Über die Berufsausbildungsstätte wurde mit folgendem Flyer informiert.
Sie sehen als erstes eine lesbare Abschrift, weiter unten finden Sie eine fotografische Reproduktion.

 


Berufsausbildungsstätte

mit Heim


in


INGOLSTADT / DONAU

Münchnerstraße 6,   Telefon 2925


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Unsere Heimatstadt besitzt in ihrer Berufsausbildungsstätte mit Heim einen ganz neuen Schultyp, der sich ausgezeichnet in das industriell stark auf blühende Leben der Stadt einfügt. Diese Anstalt soll helfen, die Berufsnot unserer Jugend zu lindern, zum andern den Heimkehrern aus der Kriegsgefangenschaft, noch nicht in den Arbeitsprozeß einzugliedernden Vertriebenen usw. eine handwerkliche Ausbildung oder Umschulung zu ermöglichen.

Aber nicht allein diese Ziele erscheinen mir wichtig, noch wichtiger vielleicht die Tatsache, daß die jungen Menschen, die oft jahrelang ohne Arbeit waren, die keine Lehrstelle finden konnten, sehen, daß hier der Staat für ihre Ausbildung sorgt und daß sie also nicht die Ausgestoßenen des Schicksals sind.

Die Berufsausbildungsstätte nimmt auch eine große Zahl ausländischer Schüler auf; das ist wieder ein neuer Zug dieses Schultyps und dabei noch ein ganz besonders wichtiger: Die Menschen der verschiedensten Nationalitäten lernen sich kennen und achten, was ich für einen praktischen und wichtigen Beitrag zur Verständigung der Völker Europas halte.

Möge der Berufsausbildungsstätte mit Heim bei ihrer schwierigen und umfangreichen Erziehungs- und Ausbildungsarbeit ein recht großer Erfolg beschieden sein.

  Dr. GEORG WEBER
  Oberbürgermeister

 

In dankenswerter Weise hat sich die Stadt Ingolstadt bereit erklärt, die Trägerschaft der Berufsausbildungsstätte mit Heim in Ingolstadt rückwirkend ab 1. 4. 1951 zu übernehmen. Damit hat sie angesichts der Berufsnot sowohl der deutschen Heimatvertriebenen als auch der Jugend der heimatlosen Ausländer, diesen beiden vom Schicksal am schwersten betroffenen Personengruppen. einen außerordentlichen Dienst erwiesen. Darüber hinaus gab die Stadt Ingolstadt ein nachahmenswertes Beispiel für die Bereitschaft der städtischen Selbstverwaltung, dem Staate bei der Erfüllung seiner verantwortungsvollen Aufgaben auf dem Gebiete der Behebung der Berufsnot angesichts der allgemeinen Notlage beizustehen.

Es ist nun Aufgabe der heimatvertrieben Jugend und der Jugend der heimatlosen Ausländer von der hier gewonnenen Berufsausbildungsmöglichkeit weitesten Gebrauch zu machen und so der Stadt Ingolstadt ihren Dank in praktischer Weise auszudrücken.

Möge in der Berufsausbildungsstätte Ingolstadt in gemeinsamer Anstrengung von Lehrern, heimatvertriebener Jugend und Ausländerjugend eine neue Zelle europäischer Solidarität entstehen.
  Professor Dr. OBERLÄNDER
  Staatssekretär

 

Die Bedeutung der Grundausbildung hat allenthalben auch seitens der Wirtschaft Anerkennung gefunden. Lehrstellenanwärter die keine Möglichkeit haben, sofort eine betriebsgebundene Ausbildung zu beginnen, bereiten sich in diesen Grundausbildungslehrgängen für ihren späteren Beruf vor. So bildete sich vielfach die Praxis heraus, die berufliche Vorschulung auf die Lehrzeit anzurechnen. Es versteht sich von selbst, daß geeignete und beruflich vorgebildete Jugendliche leichter und bevorzugt vermittelt werden können.

Die Lösung des Problems der Berufsnot der Jugend in Bayern verlangt u.a. nach wie vor gebieterisch derartige Maßnahmen, wie sie in großem Umfange in gut eingerichteten Werkstätten die Berufsausbildungsstätte mit Heim in Ingolstadt durchführt. Grund genug, sie nach besten Kräften zu fördern und zu unterstützen. Diese Maßnahmen tragen bei sinnvoller Ausnützung der Gegebenheiten nicht nur mit dazu bei, die Berufsnot der Jugend spürbar zu mildern, vielmehr wird gleichzeitig damit dem kommenden Nachwuchs und Facharbeitermangel schon heute entgegengewirkt.

  BOHLA
  Arbeitsamtsdirektor


I. Die Entwicklung der Anstalt

Die Berufsausbildungsstätte mit Heim kann schon auf eine mehrjährige erfolgreiche Arbeit zurückblicken. Sie wurde zur handwerklichen Ausbildung der vertriebenen Ausländer von der Internationalen Flüchtlingsorganisation (IRO) gegründet, um diesem Personenkreis die Auswanderung zu ermöglichen. Am 01. April 1951 wurde die Schule durch einen Staatsvertrag in deutsche Verwaltung übernommen.

