Das Spiel in der Kindergruppe

Neben Singen, Basteln und anderen Beschäftigungen ist vor allem das Spiel ein Spiegelbild des Entwicklungsstandes, des Geschlechtes und der Eigenart des Kindes.
Der Knabe spielt das Draußen, das öffentliche Leben; das Mädchen das Drinnen; die Häuslichkeit. In dieser geschlechtsmäßigen Spielwahl kündet sich die verschiedene natürliche Bestimmung der Geschlechter an.
Auch hinsichtlich der Spielweise lässt sich der Geschlechtsunterschied feststellen. Das Spiel des Knaben zeigt etwas Kraftvolles, Robustes und Kämpferisches, das Spiel des Mädchens etwas Hingebendes.

Der Unterschied der Veranlagung tritt nirgends so sehr hervor wie im kindlichen Spiel. Es zeigt sich der Unterschied der geistigen Veranlagung.
Das eine Kind ist phantasiereich, das andere einfallsarm.
Das eine fasst die Spielregel und den Spielvorteil rasch auf, das andere zeigt sich geistig schwerfällig.
Das eine Kind ist egoistisch und möchte die führende Rolle oder das beste Spielzeug für sich haben, das andere ordnet sich unter und teilt mit anderen.
Das eine Kind ist streitsüchtig beim Spiel, das andere ist ehrlich.
Daraus ergibt sich, dass kein anderes Gebiet des kindlichen Daseins so zukunftskündend ist wie das Spiel.

Das Spiel schließt auch erzieherische Wirkungen in sich. Es entwickeln sich dadurch wertvolle Kräfte; körperliche, geistige und sittliche.

Es ist deshalb notwendig, dass jede Führerin einer Kindergruppe über das Grundsätzliche des Spieles Bescheid weiß. Sie wird sich bemühen, das Spiel nicht nur als etwas Nebensächliches zu betrachten, sondern das Spiel wesentlich in die Gestaltung der Gruppenstunden einbauen.
Auch das Spiel verlangt, wie jede andere Beschäftigung, eine Vorbereitung von Seiten der Gruppenführerin.
Zuerst werden wir uns nach geeigneten Spielmitteln umsehen. Schon die einfachsten Dinge sind in den Augen des Kindes das beste Spielzeug. Was lässt sich alles auf einem Dachboden finden? Ein Ball, Seile, alte Kleider, die beste Staatsrobe für das Stegreifspiel.

Bevor wir aber mit unseren Kindern spielen, überlegen wir uns, was wir spielen wollen.
Bei der Spielauswahl nehmen wir Rücksicht auf den Entwicklungsstand unserer Kinder, d. h. den Kleinen werden wir nichts zumuten, was ihre körperlichen und geistigen Kräfte übersteigt. Es käme dann bei den Kindern nicht zur vollen Spielfreude.
Wiederum dürfen ältere Kinder, besonders Knaben, nicht zu Spielen gezwungen werden, die für sie keinen Reiz haben.
Da aber nun jüngere und ältere Kinder in unserer Kindergruppe vereinigt sind, so wird die geschickte Gruppenführerin etwas Abwechslung in der Spielauswahl treffen, so daß beide Altersstufen auf ihre Rechnung kommen.

Auf Spiele, die wir den Kindern neu lernen wollen, müssen wir uns gründlich vorbereiten. Besonders wenn es sich um Bewegungsspiele mit Liedtexten handelt. Wir wollen hier zuerst Text und Melodie lernen und dann zum eigentlichen Spiel übergehen. Sonst ist die Gruppenführerin immer gezwungen, bei diesen Spielen Solo zu singen und es kommt nicht zum eigentlichen Gemeinschaftsspiel.
Bei anderen Spielen, wie Kreisspielen und Gesellschaftsspielen, erfolgt die Vorbereitung durch eine anschauliche Einführung in die Spielregel.

Die Spielfreude der Kinder wird erhöht, wenn wir unmittelbar am Spiel teilnehmen. Das bedeutet aber, dass wir uns nicht zur Herrin des Spiels machen dürfen, sondern eine frohe Spielgefährtin sein müssen. Wir nehmen deshalb Vorschläge von Seiten der Kinder hinsichtlich der Spielauswahl entgegen, vermeiden bei der Durchführung den Kommandoton, was aber das Einhalten der Spielordnung nicht ausschließt.
Wir vermeiden auch den Zwang hinsichtlich der Dauer des Spiels. Unaufmerksamkeit, allerlei Unarten sind die Folgen des zu lang ausgedehnten, nur mechanisch fortgesetzten Spiels. Damit soll aber auch nicht gesagt sein, dass man der Flüchtigkeit und Oberflächlichkeit einzelner Kinder nachgibt.

