruppen kam der Regen -- beide zu mitternächtlicher Stunde den Schlaf der kampferprobten Lagerführung störend. Und während Bus auf Bus heranrollte, wurde aus den paar Spritzern ein behäbiger Landregen.

Schon beim Morgengrauen am Samstagfrüh waren die Pfingstsonntagsdirndlblusen und Festfrisuren der Mädel pitschepatschenaß, der Optimismus merklich zahmer und die Laune in der Lagerführung unter dem Nullpunkt. Wer sollte auch gute Laune bewahren, wenn immer wieder die Jungenschaftler auftauchen und melden, dass ihr Zeltplatz überschwemmt, und die Mädel erscheinen und jammern, daß die ganze Pfingsttracht dahin sei.

Immerhin haben die Mädchen aber mit zusammengebissenen Zähnen vor ihrem Lagertor einen buntbebänderten Pfingstbaum aufgestellt, von dem nur wenige ahnten, daß die rote Farbe der Bänder ausging und die Tropfen, die vom Baum fielen, demnach zuckerlrosa waren.

Die Jungenschaftler aber haben ihre Luftmatratzen mit dem Lied aufgeblasen "eine Seefahrt die ist lustig".

Zur Lagereröffnung marschierten wir noch auf, denn gerade war eine Regenpause. Abgebrochen wurde diese Festivität freilich mit den Worten "Schnell in die Zelte, ehe Ihr naß werdet". Und von nun an fanden die Veranstaltungen im Saale statt. Dieser Saal war eine schrecklich triste riesige Halle, die für uns -- die Jugend -- nur den Vorteil hatte, daß wir den nicht geringen Mietpreis nicht bezahlen mußten, weil auch die SL die Großkundgebung in sie verlegte.
Dort also sangen, tanzten, spielten wir, hörten der Großkundgebung zu, versuchten krampfhaft noch ein Erlebnis in der Feierstunde zu finden, die ja eigentlich ins Freie bei Fackelschein geplant war und hier gar nicht wirken wollte, und nahmen immer wieder allen Mut zusammen, um nicht mit dem Himmel zu weinen.

Fahnenständer SdJ Oberbayern im Regen

"Bei schönem Wetter kann jeder zelten, bei schlechten nur wir", mit diesem Kampfruf beruhigten wir mitleidige Bürger, die am Sonntag unser Lagerleben kommentierten, mit diesem Kampfruf pflegten wir liebevoll das bißchen Galgenhumor und mit diesem Kampfruf versuchten wir uns nachts kälteschlotternd in den Schlaf zu zwingen.

Mit der Kälte hätten auch die Rot - Kreuz - Helfer zu kämpfen, so erklärte deren Chef der Lagerführung Samstagnacht. Und auf den Vorschlag, sie könnten ruhig die Schlafsäcke der Lagerführung haben, weil die ja doch in dieser Nacht nicht zum Schlafen käme, meinte er etwas verlegen, daß es gar nicht darum ginge, etwas für die innere Wärme wäre besser. Und da man bei diesem SUDETENDEUTSCHEN TAG unliebsame Überraschungen jede Menge gewohnt war, fuhr der Horst früh um 4 zum Bahnhofkiosk und holte eine Flasche Cognac. Ganz verhehlen konnte er seinen Neid bei der Übergabe nicht, denn das gesamte Lager kämpfte ja mit der Kälte und wenn sogar der Onkel Doktor meint, daß so was dagegen hilft . . .

Im Zeichen der Improvisation geschah an diesen Pfingsttagen allerhand. Fast hätten sie das Seelenheil der hohen Geistlichkeit auch noch ins Wanken gebracht. Müde, verfroren und abgekämpft erinnerte sich die weibliche Lagerführung nach durchwachter Nacht am Sonntagmorgen nämlich zweier warmer Duschen neben der großen Halle. Und bald umrauschte wohlige Wärme unsere Damen. Sichtlich schnellte das Gemütsbarometer in die Höhe, als man die letzte trockene Dirndlbluse aus dem Rucksack holte und kaum war der letzte Knopf zu, ging die Türe auf und es erschien die Geistlichkeit im Duschraum. Er war nämlich Sakristei geworden, als der Festgottesdienst vom regennassen Messeplatz in die Halle verlegt worden ist. Von dieser Sekundenentscheidung hatten aber unsere Mädelführerinnen nichts gewußt, das sei zu ihrer Entschuldigung immerhin gesagt.

"Kameradschaft ist unwandelbar" knirschten die Würzburger Jungenschaftler, als sie bei den Pfingstwettkämpfen mit 2 Punkten Vorsprung von den Frankfurtern besiegt wurden. Diese zwei Punkte hatten sich die Hessen geholt, weil sie die Knoten so blitzschnell konnten, die ihnen die Würzburger erst eine Viertelstunde vor dem Wettkampf gelernt hatten!

Kleine und große Begebenheiten gab es genug an diesen Tagen, die alle Planung buchstäblich ins Wasser fallen ließen und von allen, die irgendwo mit der Organisation zu tun hatten, ein Höchstmaß an Geistesgegenwart und Improvisationstalent verlangten.

Schön war es nicht -- nur hemmungslose Lügner könnten solches behaupten. Wenn dieser SUDETENDEUTSCHE TAG in Köln trotzdem mit in die Reihe der großen Tage kommt, so einfach deshalb, weil auch er -- trotz allem ein Tag der Gemeinschaft war, vielleicht mehr als mancher andere. Und weil graue Tage genauso zählen, wie die leuchtenden.

Trotzdem: Bangemachen gilt nicht! Der SUDETENDEUTSCHE TAG in Köln hat uns wenigstens bewiesen, daß wir auch mit den widerwärtigsten äußeren Umständen fertig werden.

 


Am Rande beobachtet:

im Zeltlager

Der Fotograf schrieb zu diesem Bild:
Mitglieder der Adalbert-Stiftergruppe München versuchen das Regenwasser in eine Sickergruppe zu leiten. Dies war nur teilweise erfolgreich, weil der Boden so verdichtet war, dass das Wasser nicht versickern konnte.
Der Pickelnde bin ich, den Pickel hatte ich mir von einer nahe gelegenen Baustelle ausgeliehen.



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