Damit war der deutschen Jugend aus Bayern die Möglichkeit gegeben, in Lehrgängen sich für den Beruf vorzubereiten. Nach einem großzügigen Umbau und Neubau von Werkstätten im Herbst 1951 begannen am 05. 11. 1951 neben den bisher durchgeführten Lehrgängen auch Grundausbildungslehrgänge der Arbeitsverwaltung.

Der Berufsausbildungsstätte ist ein Heim angegliedert, in dem die Schüler wohnen und verpflegt werden. In der unterrichtsfreien Zeit haben die Schüler Gelegenheit, an den verschiedenen Einrichtungen der Heimbetreuung (Theatervorstellungen, Vorträge, Modellbau, Sport und Spiel, Wettbewerbe, Heimbücherei usw.) teilzunehmen.

Die Aufnahmefähigkeit beträgt 480 Schüler.


II. Lehrgänge

In der Anstalt werden folgende Lehrgänge durchgeführt:

a) Grundausbildungs - Lehrgänge mit 6-monatiger Dauer für männliche Jugendliche im Alter von 14 bis 25 Jahren:

Bau
Bekleidung (Schneider, Schuhmacher)
Farbe und Schrift
Holz
Metall

Die Antragstellung für die Teilnahme erfolgt bei der Berufsberatung des für den Wohnsitz des Bewerbers zuständigen Arbeitsamtes. Die Einberufung in diese Grundausbildungslehrgänge nimmt ausschließlich das Arbeitsamt Ingolstadt vor. Den Teilnehmern werden in diesen Lehrgängen die Grundkenntnisse der entsprechenden Berufsgruppe vermittelt. Für den jüngeren Lehrgangsteilnehmer wird sich an den Grundausbildungslehrgang die reguläre Lehre anschließen, dem älteren Teilnehmer wird die Eingliederung in das Berufsleben als Spezialarbeiter erleichtert.

b) Speziallehrgänge mit 6-monatiger Dauer:

Autoelektriker   Radiomechaniker
Automechaniker   Schlosser
Elektromechaniker   Schneider
Maschinenschreiber   Schuhmacher
Maurer   Schweißer (elektro)
Metalldreher   Schweißer (autogen)
Metallfräser   Techn. Zeichner
Metallhobler   Tischler
Möbelschreiner   Tüncher und Anstreicher
Putzer    

Die Teilnahme an den Speziallehrgängen ist bei den Bezirksfürsorgeverbänden und Hauptfürsorgestellen für Kriegsbeschädigte zu beantragen. Die Formblätter hiezu sind bei der Schulleitung der Berufsausbildungsstätte mit Heim in Ingolstadt erhältlich. In diesen Lehrgängen wird dem Teilnehmer so viel praktisches Können mitgegeben, daß er ohne Schwierigkeit als Spezialarbeiter unterkommen kann. Neben der im Vordergrund stehenden praktischen Ausbildung in den betreffenden Berufszweigen wird auch auf eine gründliche theoretische Ausbildung (Fachrechnen, Fachzeichnen, Fachkunde usw.) Wert gelegt. Die Lehrgänge schließen mit einer Prüfung, die vor Meistern der Kreishandwerkerschaft Ingolstadt abgelegt wird.


III. Personenkreis für die Aufnahme in die Berufsausbildungsstätte

Es finden Aufnahme (Voraussetzung ist bayerischer Wohnsitz):

    1. Grundsätzlich jeder Deutsche im Alter von 14 bis 25 Jahren;
    2. deutsche Heimatvertriebene im Alter von 14 bis 25 Jahren;
    3. sonstige Personen im Alter von 14 bis 25 Jahren, die zum Kreis der Kriegsfolgehilfeempfänger gehören, und zwar: Evakuierte, Zugewanderte aus der sowjetischen Besatzungszone und der Stadt Berlin, Angehörige von Kriegsgefangenen und Vermißten, Kriegsbeschädigte und deren Angehörige und Kriegshinterbliebene.
  1. Heimatlose und Kriegsfolgehilfe-Ausländer ab 14. Lebensjahr (Nachweis: deutsche Kennkarte).
  2. Personen der vorstehenden Gruppe 1.) und Heimkehrer bis zum 45. Lebensjahr, wenn ihre Berufsausbildung durch den Krieg oder durch Kriegsfolgen gehemmt war oder nicht abgeschlossen werden konnte.
  3. Personen aus den vorstehenden Gruppen 1.) mit 3.), die ihren Wohnsitz in Baden, Württemberg, Hohenzollern haben.

Genaue Richtlinien sind in dem besonderen Merkblatt enthalten, das bei allen Arbeitsämtern, Bezirksfürsorgeverbänden und Hauptfürsorgestellen für Kriegsbeschädigte aufliegt.


Hier folgt noch eine (schlecht lesbare) Reproduktion des im Vorherigen beschriebenen Flyers:

 



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