So ist das Spiel ein wertvolles Erziehungsmittel, gibt uns Einblick in die Entwicklung des Kindes und ist eine Quelle zahlreicher Freuden. Aus diesen Gründen muss das Spiel in unserer Kindergruppe weiten Raum einnehmen.


Was wollen wir in der Kindergruppe spielen?

Gesellschaftsspiele:

Ringlein, Ringlein, du musst wandern, Liederraten, Gegenstand verstecken und ähnliche . . . .
Beim Pfänderauslösen ist es nett, wenn man statt der üblichen Dinge wie Beichten, Ecken begrüßen usw. einmal auf neue Ideen kommt. Wer kann zum Beispiel eine Sage erzählen, eine Stadt, Berg, Fluß aus der Heimat der Eltern nennen?


Singspiele:

Hiervon gibt es eine solche Menge, dass uns wohl nie der Vorrat ausgehen wird. Sie vererben sich von Generation zu Generation fort und werden in allen Ländern ähnlich gespielt.
Eine große Anzahl finden wir in Die goldene Brücke, (Bärenreiterverlag, Kassel) und in Reigen und Kinderspiele (ebenfalls Bärenreiterverlag).


Bewegungsspiele:

Katze und Maus, Bäumchen verkaufen, Drittabschlagen und noch viele mehr.
Wer kennt nicht den Jubel beim Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann -spielen? Für solche Spiele werden die 6 - 10-jährigen in ihrem ungeheuren Bewegungsdrang immer zu begeistern sein.


Stegreifspiele:

Welches Kind ahmt nicht gern jemanden anderen nach?
Es bindet Mutters Kopftuch um und ist eine alte Hexe -- es setzt eine Pappkrone auf und fühlt sich schon als Prinzessin.

Wir wollen unsere Kinder davor bewahren, im Rampenlicht zu stehen und Stars zu sein, wir wollen ihnen viel lieber ihre kindliche Unbekümmertheit beim Spiel erhalten.
Deshalb lassen wir sie auch nicht lange Rollen lernen, sondern so sprechen wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.

Wir spielen unsere Märchen, Hänsel und Gretel, Rotkäppchen‚ Die sieben Geißlein, oder aber auch Lieder wie: Es wollt ein Schneider wandern, Ein Mann, der sich Kolumbus nannt und ähnliche, mit verteilten Rollen.

Wichtig ist, dass alle Kinder in das Spiel eingebaut werden. Wenn nicht so viele Personen vorkommen, so braucht man bestimmt noch Bäume im Wald, und das Tor bei Frau Holle können auch zwei Kinder bauen.
So verlieren die Schüchternen allmählich das Gefühl überflüssig zu sein und nichts zu können.


Das Kasperspiel:

sollte in keiner Kindergruppe fehlen.
Der Kasper ist nicht nur der beste Freund aller Kinder, sondern auch ein wunderbarer Erzieher. Er soll aber das bleiben was er ist, nämlich der gerade und aufrechte Bursche, der gegen alles Hintergründige und Falsche zu Felde zieht. Wir wollen ihn nicht zum Jahrmarktskasper machen, der meist eine sehr unschöne Gestalt abgibt.
Der Kasper hält niemals Moralpredigten, sondern lebt das gute Beispiel einfach vor. Er drückt sich sehr deutlich aus, doch niemals grob oder gemein. Er schlägt nur dann zu, wenn es sich um ganz hartgesottene Gegner handelt und wenn kein anderes Mittel mehr hilft.
An diese Dinge sollten wir denken, wenn wir Kasper spielen.

Es gibt wenige vorgedruckte Stücke, die sich für Kinder eignen. Besser ist es, man spielt frei und etwas, was die Kinder unmittelbar betrifft. Tod, Teufel und Galgen lassen wir auch lieber weg.

Wenn wir es beim Kasperspiel auch nicht zur Technik der Hohnsteiner bringen werden, so wird es uns und den Kindern doch viel Freude bereiten.



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